CORONA-EPIDEMIE : Berufliche Bildung schützen – Linke und Liberale fordern Sofortprogramme

2. Juni 2020 // Ulrike Günther

Die in der Corona-Krise erforderlichen Schutzmaßnahmen wirken sich auf die berufliche Bildung aus: Zahlreiche Betriebe sind geschlossen, haben Kurzarbeit beantragt oder sind vom Konkurs bedroht. Das gefährdet auch die Ausbildungsplätze und die berufliche Zukunft junger Lehrlinge. Linke und Liberale wollen Azubis vor ungünstigen Folgen der Krise schützen und haben dazu am 29. Mai Anträge in den Bundestag eingebracht.

Jugendliche in der Berufsausbildung - Bild: PxHere
Jugendliche in der Berufsausbildung - Bild: PxHere

zwd Berlin. Viele Azubis müssten fürchten, aufgrund der Corona-Krise ihre begonnene Ausbildung nicht fortsetzen zu können, schreibt die Linksfraktion in ihrem Antrag (Drs. 19/19486). Die Lehrlinge würden demnach bald gezwungen sein, mit Schulabgänger*innen um die wenigen vorhandenen Ausbildungsstellen zu konkurrieren. Die Chancen junger Menschen mit Hauptschulabschlüssen oder schlechteren Zeugnissen auf dem Berufsbildungsmarkt würden sich weiter verringern und somit die soziale Ungleichheit sich weiter verschärfen. Aus Sicht der Linken ist es daher an der Zeit, die Ausbildungsplätze durch eine Umlagefinanzierung abzusichern, den Ausbildungsmarkt in der Krise zu stärken und Lasten gerecht zu verteilen.

Linke: „Solidarische Umlagefinanzierung“ soll Ausbildung gewährleisten

„Auszubildende wie auch ausbildende Unternehmen müssen jetzt geschützt und müssen jetzt unterstützt werden“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linken Birke Bull-Bischoff in der Parlamentsdebatte am Freitag. Konkret fordert ihre Fraktion die Koalitionsregierung u.a. auf, den gesetzlichen Vergütungsanspruch für Auszubildende zu gewährleisten und sowohl Azubis als auch dual Studierenden das volle Ausbildungsgeld sechs Wochen lang weiterzahlen zu lassen. Im Falle von durch die Betriebe angemeldeter Kurzarbeit sollten die Lehrlinge nach dem Willen der Linken zu 100 Prozent Kurzarbeitergeld erhalten.

Darüber hinaus schlägt die Linksfraktion vor, die Ausbildung im Verbund kooperierender Unternehmen zu vereinfachen und durch Finanzmittel zu unterstützen, damit Azubis und dual Studierende während der Krise nicht in Kurzarbeit gehen müssten und vor einem Abbruch ihrer Ausbildung bewahrt würden. Außerdem sollte die Regierung per Gesetz eine „solidarische Umlagefinanzierung“ schaffen, welche alle Betriebe verpflichtet, für die berufliche Ausbildung der Jugendlichen zu sorgen. Dazu sei nach Ansicht der Linken zeitweilig ein Ausbildungsbonus an Firmen zu zahlen, welche Lehrlinge und dual Studierende von Konkurs gegangenen Betrieben übernehmen und ihnen den Fortgang ihrer Ausbildung garantieren. Ein neu aufzulegendes Sonderprogramm „Ausbildung“ sollte in Gebieten mit angespanntem Berufsbildungsmarkt in den nächsten zwei Jahren die außerbetriebliche Ausbildung fördern.

SPD möchte Ausbildungen mit Drei-Stufen-Programm fördern

Die SPD-Fraktion wertet die gegenwärtige Situation in der beruflichen Bildung ebenfalls als einen Auftrag, schnell und wirksam zu handeln, „damit aus der Coronakrise keine Fachkräftekrise wird“. Nach Aussagen der bildungspolitischen Sprecherin der Sozialdemokrat*innen Yasmin Fahimi verzeichnen die Agenturen aus Bund und Ländern sowie die Industrie- und Handwerkskammern nach den neuen Daten einen deutlichen Rückgang von Bewerberzahlen und abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Vor diesem Hintergrund möchte die SPD möchte laut Fahimi vor allem „Ausbildungsbemühungen honorieren“ und sieht dafür eine dreistufige Paketlösung vor. Durch eine dem Ausbildungsbonus der Linken vergleichbare Übernahmeprämie, wie sie bereits durch die Allianz für Aus- und Weiterbildung in der gemeinsamen Erklärung vom 26. Mai angedacht wurde (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete), sollen Betriebe unterstützt werden, den Azubis von insolventen Firmen Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen oder selbst außerbetriebliche Lehren zu organisieren. Auch Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung seien möglich.

