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​zwd-POLITIKMAGAZIN - NEWSLETTER FRAUEN & GESELLSCHAFT (10/2022)

Liebe Leserinnen und Leser, heute trifft sich die Kommission zur Reform des Bundestagswahlrechts zur zweiten und wohl vorentscheidenden Sitzung zum Thema Parität (ab 17:00 Uhr, Livestream unter www.bundestag.de). Es geht um die Frage, wie eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag erreicht werden kann. SPD und Grüne wollen eine gesetzliche Paritätsregelung, die FDP hat sich in das Lager der Opposition geschlagen, die als Minderheit eine Paritätsregelung als „verfassungswidrig“ deklariert hat. Dagegen hält ein Bündnis aus mehr als 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen (12 Millionen Frauen). Es hat eine bundesweite Kampagne gestartet, um „#ParitätJetzt! zu erreichen. Ein ausführlicher Lagebericht in der neu erschienenen Ausgabe 393 des zwd-POLITIKMAGAZINs. Weiteres Themen: Armut in Deutschland auf dem Höchststand; Femzide, Gender Pay Gap und Ganztag.


Wahlrechtskommission: Eine Mehrheit für gesetzliche Regelungen, um eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag zu erreichen?

Nach der letzten Sitzung der Wahlrechtskommission des Bundestages deutet sich an, dass eine Mehrheit der Mitglieder gesetzgeberische Maßnahmen zur Herstellung einer tatsächlichen Gleichstellung auch im Wahlrecht für verfassungsrechtlich zulässig hält. Mit der Präsentation einer weiteren - eigens für die Paritätsberatungen - aufgebotenen Sachverständigen hat die FDP in der letzten Sitzung der Kommission einen Schwenk versucht, um die Phalanx derer zu stärken, die Paritätsregelungen als unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der Parteien ablehnen. Der Vertreter der FDP in der Wahlrechtskommission, der Fraktionsvize Konstantin Kuhle, bisher auch Generalsekretär der niedersächsischen FDP, ist in der Sitzung der Kommission am 29. September von der frauenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Leni Breymaier aufgefordert worden, endlich Farbe zu bekennen und zu sagen, "was geht".

Kuhle steht nun vor dem Spagat, seinen selbst formulierten Anspruch, das Profil seiner Partei nach mehreren Niederlagen bei Landtagswahlen zu schärfen, mit der Koalitionsvereinbarung (KV) in Einklang zu bringen, das Ziel einer paritätischen Repräsentanz einschließlich der rechtlichen Rahmenbedingungen (KV) ernsthaft zu erwägen. Dabei ist die FDP im KV zu gemeinsamem Handeln mit den anderen Ampel-Parteien verpflichtet. Ohnehin wird - laut Meinungsumfragen - die FDP inzwischen in der Bevölkerungsmehrheit als Blockiererin der Regierungsarbeit wahrgenommen. Nun ja, Ist der Ruf erst ruiniert, dann...? Das Image der Lindner-Partei als Fraktion mit dem sehr geringen Frauenanteil ist ohnehin frauenpolitisch ramponiert.

Bei sinkenden Umfragewerten gegen fünf Prozent kann sie sich frauenfeindliche Attitüden und Opposition innerhalb der Regierungsarbeit nicht mehr leisten. Zumal auch die CDU auf ihrem Bundesparteitag in Hannover mit ihrem Bekenntnis zu einer befristeten Quotenregelung und zur "tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern" in ihrer Grundwerte-Charta an der männlich dominierten Partei der Liberalen vorbeigezogen ist und sich anschickt, mehr Frauen den Weg in die Parlamente zu ebnen. Die FDP, einst eine stolze Verfassungsrechts-Partei, sollte erkennen, dass der Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes auch vor dem Bundestag nicht haltmacht und auch für die Wahlrechtsreform Gültigkeit hat.

Armut auf den Höchststand - seit Jahrzehnten keine wirksamen Maßnahmen

Auch in einem anderen Punkt ist die Partei des Fraktionsvize Kuhl gefordert: Soll - wie schon im Sommer - das Füllhorn der Entlastung von durch steigende Energiepreise, Inflation und Einkommensverluste betroffenen Bürger:innen erneut nur im Gießkannenprinzip ausgeschüttet werden und auch die Wohlhabenden beglücken, oder muss die Ampel sich mehgr denn je durch gezielte, einkommensabhängige Zahlungen auch der – wie es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestern nannte – drohenden Sozialkrise entgegenstemmen? Eine Politik im Interesse der seit langem und in wachsendem Maße von Armut Betroffener ist schon seit langem nicht mehr im Blick einer eher an Klientel-Politik ausgerichteten Partei, die sich als Hüterin der "arbeitenden Mitte" verstehen möchte. Dabei hat die Armut, wie die Paritätische in ihrem aktuellen Armutsbericht errechnet hat, in Deutschland einen Höchststand erreicht, der auch diese Bevölkerungsschichten erreicht

