BUNDESPROGRAMM AUSBILDUNGSPLÄTZE SICHERN : Koalitionsregierung setzt „Schutzschirm für Ausbildung“ um

24. Juni 2020 // Ulrike Günther

Die Corona-Epidemie wirkt sich ungünstig auf den Berufsbildungsmarkt aus: Betriebe vermelden Arbeitsausfälle oder sind vom Konkurs bedroht, Auszubildende sehen sich der Gefahr gegenüber, ihre Lehrstellen zu verlieren. Um die berufliche Zukunft der jungen Menschen zu sichern, hat das Bundeskabinett nun Förderhilfen aus dem Konjunkturpaket für Unternehmen und Azubis vereinbart.

Auszubildende lernen in der Berufsschule. - Bild: PxHere
Auszubildende lernen in der Berufsschule. - Bild: PxHere

zwd Berlin. Mit den heute (24. Juni) festgelegten Eckpunkten für das bundesweite Programm „Ausbildungsplätze sichern“ will die Koalitionsregierung kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) finanziell unterstützen, um Ausbildungsverträge zu retten und den Nachschub an Fachkräften für den Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Demnach wird der Bund Ausbildungsbetriebe, Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialsektor mit einem Angebot an Lehrstellen sowie die Azubis in den Jahren 2020 bis 2021 mit Mitteln in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro fördern. Die Maßnahmen umfassen gestaffelte Ausbildungsprämien, Zuschüsse zur Vergütung der Ausbildung sowie Hilfen für zeitweilige oder dauerhafte Übernahmen von Auszubildenden aus anderen, durch die Krise in finanzielle Zwangslagen geratenen Betrieben.

Koalition will jungen Menschen sichere Perspektiven bieten

„Wir dürfen jetzt nicht zulassen, dass die Corona-Pandemie zu einer Krise auf dem Ausbildungsmarkt wird“, betonte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) anlässlich der Veröffentlichung der Eckpunkte. Mit dem Bundesprogramm wolle die Regierung für die KMU Anreize schaffen, weiterhin in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren. Ziel dabei sei es laut Karliczek, auch nach der derzeitigen Krise den Bedarf an qualifiziertem Personal auf dem Arbeitsmarkt zu decken. Das Bundesprogramm diene dazu, die wirtschaftliche Zukunft der Unternehmen abzusichern und jungen Menschen für das Berufsleben eine „verlässliche Perspektive“ zu bieten.

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die Berufsaussichten der Jugendlichen im Blick. „Wir kämpfen um jeden Ausbildungsplatz“, hob er hervor. Die vom Bundeskabinett beschlossenen Prämien sollten die erfolgreiche duale Ausbildung gerade in der Krisenzeit aufrechterhalten. „Mir ist wichtig, dass junge Menschen auch im Jahr 2020 eine Ausbildung beginnen oder abschließen können“, erklärte der Arbeitsminister. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterstrich besonders die Absicht der Regierung, über das Stärken des Ausbildungsmarktes Fachkräfte für die Arbeitswelt verfügbar zu machen und auf diese Weise der Wirtschaft zum neuerlichen Aufschwung zu verhelfen.

Ausbildungsprämien, Zuschüsse zur Vergütung und Übernahmehilfen

Konkret sehen die Pläne der Regierung vor, KMU sowie Gesundheits- und Sozialdienstleister für jeden 2020 abgeschlossenen Vertrag für eine der anerkannten bzw. über Bundes- und Landesrecht geregelten, praxisintegrierten Berufsausbildungen eine Prämie von 2000 Euro zu zahlen, wenn die Betriebe ihre Ausbildungsleistung im Vergleich zu den drei Vorjahren nicht verringern. Für jeden über das sonst erbrachte Ausbildungsvolumen hinausgehend zustande gekommenen Lehrstellenvertrag sollen die Unternehmen und Einrichtungen sogar eine einmalige Prämie von 3000 Euro erhalten.

