MÄNNLICH, WEIBLICH, DIVERS : Kabinett bringt neues Personenstandsrecht auf den Weg

16. August 2018 // Sibille Heine

Das Kabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der eine dritte Geschlechtsoption im Geburtenregister ermöglichen soll. Künftig sollen Standesbeamte auch die Kategorie "divers" zur Auswahl haben, wenn das Neugeborene weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden könne.

zwd Berlin. Das deutsche Personenstandsrecht, so urteilte das Bundesverfassungsgericht Ende vergangenen Jahres, verstößt gegen Diskriminierungsverbot und Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz. Der Bundesregierung trug es auf, bis Ende dieses Jahres eine neue, diskriminierungsfreie Regelung zu erarbeiten. Der nun vom Kabinett verabschiedete Entwurf sieht eine Option auf den Eintrag eines dritten Geschlechts vor. Intersexuelle Menschen sollen fortan offiziell Anerkennung finden, wenn Standesbeamte neben den bekannten Angaben "männlich" und "weiblich" auch "divers" auswählen können.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) begrüßte den Entwurf. Die Einführung einer dritten Geschlechtsoption sei überfällig gewesen, für die Betroffenen gehe es um Würde und positive Identität. Kein Mensch dürfe wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden, schrieb Barley bei Twitter. Die Justizministerin hatte zuvor den Gesetzentwurf aus dem Innenministerium von Horst Seehofer (CSU) zurückgewiesen, weil er statt der Bezeichnung „divers“, „anders“ für die dritte Option vorgesehen habe.

Giffey will Transsexuellengesetz novellieren

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, die ebenfalls die Formulierung „anders“ abgelehnt hatte, forderte anlässlich des Kabinettbeschlusses, dass alle Menschen ihre geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung selbstbestimmt und frei leben können sollen. Mit der Einführung der dritten Geschlechtsoption sei ein wichtiger Schritt zur rechtlichen Anerkennung von Menschen, deren Geschlechtsidentität weder männlich noch weiblich ist vollzogen worden. „Ein weiterer Schritt muss nun folgen: das derzeit geltende Transsexuellengesetz muss aufgehoben und durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung und Stärkung von geschlechtlicher Vielfalt ersetzt werden“, so Giffey. Wegfallen sollen damit auch bislang erforderliche Zwangsgutachten, die über die geschlechtliche Identität der Menschen Auskunft geben sollen. Sie seien nicht mehr zeitgemäß.

Opposition: Chance auf Geschlechtervielfaltsgesetz vertan

Nach Ansicht der queerpolitischen Sprecherin der Links-Fraktion im Deutschen Bundestag, Doris Achelwilm, bleibe der Gesetzentwurf weit hinter den Möglichkeiten eines zeitgemäßen Geschlechtervielfaltsgesetzes zurück. Der Entwurf des Innenministeriums ziele nur auf intersexuelle Menschen und verhindere damit, dass jede*r selbstbestimmt eine positive Geschlechtsidentität im Rahmen der neuen Regelungen entwickeln könne. Dazu sei ein unkompliziertes, selbstbestimmtes Verfahren für den Eintrag und Änderung des rechtlichen Geschlechts nötig.

Ähnliches forderten die queerpolitischen Sprecher*innen der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven Lehmann und Claudia Lazar. Sie nannten den Gesetzentwurf „ein Trauerspiel für die geschlechtliche Selbstbestimmung.“ Als ambitionslos und bevormundend bezeichneten sie die Entwurf, der Diskriminierung von Trans- und Intersexuellen fortschreibe. So sei nach wie vor bei Änderung des Personenstandes ein ärztliches Attest vorzulegen, auch geschlechtszuweisende Operationen bei Säuglingen seien nicht verboten.

"Dritte Option": Grundrechte werden weiterhin verletzt

Die Kampagne "Dritte Option", deren Initiatoren die Beschwerde beim BVerfG begleitet hatten, kritisierten, dass der Entwurf die aktuell bestehende Verletzung der Grundrechte von Personen nicht beseitige, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen können. Die Kampagne kritisiert, dass nach wie vor ein ärztliches Attest vorgelegt werden muss. Diese Voraussetzung sei sachlich nicht zu begründende Belastung für die Betroffenen. Denn der Eintrag selber richte sich nach der geschlechtlichen Identität – die nicht durch ärztliche Untersuchungen festgestellt werden könne.


Artikel als E-Mail versenden