UNESCO-WELTBILDUNGSBERICHT (DEUTSCHSPRACHIGE KURZFASSUNG) : "Kostenlose 12-jährige Schulbildung für alle" - Private Bildungsanbieter im Fokus

16. Februar 2022 // vf/ticker

Die am Dienstag vorgestellte deutschsprachige Kurzfassung des Weltbildungsberichts der UNESCO verdeutlicht, dass das Ziel einer nachhaltigen chancengleichen Bildung bis 2030 weltweit noch in weiter Ferne liegt. Ein Drittel der Länder wendet weniger als vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts oder weniger als 15 Prozent seiner öffentlichen Ausgaben in Bildung und unterschreitet damit die international abgestimmten Mindeststandards. Fehlende oder mangelhafte Vorgaben für private Bildungseinrichtungen verschärfen die Schere zwischen Arm und Reich.

Kind an der Tafel Quelle: Pixabay
Kind an der Tafel Quelle: Pixabay

Vorgestellt wurde die deutschsprachige Kurzfassung des aktuellen UNESCO-Weltbildungsberichts 2021/2022 am Dienstag (15.02.2022) vom Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Deutschen UNESCO-Kommission. Die Studie warnt vor zunehmender Ungleichheit im Bildungssektor als Folge der Tätigkeit von nichtstaatlichen Akteur:innen: In vielen Ländern fehlten Vorschriften für den privaten Bildungssektor oder die Fähigkeit, solche Vorschriften umzusetzen.

Mit der Verabschiedung der Globalen Nachhaltigkeitsagenda hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengleiche und hochwertige Bildung sicherzustellen. Der im Dezember letzten Jahres vorgestellte Weltbildungsbericht präsentiert fünf Empfehlungen für qualitativ hochwertige Bildung für alle Menschen. Die fehlenden oder unzureichenden Vorschriften für den privaten Bildungssektor wirkten sich negativ auf die weltweit 350 Millionen Kinder und Jugendlichen, die an nicht-staatlichen Schulen unterrichtet werden, und schürten die Schere zwischen Arm und Reich. Das Problem macht sich laut UNESCO-Bericht am stärksten in den am wenigsten entwickelten Ländern bemerkbar: Um Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen, seien Familien darauf angewiesen, Kredite aufzunehmen. Nach Angaben des Bbildungsberichts macht in ärmeren Ländern der Anteil an den privaten Ausgaben für die Bildungskosten bis zu 39 Prozent aus, bei den einkommensstärkeren Staaten hingegen nur 16 Prozent. Jens Brandenburg (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, plädierte dafür, Bildungsanbietern mehr Gestaltungsfreiheit zu gewähren und sie nicht bürokratisch einzuengen. Gleichzeitig müsse ein fairer Zugang zu privaten Bildungsangeboten gewährleistet sein: "Alle müssen die Chance haben, das für sie am besten passende Bildungsangebot wahrnehmen zu können, unabhängig vom Geldbeutel oder vom Bildungsstand der Eltern.“

Nichtstaatliche Akteur:innen spielen auch im deutschen Bildungssystem eine bedeutende Rolle: 2021 befanden sich zwei Drittel aller Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft. Mehr als eine Million Kinder und Jugendliche besuchten vergangenen Jahres eine private Schule. Auch die Zahl der Studierenden an privaten Hochschulen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als versiebenfacht, obwohl nur 340.000 von insgesamt 2,9 Millionen Studierenden zum Wintersemester 2020/2021 privat studieren. Laut einer Anerkennung im Grundgesetz muss Kindern unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern ein privater Schulplatz gewährleistet werden können - derzeit jedoch abhängig vom Geldbeutel der Familien.

Stärkere Zusammenarbeit von staatlichen und nichtstaatlichen Akteur:innen gefragt

Katja Keul (GRÜNE), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, merkte an, dass “Bildung eine Frage von Gerechtigkeit und Wohlstand für jeden einzelnen Menschen, aber auch für uns als globale Gemeinschaft” ist. “Sie ist die Basis für das Erreichen fast aller Nachhaltigkeitsziele. Deshalb ist es wichtig, dass staatliche und nichtstaatliche Akteure so zusammenarbeiten, dass die Schülerinnen und Schüler davon profitieren und mehr Bildungsgerechtigkeit entsteht." Wie das gelingen kann, dafür gibt nach Einschätzung von Keul der diesjährige Weltbildungsbericht der UNESCO zahlreiche Anregungen. Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Maria Böhmer betonte: „Bildung ist ein Menschenrecht! Deshalb sind die Empfehlungen der UNESCO so wichtig. Nichtstaatliche Akteurinnen und Akteure könnten nach Ansicht Böhmers einen wichtigen Beitrag zur Bildungsqualität leisten.

Für mehr Gerechtigkeit im Bildungswesen schlägt UNESCO den Staatengemeinschaften folgende Maßnahmen vor:

1. Die Bemühungen müssen intensiviert werden, um den Zugang zu zwölf Jahren kostenfreier, öffentlich finanzierter schulischer und einem Jahr vorschulischer Bildung für alle Kinder und Jugendlichen zu erleichtern. Jedes dritte Land investiert weniger als vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts oder weniger als 15 Prozent seiner öffentlichen Ausgaben in Bildung und unterschreitet damit die international abgestimmten Mindeststandards.

2. Es müssen Qualitätsstandards für alle staatlichen und nicht-staatlichen Bildungseinrichtungen etabliert werden, um zu vermeiden, dass parallele Systeme mit unterschiedlichen Anforderungen, Materialien und Arbeitsbedingungen die Entwicklung hin zu einem kohärenten Bildungssystem für alle behindern.

3. Die Regierungskompetenzen in der Aufsicht und Durchsetzung von Vorschriften müssen gestärkt werden. In der Praxis sind viele Regeln unzureichend formuliert oder werden nicht umgesetzt. Regierungen müssen an einer vertrauensvollen Beziehung zu nicht-staatlichen Anbietern arbeiten, sie ermutigen ihre Angebote bei den zuständigen Behörden anzumelden, Willkür in den eigenen Regelwerken eliminieren und die richtigen Anreize setzen, damit diese Anbieter ihre Schulen im Sinne der Lernenden führen.

4. Innovationen im Sinne des Gemeinwohls sollten gefördert und alle Beteiligten zusammengebracht werden. Regierungen sollten partnerschaftlich mit allen Akteuren zusammenarbeiten, gute Praxis evaluieren und Ressourcen zur Verfügung stellen, um einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Gute Ideen sollen erprobt und skaliert werden.

5. Bildung muss vor Partikularinteressen Einzelner geschützt werden. Wahrung von Transparenz und Integrität im öffentlichen Bildungswesen hilft den am stärksten benachteiligten Lernenden.

Weitere Informationen sind unter https://www.unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030/unesco-weltbildungsbericht zu finden.

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