DEBATTE IM BUNDESTAG : Linke, Grüne und Liberale möchten digitale Bildung verbessern

18. September 2020 // Ulrike Günther

Die Corona-Krise hat die Schwächen der Digitalisierung an Schulen gezeigt. Wie neuere Studien bestätigen, liegen digitale Ausstattung im Unterricht und Kenntnisse bei Lehrkräften und Schüler*innen unterhalb der erforderlichen Standards. Um die Situation an Schulen zu verbessern, hat die Opposition mehrere Anträge in das Parlament eingebracht: Die FDP fordert einen Digitalpakt 2.0, die Linken dauerhafte Förderhilfen des Bundes und die Grünen mehr Unterstützung für benachteiligte Schulen.

Die Digitalisierung an Schulen kommt nur schleppend voran. - Bild: Pixabay / StartupStockPhotos
Die Digitalisierung an Schulen kommt nur schleppend voran. - Bild: Pixabay / StartupStockPhotos

zwd Berlin. Während das Mitglied im Bildungsausschuss Ronja Kemmer (CDU) in der Debatte im Bundestag am Freitag (18. September) die Verantwortung für den zögerlichen Mittelabfluss aus dem DigitalPakt Schule und die Umsetzung der vom Bund aufgelegten Sonderhilfsprogramme an die Länder verwies, machte sich die Vize-Vorsitzende der Enquete-Kommission Berufliche Bildung Marja-Liisa Völlers (SPD) für digitale Weiterbildungen von Lehrkräften stark.

Nachdem die Koalitionsregierung zusätzlich zu den Fördermitteln aus dem DigitalPakt über Hilfspakete digitale Geräte für Schüler*innen und Lehrkräfte sowie IT-Administrator*innen mit weiteren 1,6 Milliarden Euro finanziert habe, fehlt es aus Sicht der Unionspolitikerin Kemmer nicht an Geldern oder Rahmenkonzepten. Entscheidend sei vielmehr, dass die Länder für das Verwirklichen der Programme rasch die erforderlichen Strukturen bereitstellen.

SPD möchte in Bildungstechnologien investieren

Dagegen betonte die SPD-Abgeordnete Völlers anlässlich der zweiten und dritten Lesung der vorliegenden Oppositionsanträge, dass der Umgang mit den digitalen Lehr- und Lernprogrammen nur funktionieren könne, „wenn wir eine neue Weiterbildungskultur schaffen“. Die Fortbildung von Lehrer*innen zur Nutzung digitaler Technologien im Unterricht müsse laut Völlers ein unverzichtbarer Bestandteil der pädagogischen Konzepte in schulischen Einrichtungen jeder Art werden.

Die SPD wolle „in Bildungstechnologien investieren“, erwarte dafür jedoch von den Ländern, dass sie gemeinsam mit den Schulträgern, Lehrkräften und Schulleitungen die Weiterbildungsaktivitäten vorantreiben. Um diese zusätzlich in Schwung zu bringen, schlagen die Sozialdemokrat*innen ein jedem Lehrer/ jeder Lehrerin zur Verfügung zu stellendes Fortbildungsbudget in Höhe von 300 Euro vor.

FDP: Digitale Bildung als Gesamtkonzept denken

Nur rund ein Zehntel der Schüler*innen hätten nach Angaben einer aktuellen Studie des Technologie-Unternehmens Citrix in der Krise den Wechsel in den Digitalunterricht als problemlos erlebt, veranschaulichte die Vize-Vorsitzende der FDP-Fraktion Katja Suding die während der Krise verstärkt sichtbar gewordenen Mängel bei der Digitalisierung an Schulen. Ein engagiertes politisches Handeln sei daher „dringender denn je“, um nicht „Verrat an der nächsten Generation“ zu begehen. Suding kritisierte die wenig entschlossene Haltung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die trotz des erkennbaren Bedarfs an den Schulen nicht für praktikable Lösungen gesorgt habe: Die Mittel aus den Zusatzförderprogrammen des Bundes würden die Schulen frühestens 2021 erreichen, während die Milliarden aus dem DigitalPakt weiterhin unangerührt blieben.

