FEMIZIDE IN DEUTSCHLAND : 147 plus X

15. November 2018 // Sibille Heine

„Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor“, dieser Satz und weitere in abgewandelter Form ziehen sich durch die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken zu Femiziden (Drs. 19/3763). Der Grund für die Sprachunfähigkeit: Daten zu Gewalt an Frauen werden nicht in ausreichendem Maße erhoben, kritisiert die frauenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Cornelia Möhring.

Bild: Fotolia / Adiano
Bild: Fotolia / Adiano

zwd Berlin. Im vergangenen Jahr kamen laut Zahlen des Bundeskriminalamts 351 Frauen gewaltvoll zu Tode. Die Statistik kann für einen Teil der durch Morde und Totschläge verstorbenen Frauen sagen, dass sie durch ihre Partner*in oder Expartner*in getötet wurden. Seit dem Jahr 2011 wird die Beziehung von Täter*in und Opfer erfasst. Aber knapp 60 Prozent der Fälle fanden im außerpartnerschaftlichen Umfeld statt, weitere Tatumstände – zumindest statistisch - unbekannt. Wie lassen sich diese Tötungsdelikte außerhalb von Beziehungen also verorten? Laut Bundesregierung zunächst gar nicht, fand die Bundestagsfraktion der Linken mit einer kleinen Anfrage heraus. Denn wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, will sie der Gewalt keinen eigenen Namen geben, wie es in anderen Ländern bereits der Fall ist.

Tötung als Ausdruck hierarchischen Geschlechterverhältnisses

Es geht um Femizide. Der Begriff beschreibt die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts als Ausdruck eines hierarchischen Geschlechterverhältnisses und ist in Spanien oder Argentinien ein eigener Straftatbestand. Die Bundesregierung lehnt den Begriff laut Antwort ab, weil dieser nicht klar konturiert sei.

Derweil für rund 147 der insgesamt 351 Frauen, die gewaltsam zu Tode gekommen sind, bekannt ist, dass ihr (Ex-)Partner sie tötete, sind die Umstände der anderen Todesfälle unklar. Die Bundesregierung kann folglich nicht beantworten, ob es sich bei diesen Taten um Frauenmorde handelt, also ob diese Frauen aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind, sterben mussten. Die frauenpolitische Sprecherin der Linken, Cornelia Möhring, kritisierte die Bundesregierung für ihre Zurückhaltung. Die Antwort der Regierung offenbare, dass sie keine Informationen über Formen von Gewalt jenseits häuslicher Gewalt habe. „Mit der Negierung von Femiziden negiert die Bundesregierung, dass Gewalt an Frauen ihren Ursprung in hierarchischen Geschlechterverhältnissen hat“, so Möhring. Ohne Daten über Gewalt an Frauen aber sei die Bundesregierung entgegen eigener Erklärung gar nicht im Stande dieser entschieden entgegenzutreten. Die Bundesregierung stellte fest, dass sie keine Informationen darüber erhebt oder hat, ob Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. Dass aber ohne diese notwendigen Daten der Gewalt gegen Frauen dennoch „entschieden begegnet“ werden könne, findet Möhring unglaubwürdig und bezweifelt, dass Prävention der Bundesregierung wirklich ein „wichtiges Anliegen“ ist, wie sie oft betont.

Den Kontext einer Gewalttat kennen

„Wir brauchen diese Zahlen, denn sie helfen dabei, häusliche Gewalt sichtbar zu machen. Sie helfen auch, Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von häuslicher Gewalt zu entwickeln“, das sagte die damalige Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) anlässlich der Veröffentlichung der ersten kriminalstatistischen Auswertung zu Gewalt in Partnerschaften. Den Kontext einer Gewalttat zu kennen sei wichtig, um diese künftig verhindern zu können. Beim Thema Femizid hat die Bundesregierung dieser Logik zufolge aber entsprechend wenig in der Hand, um Frauenmorde außerhalb von Partnerschaften zu verhindern.

Istanbul-Konvention verpflichtet Bundesregierung zum Daten sammeln

Genau das müsste sie aber eigentlich tun. Laut Istanbul-Konvention, die die Bundesregierung nach langem Zögern schließlich im letzten Jahr unterzeichnete, ist sie verpflichtet regelmäßig Daten zu erheben über Fälle von allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu sammeln.

Möhring fragte in der Anfrage auch nach Tötungsdelikten an Trans*frauen und Frauen mit Mehrfachdiskriminierung, zu deren Situation die Bundesregierung ebenfalls keine Zahlen hat. „Und das obwohl es wie die Bundesregierung selbst in vergangenen Studien angibt Hinweise auf gruppenspezifische Gewaltbetroffenheit gibt,“ moniert die Linke-Politikerin.

Damit Gewalt gegen Frauen künftig besser verhindert werden kann, fordert die Linke die Gesetze zu Tötungsdelikten dringend zu reformieren.

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