Um Kurzarbeit zu vermeiden und es Betrieben mit Arbeitsausfällen von mindestens 50 Prozent zu erleichtern, ihre Aktivitäten zur Ausbildung von Jugendlichen fortzuführen, übernimmt der Bund für die Zeit dieser Arbeits- und Einnahmeengpässe 75 Prozent der monatlichen Ausbildungsvergütung. Wenn KMU, überbetriebliche Berufsbildungsstätten oder Ausbildungsdienstleister zeitweilig Azubis von Betrieben mit durch die Epidemie verursachten finanziellen Schwierigkeiten einstellen, können sie über das Bundesprogramm Förderhilfen beantragen. Für dauerhafte Übernahmen von Auszubildenden aus krisenbedingt Konkurs gegangenen Betrieben zahlt der Bund den Unternehmen bzw. Einrichtungen eine Prämie in Höhe von 3000 Euro pro Person.

Grüne fordern Evaluation des Ausbildungsprogramms

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte nach eigenen Angaben den „Schutzschirm für Ausbildung“ in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner durchgesetzt. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokrat*innen Bärbel Bas sieht das Hilfspaket als Mittel, um der sich bereits abzeichnenden Abnahme der Anzahl von Ausbildungsverträgen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Auf diese Weise könne es dafür sorgen, dass aus der Krise nicht eine verlorene Generation von jungen Menschen ohne Zukunftschancen hervorgeht. Ergänzend zu dem beschlossenen Förderprogramm hält die SPD-Fraktion „sozialpartnerschaftliche Verabredungen“ hinsichtlich des Angebots von Ausbildungsstellen in den unterschiedlichen Branchen und Landesregionen für sinnvoll.

Grüne, Linke und Gewerkschaften begrüßen zwar die Entscheidung der Regierung, drängen jedoch darauf, dass die Koalition die geplanten Maßnahmen schnell umsetzt. Die Hilfen sollten den Ausbildungsbetrieben zugutekommen, welche sie wirklich brauchen, erklärte die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Aus- und Weiterbildung Beate Walter-Rosenheimer. Um das sicherzustellen, müsse man das Programm gleichzeitig evaluieren. Außerdem fordert Walter-Rosenheimer, man solle Azubis, die ihre Ausbildung in von der Krise besonders hart getroffenen Wirtschaftszweigen absolvieren, vom Beginn der Schutzmaßnahmen an 100 Prozent Kurzarbeitergeld zahlen.

Linke werben für „solidarische Umlagefinanzierung“

Die Linken werten die Ausbildungsprämien als kurzfristig wirksame Hilfen, verlangen aber auch längerfristige Lösungen. „Ohne viel Einsatz drohen sich die bereits vorhandenen sozialen Ungleichheiten auf dem Ausbildungsmarkt dramatisch zu verschärfen“, warnte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Birke Bull-Bischoff. Zusätzlich zum Ausbildungsbonus schlägt sie eine „solidarische Umlagefinanzierung“ vor, welche Ausbildungsbetriebe auch in Krisenzeiten absichern würde. Zudem seien aus Sicht der Linken die Schutz- und Mitspracherechte von Azubis zu stärken sowie die Qualität der Berufsausbildungen zu verbessern.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) befürwortet das Programm vor allem als ein Mittel, um das während der Epidemie zu beobachtende Wegbrechen von Ausbildungsplätzen und Bewerber*innen abzufedern. In einigen Regionen verzeichnen Industrie, Handel und Handwerk nach Aussagen des DGB einen Rückgang bei der Menge der Ausbildungsverträge um bis zu ein Fünftel. Es sei „höchste Zeit für mehr Schwung auf dem Ausbildungsmarkt“, urteilte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack, die Corona-Krise dürfe nicht zu einer Ausbildungskrise führen. Wie die SPD-Fraktion setzt sie auf die von der Allianz für Aus- und Weiterbildung aus Vertreter*innen von Bund, Ländern, Wirtschaft und Gewerkschaften entwickelte Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden, die sich in der Krise bewährt habe. Sollte sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt weiter verschlechtern, müsse die Allianz Hannack zufolge auf weitere unterstützende Regelungen hinwirken.

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