BRIEF AN CDU-BUNDESTAGSABGEORDNETE : Gleichstellung im Bundestag: CDU sollte jetzt den zweiten Schritt tun

31. Oktober 2022 // Redaktion

In seiner Funktion als Sprecher der Gesellschaft Chancengleichheit hat zwd-Herausgeber Holger H. Lührig im Rahmen einer vom Verein "Parité in den Parlamenten" in Zusammenarbeit mit der bundesweiten Initiative ParitätJetzt! gestarteten Briefaktion an CDU-Bundestagsabgeordnete einen Appell gestartet. Lührig, der auch Vizepräsident des Vereins "Parité in den Parlamenten". ist, fordert die Abgeordneten - hier exemplarisch die Ex-Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters - auf, nach dem Bekenntnis des CDU-Parteitages zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern nun auch den zweiten Schritt zu tun, um mittels einer paritätischen Wahlrechtsregelung die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag herzustellen. Hilfreich könne dabei das Zusammenwirken in einem fraktionsübergreifenden Bündnis der weiblichen Abgeordneten des Bundestages sein.

Die Briefaktion ist Teil einer Kampagne des Vereins "Parité in den Parlamenten", die auf der Webseite paritaetjetzt.de die Möglichkeit geschaffen hat, einen vorformulierten, aber durch eigene Aussagen ergänzungsfähigen Brief an die Abgeordneten des eigenen Wahlkreises bzw. Ortes zu senden. Der Verein - und die Initiative PARITÄTJETZT! - haben die Frauen in den beteiligten Initiativen aufgerufen, alle Bundestagsabgeordneten in entsprechenden Anschreiben auf das Problem der unzureichenden Vertretung von Frauen im Bundestag aufmerksam zu machen und zu bitten, mit den Absender:innen in ein Gespräch einzutreten.

Der Brief an die Bundestagsabgeordnete Prof. Monika Grütters plädiert dafür, die CDU dürfe nach ihrem auf dem Parteitag in Hannover abgelegten Bekenntnis zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern - sicherlich in Anspielung auf Art. 3 Abs. 2 Satz GG - nicht vor den Toren des Parlaments Halt machen: "Vielmehr sollten die Vertreter/innen Ihrer Partei in der Wahlrechtskommission und im Bundestag einen entschlossenen Schritt zugunsten von mehr Frauen im Parlament machen, am besten durch Mitwirkung in einer überparteilichen Fraueninitiative zur Regelung zur paritätischen Zusammensetzung künftiger Bundestage."

Verfassungsrechtlich ist nach Überzeugung des Sprechers der Gesellschaft Chancengleichheit eine Paritätsregelung möglich, sie sollte nur politisch gewollt sein. Sein Plädoyer: Die weiblichen Bundestagsabgeordneten sollten in einem fraktionsübergreifenden Zusammenwirken die Chancen für eine gemeinsame Initiative aus der Mitte des Parlaments ausloten.

Der Brief hat folgenden Wortlaut:

Frau Prof. Monika Grütters
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Prof. Monika Grütters,

in dieser Wahlperiode soll eine Wahlrechtsreform beschlossen werden, die sicherstellt, dass die Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages durch die Begrenzung der Zahl der Abgeordneten zu gewährleisten ist. Darüber hinaus hat die Reformkommission den Auftrag, eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten und im Deutschen Bundestag zu erreichen (§ 55 Bundeswahlgesetz).

Allerdings wird die paritätische Vertretung von Frauen und Männern im Deutschen Bundestag in der aktuellen Diskussion und in den Vorschlägen der Bundestagsfraktionen völlig unzureichend berücksichtigt, es besteht sogar die Gefahr, dass der Frauenanteil sinkt. Eine fortschrittliche Wahlrechtsreform muss aber dazu führen, dass der Frauenanteil steigt.
Sie sind als Abgeordnete/r des Deutschen Bundestags Artikel 3, Absatz 2 Grundgesetz, der EU Grundrechte Charta sowie der UN-Frauenrechts-Konvention verpflichtet. Der Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes ist allerdings noch längst nicht erfüllt. Mehr als 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts waren im Deutschen Bundestag noch nie mehr als 36,3 Prozent Frauen vertreten. Das darf so nicht bleiben und es darf nicht weitere 100 Jahre dauern, bis Parität endlich erreicht ist. Es geht hier auch um die Glaubwürdigkeit des Parlaments und letztendlich der Demokratie.

Die Zeit für Parität ist jetzt!

Demokratie braucht uns alle – alle Bürgerinnen und Bürger. Bisher bleibt aber der Anteil der im Deutschen Bundestag vertretenen Frauen weit hinter ihrem Anteil an der (Wahl-)Bevölkerung zurück. Die Unterrepräsentanz von Frauen ist ein Demokratiedefizit. Die strukturellen Benachteiligungen von Frauen wirken bis in die Parlamente. Frauen haben immer noch deutlich geringere Chancen, überhaupt auf einem aussichtsreichen Listenplatz oder in einem gewinnbaren Wahlkreis kandidieren zu können. Deshalb müssen die Parlamente als gewählte Volksvertretung unseres Landes die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass diese Benachteiligungen beseitigt werden, Frauen gleiche Verwirklichungschancen erhalten und eine gleiche Teilhabe gewährleistet wird. Wer Gleichstellung bis 2030 in allen gesellschaftlichen Bereichen verwirklichen will, muss deshalb mit der anstehenden Wahlrechtsreform Parität jetzt im Wahlrecht einführen – für Direkt- und Listenmandate.

Ich bin überzeugt: Wenn der politische Wille vorhanden ist, Parität im Wahlrecht zu verankern, gibt es auch verfassungskonforme Möglichkeiten, dies gesetzlich umzusetzen. Es gibt Wahlrechtsmodelle, mit denen Parität sichergestellt werden kann. Entsprechende Vorschläge wurden bereits in die Reformkommission des Deutschen Bundestages eingebracht.

Ich erwarte von Ihnen als Abgeordnete/r des Wahlkreises Berlin-Reinickendorf, einer Wahlrechtsreform nur zuzustimmen, wenn diese Parität sicherstellt, denn Demokratie braucht uns alle!

Die CDU, liebe Frau Grütters, hat auf ihrem Bundesparteitag einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichstellung getan. Das Bekenntnis zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern - sicherlich in Anspielung auf Art. 3 Abs. 2 Satz GG - sollte nicht vor den Toren der Parlamente Halt machen. Vielmehr sollten die Vertreter/innen Ihrer Partei in der Wahlrechtskommission und im Bundestag einen entschlossenen Schritt zugunsten von mehr Frauen im Parlament machen, am besten durch Mitwirkung in einer überparteilichen Fraueninitiative zur Regelung zur paritätischen Zusammensetzung künftiger Bundestage. Verfassungsrechtlich ist eine Paritätsregelung möglich, sie sollte nur politisch gewollt sein. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dafür mit anderen Frauen ihrer Partei dafür einsetzen.

Auf Ihre Antwort freue ich mich und ein Gesprächsangebot nehme ich gerne an.

Mit freundlichen Grüßen
Holger H. Lührig

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