Notabene: Das Armutsthema ist natürlich beileibe nicht nur ein FDP-Thema: Zwar war die Partei seit Erscheinen des ersten Armutsbericht der Paritätischen Wohlfahrtsverbandes 1989 in 13 von 25 Jahren an einer von CDU-Kanzler:innen (Kohl, Merkel) geführten Bundesregierung beteiligt, doch auch die SPD hat in den Zeiten ihrer Regierungsbeteiligung (unter Merkel 12 Jahre) sowie in der Ära Schröder (1998-2005) keine substanziellen Verbesserungenerreicht. Insofern muss die Ampel hier – wie auf vielen Feldern – die Versäumnisse der Regierungen früherer Jahrzehnte abarbeiten, um einen wirklichen Fortschritt auf den Weg zu bringen. „Armut auf dem Höchststand“ ist ein weiterer Themenschwerpunkt der Ausgabe 393 des zwd-POLITIKMAGAZINs.

Wir wünschen wie immer eine anregungsreiche Lektüre!

Ihre zwd-Redaktion

Hilda Lührig-Nockemann und Holger H. Lührig

Ps.: Lesen Sie im Portal unter www.zwd.info, was sich demnächst in Niedersachsen gleichstellungspolitisch tut, welche Konsequenzen es hat, wenn die Listen zugunsten von Frauen im Parlament nichg zum Zuge kommt und wie die Kampagne "Parität Jetzt" läuft.


zwd-Nachrichten

13. Oktober 2022 (ig). Vier Wochen vor der Landtagswahl hat die Gleichstellungsstelle der Stadt Göttingen mitten in den niedersächsischen Wahlkampf hinein eine Broschüre platziert mit dem Titel "Halbe-halbe! Parität in den Parlamenten." Sie kam und bleibt nicht von ungefähr. Denn mit ihrem klaren Bekenntnis zu paritätischen Wahlrechtslösungen haben SPD und Grüne als Wahlsiegerinnen der Landtagswahl bereits früh die Weichen gestellt. Und sie müssen angesichts von lediglich 50 Frauen unter 146 Parlamentarier:innen (34,2 %) jetzt liefern. mehr...

12. Oktober 2022 (no/ig). Einerseits geht es um die geschlechtergerechte Teilhabe von Frauen und Männern in den Parlamenten - speziell im Bundestag. Wir berichten und analysieren über den Stand der Debatte in der Wahlrechtskommission des Bundestages und verknüpfen das mit dem Start einer bundesweiten Kampagne des Bündnisses #ParitätJetzt!, zu dem sich mehr als 40 zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen haben. Außerdem rücken wir, gestützt auf den aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, das Thema "Armut in Deutschland auf dem Höchststand" in den Fokus. mehr...

12. Oktober 2022 (ig). ​Vor dem Hintergrund ampel-interner Anspannung findet an morgigen Donnerstag (13.10.) die zweite Sitzung der Wahlrechtskommission des Deutschen Bundestages zum Thema Parität statt. Über die Frage, wie die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundesparlament erreicht werden kann, herrscht in der Kommission, aber auch zwischen SPD und Grünen auf der einen und der FDP auf der anderen Streit Streit. In der vorangegangenen Sitzung der Kommission am 29. September, als es dort erstmals um Paritätslösungen ging, hatte sich die FDP auf die Seite derjenigen Unionsvertreter geschlagen, die solche Lösungen als "verfassungswidrig" deklarieren und ablehnen. Ein Hintergrundbericht aus der Ausgabe 393 des zwd-POLITIKMAGAZINs. mehr...

30. September 2022 (ig). Die Videokonferenz der Gesellschaft Chancengleichheit zum Thema Geschlechtergerechtigkeit und Parität, die am 4. Juli im Bundestag aufgezeichnet wurde, ist jetzt ONLINE. In den fünf Filmsequenzen geht es um die Frage, wie wir in diesem Jahrzehnt die Gleichstellung erreichen und welche Chancen ein paritätisch ausgestaltetes Wahlrecht hat. mehr...

27. September 2022 (ticker/ig). Bei einem Parlamentarischen Abend in der saarländischen Landesvertretung haben am Dienstag führende Organisationen des Gesundheitswesens eine paritätische Beteiligung von Frauen an Spitzenpositionen reklamiert. In der Veranstaltung ging es um die Frage, welche Weichenstellungen notwendig seien, um mehr Frauen in Führungspositionen des Gesundheitswesens zu bringen. mehr...