Über einen Zukunftsfonds will die SPD-Fraktion zusätzliche Ausbildungsplätze innerhalb und außerhalb der Betriebe bereitstellen und erwägt für Regionen mit schwachem Berufsbildungsmarkt ähnlich wie die Linken zeitlich befristete Sonderprogramme, um außerbetriebliche Lehrstellenangebote zu unterstützen. Um Azubis gerade hinsichtlich ihrer Ausbildungsabschlüsse sichere Perspektiven zu bieten, schlagen die Sozialdemokrat*innen außerdem vor, die Laufzeit von Ausbildungsverträgen verbindlich auf die Prüfungen abzustimmen.

FDP will Wirtschaft entlasten und berufliche Bildung stärken

Die FDP-Fraktion erkennt neben dem Rückgang an Lehrstellenangeboten und verzögert abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wie die SPD die Gefahr, dass sich nach der Corona-Krise der Fachkräftemangel weiter verschärfen wird. Um eine Bildungskrise zu verhindern, setzen die Liberalen auf eine Entspannung der ökonomischen Lage, damit Unternehmen in die Ausbildung von Fachkräften investieren können. In ihrem Antrag (Drs. 19/19514) verlangt die FDP-Fraktion einerseits Maßnahmen, welche die Wirtschaftskraft von durch die Krise bedrohten Unternehmen stärken, andererseits Hilfen vonseiten der Koalitionsregierung, damit Firmen die eingeschränkten Ausbildungsmöglichkeiten besser überbrücken können. „Für das Ausbildungsverhältnis ist (…) die tatsächliche Ausbildungsfähigkeit eines Unternehmens“ entscheidend, erklärte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Jens Brandenburg in der Debatte.

Nach Auffassung der Liberalen sollte die Regierung Strategien zum Wiedereröffnen von Betrieben aller Wirtschaftszweige eindeutig und transparent mitteilen, willkürliche, branchenbezogene Einzelregelungen vermeiden sowie schädliche Auswirkungen für Gesundheit und wirtschaftliche Leistung so gering als möglich halten. Über eine gesetzlich einzuführende „negative Gewinnsteuer“ sollten Finanzämter an gefährdete Unternehmen eine Liquiditätssoforthilfe auszahlen. Die Ausbildungen im Besonderen beabsichtigen die Liberalen, gegen die Krise u.a. durch eine Förderung von Einstiegsqualifizierungen abzusichern, die einen zeitnahen Übergang in reguläre Betriebsausbildungen ermöglichen sollen. Wie die Linken schlägt die FDP-Fraktion vor, die gesetzliche Pflicht der Unternehmen beizubehalten, an Azubis die Ausbildungsvergütung in gesamter Höhe weiterzuzahlen, Schon während der sechs Wochen am Anfang der betrieblichen Kurzarbeit sollten Auszubildende vorübergehend Kurzarbeitergeld bekommen. Wie SPD und Linke halten die Liberalen Fördergelder für Betriebe für wichtig, welche Azubis aus insolventen Firmen übernehmen und den Fortgang der Ausbildung sicherstellen.

Regierung soll digitales Lernen an Berufsschulen fördern

Zudem wollen die Liberalen die Berufsberatung für Schulabgänger*innen und das Vermitteln von Ausbildungsstellen während der Krise durch das Erweitern von digitalen Angeboten und den verstärkten Einsatz von Berufsberater*innen fortführen. Die Qualität der laufenden Ausbildungen sollte nach Meinung der Linken wie der Liberalen u.a. durch möglichst zeitnah durchgeführte.Zwischen- und Abschlussprüfungen gewährleistet werden. Im Fall von verschobenen oder ausgefallenen Prüfungen sollte man dem Linken-Antrag zufolge die Ausbildungsverhältnisse entsprechend verlängern.

Um den Berufsschüler*innen das digitale Lernen in der Krise zu erleichtern, fordern die Linken, das vom Bund für die allgemeinen Schulen entworfene „Sofortausstattungsprogramm“ für Azubis, dual Studierende und Jugendliche in Berufsfördermaßnahmen zu öffnen. Demgegenüber sehen die Liberalen einen zwischen Bund und Ländern zu vereinbarenden DigitalPakt 2.0 als erforderlich an, der an Berufsschulen für eine zeitgemäße technische Ausstattung sorgen und digitale Lehrmethoden in Studium und Weiterbildung von Lehrkräften stärken sollte. Beide Anträge wurden zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Bildung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.

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