Stattdessen müsse man nach Ansicht der FDP-Politikerin „digitale Bildung als Gesamtkonzept denken“. In ihrem Antrag (Drs. 19/10160) fordern die Liberalen dementsprechend einen Digitalpakt 2.0, über welchen sie u.a. durch den Einsatz von IT-Administrator*innen und EdTech Coaches (Trainer*innen für Educational Technology, d.h. Bildungstechnologien) die technische Ausstattung an Schulen verbessern wollen. Bundesweit einheitliche Standards und Weiterbildungen sollen Lehrkräfte bei der digitalen Bildung unterstützen, unbürokratische Genehmigungsverfahren, von Schulen eigenständig einsetzbare Mittel für den Erwerb von Lern-Software sowie ein Fonds für Online-Programme sollen digitale Lernportale fördern.

Linke fordern Gemeinschaftsaufgabe Bildung

Nach Auffassung der Linksfraktion hat sich das herrschende föderalistische Schulsystem in der derzeit gültigen Form gerade bei der Digitalisierung.an Schulen als „Bildungsbremse“ erwiesen. „Was wir brauchen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz“, unterstrich die bildungspolitische Sprecherin der Linken Birke Bull-Bischoff angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik hinsichtlich der digitalen Ausstattung an Schulen zahlreichen Studien zufolge gleichsam noch ein Entwicklungsland sei. Wie in ihrem in der Sitzung verhandelten Antrag (Drs. 19/10151) dargelegt, verlangen die Linken daher vom Bund, die Digitalisierung dauerhaft und nicht nur über Sonderprogramme zu finanzieren.

Um auch in einer digital vermittelten Gesellschaft Bildung als pädagogischer Aufgabe gerecht zu werden, seien nach Aussagen von Bull-Bischoff darüber hinaus Standards gefragt, die eine inklusive Bildung ohne auf Geschlechter bezogene Klischees und für Lehrer*innen wie Schüler*innen frei zugängliche digitale Lernmaterialien ermöglichen. Weiterhin argumentierte die Linken-Sprecherin dafür, die durch das bundesdeutsche Bildungssystem verschärften sozialen Ungleichheiten über das digitale Lernen abzubauen. Deshalb sollten alle Schüler*innen aus sozial benachteiligten Familien dauerhaft einen über das Bildungs- und Teilhabepaket nach dem SGB II verankerten Anspruch auf eine „angemessene digitale Grundsicherung“ und ein digitales, internetfähiges Gerät haben.

Grüne: Schulen in sozialen Problemlagen verstärkt unterstützen

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Margit Stumpp monierte, dass die in der Krise von der Regierung aufgelegten Sofortausstattungsprogramme für Schüler*innen kaum greifen könnten, solange an den Schulen die zu deren Nutzung nötigen Breitbandanschlüsse, geeignete Hard- und Software nicht vorhanden seien. „Jede Schule braucht eine digitale Grundausstattung“, erklärte die Grünen-Politikerin, worunter sie technische Ausrüstung und Support, Mail-Adressen für Lehrkräfte und Schüler*innen, einen Zugang zu einem digitalen Lernportal sowie Weiterbildungsangebote zusammenfasste. Zudem bräuchten die Lehrer*innen eine fachliche Begleitung für das Anwenden der Digitaltechnik im Unterricht, wie sie von den Grünen in der von ihnen im April vorgeschlagenen Bundeszentrale für digitale Bildung (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) angedacht war.

Mit ihrem ebenfalls in der Sitzung debattierten Antrag (Drs. 19/10200) zielt die Grünen-Fraktion vor allem darauf ab, die Spielräume der Verfassung dafür zu nutzen, gerechtere Bildungschancen herzustellen. Demnach sollte der Bund mindestens 7 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes für Bildung ausgeben und über ein Aufholprogramm Schulen in benachteiligten Umgebungen über 5 Jahre hinweg mit jeweils insgesamt 500 Millionen Euro unterstützen. In Zusammenarbeit mit den Ländern habe die Regierung die im Jahr 2014 gestartete und ab 2020 um den Förderschwerpunkt Digitalisierung ergänzte Qualitätsoffensive zur Lehrerbildung deutlich aufzustocken. Wer wirklich den Schulen helfen wolle, müsse denen helfen, die es am nötigsten bräuchten, die „noch ganz am Anfang stehen“, so die Grünen-Sprecherin. Alle drei Anträge wurden von den Abgeordneten des Parlamentes mehrheitlich abgelehnt, die Grünen enthielten sich bei der Vorlage der Liberalen der Stimme, Linke und Grüne votierten wechselseitig für die von ihnen unterbreiteten Vorschläge

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