16. September 2022 (ig/ticker). Die Nationale Akademie der Wissenschaften LEOPOLDINA mahnt die Bundesländer, dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen und der Leibnitz-Gesellschaft folgend, die Spitze zentraler Wissenschaftseinrichtungen mit mehr Frauen zu besetzen. Bisher sei die Wissenschaft nach wie vor männlich dominiert, heißt in der Stellungnahme, mit der die Akademie eine geschlechtergerechtere Wissenschaft anmahnt. mehr...

16. September 2022 (red). Mehr als 40 überregionale Organisationen starten am 22. September eine bundesweite Kampagne zugunsten einer gesetzlichen Regelung zur Geschlechter-Parität in den Parlamenten. Die Initiative zielt auf die Beratungen der Wahlrechtskommission des Deutschen Bundestages, die sich am 29. September und 13. Oktober mit "verfassungskonformen Vorschlägen zur Verwirklichung der gleichberechtigten Repräsentanz von Frauen und Männern" im Bundesparlament beschäftigen wird. mehr...

21. August 2022 (ig). 37 Jahrgänge des "zwd" sollen digitalisiert und für die Öffentlichkeit zugänglich werden. Für dieses Redaktionsprojekt suchen wir im Bereich Frauen- und Gleichstellungspolitik sowie Bildungs- und Kulturpolitik (Print und Digitalausgaben) neue Mitarbeiter:innen ab sofort oder später. Natürlich gehört auch die Mitarbeit an unseren aktuellen Ausgaben zu den Aufgaben der neuen Kolleg:innen. mehr...

Lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe unter anderem:

Das zwd-POLITIKMAGAZIN, Ausgabe 393 steht im Zeichen der Debatten im Bundestag über Geschlechterparität und die Armutsbekämpfung.

DIe Themen im Einzelnen:

Themen der Ausgabe 393

BUNDESTAG/WAHLRECHTSREFORM - Debatte über Paritätsregelungen im Bundestag in entscheidender Phase

Unsere Titelgeschichte auf den Seiten 3-13).

  • Mehr als 40 Organisationen mit mehr als 12 Millionen Frauen fordern: Parität Jetzt!
  • Der Kampf um die Verwirklichung des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes1948: Waschkörbe voller Briefe – heute, 2022, eine Flut von Mails und öffentlichen Bekenntnissen
  • „Frauen und Männer sind im Deutschen Bundestag ungleich vertreten“ - Zum Kapitel 4 des Zwischenberichts der Wahlrechtskommission des Deutschen Bundestages
  • Der schwierige Weg zur Parität: FDP blockiert SPD und Grüne. Eindrücke von zwd-Herausgeber Holger H. Lührig von der Sitzung der Wahlrechtskommission des Bundestages am 29. September (Thema Parität)

LAGEEINSCHÄTZUNG: (zwd-Redaktion)

1. Einschätzung des Standes der Beratungen der Wahlrechtskommission des Deutschen Bundestages
2. Zur Einschätzung des Standes der Rechtsprechung

35. CDU-BUNDESPARTEITAG
Quote stufenweise und mit Befristung – aber Bekenntnis zur Gleichstellung

BEKENNTNISSE ZUR PARITÄT IM BUNDESTAG
Bärbel Bas präsentierte Streitschrift ihrer Vorgängerin Rita Süssmuth ("Parität Jetzt!")


WEITERE THEMEN ZU FRAUEN & POLITIK

FEMINISTISCH BELEUCHTET
ELKE FERNER. Gewalt an Frauen - Femizide sind nur die Spitze des Eisbergs

GENDER PAY GAP
BARBARA STIEGLER: Die Neuberechnung des GPG liefert die Basis für die Aufwertung der Frauenarbeit


THEMENSCHWERPUNKT

Armut in Deutschland auf dem Höchststand

zwd Berlin (no) „Zwischen Pandemie und Inflation. Paritätischer Armutsbericht 2022“ lautet der Titel des Armutsberichtes des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Am 29. Juli 2022 stellte Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, den Bericht in der Bundespressekonferenz vor. Gut eine Woche später, am 8. Juli, war er Thema im Bundestag. In der Zivilgesellschaft bekam die Armutsdebatte neuen Auftrieb. zwd-Chefredakteurin Hilda Lührig-Nockemann bilanziert die Debatte und schreibt dazu in Ausgabe 393 des zwd-POLITIKMAGAZINs: Die Ampel-Koalition muss sich daran messen lassen, welche politischen Konsequenzen sie aus diesem Armutsbericht ebenso wie auch aus dem ­Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2021 zieht.

  • Wortlaufauszüge: Zwischen Pandemie und Inflation. Paritätischer Armutsbericht 2022

ZWISCHENRUF DR: ERNST DIETER ROSSMANN
Die Verwirklichung des Rechtsanspruchs auf den Ganztag: Große Reformen müssen auch groß vorbereitet werden:


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