BUNDESTAG | WAHLRECHTSREFORM : Wahlrechtsgesetzentwurf ohne Paritätsregelungen

26. Januar 2023 // Holger H. Lührig

An diesem Freitag wird der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnisgrünen und FDP zur Verkleinerung des Bundestages beraten. Keine Regelung enthält der Entwurf zur gleichberechtigten Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag geschweige denn eine Paritätsregelung. Kritisiert wird das von der Kampagne "ParitätJetzt!", einem Bündnis von mehr als 80 zivilgesellschaftlichen Organisationen, angeführt von der ehemaligen Bundestagspräsidentin Prof.in Rita Süßmuth (CDU).

In ihrem Brief an die Bundestagspräsidentin, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und die Mitglieder der Wahlrechtskommission des Bundestages appelliert das Bündnis ParitätJetzt!, jetzt eine Wahlrechtsreform mit Parität zu beschließen. Nach Auffassung des Bündnisses ist eine verfassungskonforme Verankerung von Parität im Wahlrecht sowohl für Listen- als auch für Direktmandate realisierbar. Widersprochen wird damit dem unterschiedlichen Meinungsbild in der Wahlrechtskommission, in der es zwar eine Mehrheit der Mitglieder für Paritätsregelungen geben könnte, die aber offenbar nicht genutzt werden soll, weil sie nicht den parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen entspräche. FDP, CDU/CSU und AfD lehnen solche Regelungen bisher ab. Maßgeblich ist aus Sicht des Bündnisses "der politische Wille, die bestehende Unterrepräsentanz von Frauen in den Parlamenten endlich zu beenden."

Nachdem der nun vorliegende Gesetzentwurf zur Verkleinerung des Deutschen Bundestages bisher keine Paritätsregelungen vorsieht, plädiert das Bündnis dafür, das "historische Zeitfenster dieser Wahlrechtsreform" jetzt zu nutzen. Nur so könne „Gleichstellung bis 2030“ auch in den Parlamenten erreicht werden. Mit der nun vorgesehenen Regelung werde zwar das Ziel einer Reduzierung der Überhangmandate und damit der Ausgleichsmandate erreicht, jedoch bestehe die große Gefahr, dass der ohnehin schon niedrige Frauenanteil im Parlament erneut sinkt. Die Argumentation: Die Reduzierung der Mandate erfolge ausschließlich über die Listenmandate. Damit das Ziel einer Reduzierung der Anzahl der Abgeordneten nicht gefährdet werde, könnten die Paritätsregelungen mit Wirkung für die 22. Wahlperiode im Wahlrecht verankert werden, argumentiert das Bündnis und geht davon aus, dass die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Verfassungskonformität bis dahin geklärt werden könnten.

Die Gesellschaft Chancengleichheit argumentiert in einem ähnlichen Schreiben an die Bundestagspräsidentin:

"Die von Ihnen berufene Wahlrechtskommission des Bundestages hatte aber nicht nur den Auftrag, die Verkleinerung sowie die Modernisierung der Parlamentsarbeit voranzubringen, sondern auch Lösungsvorschläge für eine paritätische Zusammensetzung des Bundestages zu erarbeiten. Eine bloße Reduzierung der Abgeordnetenzahl um 138 Mandate würde diesem Auftrag nicht gerecht: Bekanntlich wurden bei der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 21. September 2021 lediglich in 79 von 299 Wahlkreisen Frauen direkt in den Bundestag gewählt (26,4%), hingegen in 220 Wahlkreisen männliche Bewerber (73,58%). Über die 437 Listenmandate sind damals 178 Frauen in den Bundestag eingezogen (40,73%). Insofern darf angenommen werden, dass sich die Geschlechterverhältnisse im Parlament zu Ungunsten von Frauen gegenüber dem 34,78-prozentigen Frauenanteil (2021) noch weiter verschlechtern werden – sofern im Zuge der Wahlrechtsreform nicht noch eine entscheidende Neuregelung in Richtung auf eine paritätische Zusammensetzung des Bundestages ermöglicht wird.

Das Ziel der gleichberechtigten Repräsentanz von Frauen und Männern müsse in dieser Legislaturperiode des Bundestages gesetzlich festgeschrieben werden – falls nicht zur nächsten, dann aber unbedingt mit Geltung ab der übernächsten Bundestagswahl."

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