BUNDESTAG : Antrag: Grüne wollen mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft

8. März 2017 // zwd Berlin (hr).

  • Quote von mindestens 40 Prozent auf allen Ebenen gefordert
  • Gehring: „Forschung ohne Gender-Dimension lückenhaft”

  • Die Grünen-Bundestagsfraktion hat mit einem am Donnerstag in den Bundestag eingebrachten Antrag (Drs. 18/11412) mehr Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung gefordert. Bis heute seien Frauen im Wissenschaftssystem eklatant unterrepräsentiert, heißt es unter dem Titel „Wissenschaftsfreiheit fördern, Geschlechterforschung stärken, Gleichstellung in der Wissenschaft herstellen“. Je höher die Karrierestufe, desto dünner sei die Luft für Frauen. Trotz leichter Verbesserungen sind die Chancen eines männlichen Hochschulabsolventen auf eine Professur deutlich höher als für eine Hochschulabsolventin, mahnten die Grünen.

    Um diese Situation zu ändern, fordert die Fraktion eine Quote von mindestens 40 Prozent jedes Geschlechts auf allen Ebenen und in allen Fachbereichen. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bräuchten ambitionierte qualitative und quantitative Ziele und müssten zu messbaren und realistischen Steigerungsquoten des Frauenanteils verpflichtet werden, schreiben die Grünen. Im Fall einer mangelnden Umsetzung sollte dies nicht nur dokumentiert, sondern auch finanziell sanktioniert werden. Im Fall einer besonders guten „Gleichstellungsperformance“ könne diese auch belohnt werden. „Geschlecht ist als Kategorie überall wirksam: So sind z.B. Technikfolgenabschätzung, Forschung zu Gesundheit und sozialen Fragen lückenhaft, wenn die Gender-Dimension fehlt“, begründete der wissenschaftspolitische Sprecher, Kai Gehring (Foto), die Forderungen seiner Fraktion. Geschlechterforschung berge ein großes Erkenntnis- und Innovationspotenzial, um drängende große Herausforderungen zu bewältigen, betonte er.

    Reaktion auf rechtspopulistische Stimmen

    Weiter sprechen sich die Grünen dafür aus, das Kaskadenmodell, auf das die Forschungsorganisationen verpflichtet sind, verbindlicher auszugestalten. Dafür soll bei einer Fortsetzung des Pakts für Forschung und Innovationen ab 2021 ein Teil der Finanzierung der Forschungsorganisationen daran gekoppelt werden, inwieweit die 2017 für 2021 angepeilten Zielquoten erreicht wurden.
    Die Grünen fordern die Bundesregierung ferner auf, Geschlechterforschung zu stärken. Der Wissenschaftsrat soll mit einer Begutachtung der Situation der Geschlechterforschung in Deutschland beauftragt werden und einen partizipativen Agenda-Prozess einleiten. Dieser soll das Ziel haben, ein Forschungsprogramm des Bundesforschungsministeriums (BMBF) für das Wissensgebiet Geschlechterforschung aufzulegen. Bei diesem Prozess sollen Expert*innen der Fachszene aktiv eingebunden werden. Außerdem setzen sich die Grünen dafür ein, einen Förderschwerpunkt Frauen-und Geschlechterforschung einzurichten. Damit sollen Maßnahmen gefördert werden, die der Verankerung der Geschlechterforschung an den Hochschulen dienen.

    Dies geschieht auch als Reaktion auf rechtspopulistische Stimmen. „Die Gender Studies liefern wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Macht, Geschlecht und Wissen. AfD und Co. fühlen sich davon bedroht und diffamieren die Gender Studies und damit Wissenschaftsfreiheit“, erklärte die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulle Schauws. Die Grünen unterstreichen in ihrem Antrag, dass die Fördersituation von Geschlechterforschung prekär sei. Es gebe auf diesem Gebiet in Deutschland keine systematische und kontinuierliche Forschungsförderung. Nur 0,4 Prozent der Professuren aller Hochschulen hätten eine Voll- oder Teildenomination für Frauen-und Geschlechterforschung. Wissenschaft lebe jedoch von den besten Ideen und Köpfen, von fairem Wettbewerb und vorurteilsfreier Neugierde, heißt es. Sie sei darauf angewiesen, unvoreingenommen neue Erkenntnisse und kluge Talente zu fördern. Wissenspotenziale auszugrenzen, laufe dem zuwider und lähme Wissenschaft in ihrer Freiheit.

    Der Antrag wurde nach erster Beratung im Plenum an den Bildungsausschuss überwiesen.

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