LEITLINIEN FORSCHUNG : DFG: Geschlecht und Vielfalt für Forschungsvorhaben wichtig

25. Mai 2020 // Ulrike Günther

Geschlecht und Diversität spielen in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Auch bei zahlreichen Forschungsprojekten machen Geschlecht und vielfältige soziokulturelle Merkmale als Faktoren einen Unterschied: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) betont, dass sie für das Planen und Umsetzen von Forschungsvorhaben bedeutsam und für die Qualität der wissenschaftlichen Ergebnisse von Einfluss sein können.

Geschlecht und Vielfalt sind häufig wichtige Faktoren bei der Forschung. - Bild: PublicDomainPictures
Geschlecht und Vielfalt sind häufig wichtige Faktoren bei der Forschung. - Bild: PublicDomainPictures

zwd Berlin/ Bonn. Indem Wissenschaftler*Innen Geschlecht und eine Reihe sozialer und individueller Merkmale beim Vorbereiten und Durchführen ihrer Forschungsprojekte berücksichtigen, lassen sich laut DFG Lücken in der Wahrnehmung des erforschten Themas vermeiden und die wissenschaftliche Güte und Aussagekraft der erzielten Ergebnisse steigern. Dimensionen von Geschlecht und Vielfältigkeit in wissenschaftliche Vorhaben einzubeziehen, könne im Rahmen der Grundlagenforschung „ein entscheidender Faktor“ sein, erklärte der Senat der DFG in einer heute (25. Mai) veröffentlichten Stellungnahme.

Das gelte „ganz unabhängig“ von der erforschten Disziplin, insbesondere, wenn die aus den wissenschaftlichen Studien gezogenen Erkenntnisse auf verschiedene Personengruppen übertragen, angewendet und für diese nutzbar gemacht werden sollen. Der DFG-Senat unterstreicht auf diese Weise ausdrücklich die Bedeutung von Geschlecht und Vielfalt für wissenschaftliche Projekte und nimmt damit nach eigenen Angaben „eine Vorreiterrolle“ im System der bundesdeutschen Forschung ein.

Forscher*innen sollen verstärkt Geschlecht und Vielfalt reflektieren

„Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Reflexion der Dimensionen Geschlecht und Vielfältigkeit für ihre Forschungsarbeit anzuhalten, denn in vielen Fällen sind diese relevant“, betonte die DFG-Präsidentin Prof. in Katja Becker. Gleichzeitig variierte allerdings der Stellenwert der geschlechtsbezogenen und soziokulturellen Merkmale „je nach Forschungskontext, Thema und Methoden“, sagte die Präsidentin. Auf der Webseite der DFG finden sich zusätzlich zu der Stellungnahme des Senats allgemeine und an Fächern ausgerichtete Informationen zu der Frage von Geschlecht und Diversität in der Wissenschaft, Beispiele aus den unterschiedlichen Forschungszweigen und ein speziell auf diesen Gesichtspunkt hin ausgearbeiteter Leitfaden für das Beantragen von Projekten.

Bei Untersuchungen zur Osteoporose z.B. seien nach Angaben der DFG Männer lange Zeit vernachlässigt worden, neuere Studien hätten jedoch ergeben, dass etwa ein Drittel der männlichen Bevölkerung von der Alterserkrankung betroffen ist und therapeutische Behandlung braucht. Wie simulierte Crash-Versuche mit nach dem männlichen bzw. weiblichen Körperbau gestalteten Testpuppen zeigten, hätten beide Geschlechter unterschiedliche Verletzungsrisiken. Durch die Kenntnis der Versuchsergebnisse ließen sich diese Gefahren besser umgehen.

„Gute Praxis“: Geschlecht und soziokulturelle Merkmale berücksichtigen

Geschlecht und diverse Merkmale sind nach Aussagen der DFG in vielen Fällen hinsichtlich der zu untersuchenden, aber auch der forschenden Personen wesentlich, ebenso für die von der Anwendung der Studienergebnisse betroffenen Menschen, für an Versuchen beteiligte Tiere sowie menschlichen oder tierischen Körpern entnommene Proben. Geschlecht und Vielfalt zu reflektieren und in das Entwickeln der Forschungsfragen, das Aufstellen von Hypothesen und Theorien einfließen zu lassen, sei nach Aussagen der DFG „Teil guter wissenschaftlicher Praxis“. In diesem Sinne ist die Herangehensweise im Kodex der DFG zu den „Leitlinien“ für eine vorbildliche Forschungspraxis von 2019 verankert.

Geschlecht und Vielfalt in auf Menschen bezogener Forschung wichtig

Während die Naturwissenschaftler*innen den Informationen der DFG zufolge die Bedeutung von Geschlecht und Diversität für ihre Forschungsvorhaben als eher gering einschätzen, sind geschlechtsbezogene und soziokulturelle Merkmale in den Lebenswissenschaften, den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie vereinzelt auch in den Ingenieurwissenschaften relevant. Demnach können physiologische Vorgänge an gesunden wie kranken menschlichen und tierischen Körpern stark vom Geschlecht abhängig sein. Z.B. wird vermutet, dass die Gefahr, sich durch COVID-19 anzustecken, sowie der Verlauf der Erkrankung vom biologischen wie sozial geprägten Geschlecht beeinflusst.

Viele sozial- und geisteswissenschaftliche Studien richten von vornherein ihre Aufmerksamkeit gezielt auf individuelle wie gruppenspezifische Kriterien von Geschlecht und Vielfalt, wie eine von der DFG auf ihrer Webseite angeführte Untersuchung zu im Alltag üblichen Praktiken, Menschen entlang kultureller Merkmale zu kategorisieren. In den Ingenieurwissenschaften können die geschlechts- und vielfaltsbezogenen Faktoren dann wichtig werden, wenn Erkenntnisse der Forschung für den menschlichen Gebrauch genutzt werden sollen oder es um eine Interaktion von Mensch und Technik geht. Zwischenergebnisse aus Projekten auf dem Gebiet der Schwingungsakustik deuten z.B. an, dass Frauen und Männer sich geringfügig bei der Wahrnehmung von Schwingungen an Fahrzeugen unterscheiden.

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