OECD-STUDIE BILDUNG : Berufliche Bildung soll moderner werden

8. September 2020 // Ulrike Günther

Die Corona-Krise hat Mängel und soziale Ungleichheiten im Bildungssystem sichtbar gemacht. Die OECD mahnt, den Bildungsfinanzen in der wirtschaftlichen Aufbauphase einen Vorrang einzuräumen. Wie aus dem Bericht "Bildung auf einen Blick" hervorgeht, weist die Organisation der beruflichen Bildung für die Zeit nach der Epidemie in der Bundesrepublik eine entscheidende Rolle zu. GEW und Linke fordern mehr Investitionen in bessere Bildungsqualität und geschulte Fachkräfte.

Lernen am Computer in einer modernen Bildungseinrichtung.  - Bild: PxHere
Lernen am Computer in einer modernen Bildungseinrichtung. - Bild: PxHere

zwd Berlin. Während in den Ländern der OECD immer mehr junge Menschen nach der Schule einen akademischen Bildungsgang einschlagen, wählen 46 Prozent der bundesdeutschen Schüler*innen des Sekundarbereichs II (OECD-Mittel: 42 Prozent) einen Berufsbildungsweg. Fast alle von ihnen (89 Prozent) lernen im dualen Ausbildungszweig, im OECD-Durchschnitt sind es nur 34 Prozent. Der jährlich erscheinende Bericht bietet anhand zahlreicher Indikatoren einen Überblick über die Situation des Bildungswesens in den Ländern der OECD und ihren Partnerstaaten. Schwerpunkt in der Studie von 2020 bildete die berufliche Bildung.

OECD: Berufsbildung als Stärke im bundesdeutschen Bildungssystem

Viele Berufe, welche während der Kontaktsperren die Wirtschaft am Laufen gehalten haben, seien von Qualifikationen der beruflichen Bildung abhängig, erklärte der OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher bei der Vorstellung der Studie am Dienstag (08. September) in Berlin. Darin erkennt er eine Stärke der bundesdeutschen Bildung, denn insgesamt funktioniere „die Abstimmung zwischen Bildung und Arbeitsmarkt gut“ ebenso wie der „Übergang ins Erwerbsleben“. Nun müsse man die Ausbildungswege an die modernen Herausforderungen anpassen, wozu es nach Ansicht Schleichers gehöre, „die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um neue Lernangebote zu schaffen“.

Der OECD-Bericht hebt besonders die guten Beschäftigungsaussichten von Absolvent*innen beruflicher Bildungsgänge hervor. Demnach waren im Jahr 2019 von den 24- bis 34-Jährigen, die über einen Berufsabschluss auf der Sekundarstufe II oder eine vergleichbare Ausbildung verfügten, 88 Prozent erwerbstätig. Damit entsprach der Anteil der Rate gleichaltriger Beschäftigter mit einem akademischen bzw. tertiären Bildungsabschluss. Im Bereich der tertiären Bildung hat die Bundesrepublik nach Angaben der Studie zwischen 2009 und 2019 zwar den Anteil von Absolvent*innen in der Gruppe der 24- bis 34-Jährigen um 8 Prozentpunkte auf 33 Prozent erhöht, liegt damit jedoch noch deutlich unterhalb des OECD-Mittels (45 Prozent).

KMK will berufliche Bildung weiterentwickeln

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) stellte vor allem auf die vom Bericht vermerkten vergleichsweise guten Aufstiegschancen für junge Leute mit Berufsausbildung heraus. Während im OECD-Mittel 70 Prozent der Auszubildenden in dem von ihnen angestrebten Beruf gute Karriereaussichten hätten, seien es in der Bundesrepublik 92 Prozent. Nach Karliczeks Ansicht sollten die berufliche und die akademische Bildung „gleichwertige Wege mit Karrierechancen“ sein.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) betonte mit Blick auf den Bedarf an gut geschulten Fachkräften das Ziel der KMK, die Berufsbildung „als attraktive (…) Bildungsoption weiter auszubauen“. Dazu werde man die schulische Qualität verbessern, die Digitalisierung vorantreiben und Mittel in die Weiterbildung der Lehrkräfte investieren.

Linke und GEW fordern mehr Investitionen in Fachkräfte-Ausbildung

Linke und Erziehungsgewerkschaft GEW kritisierten den OECD-Bericht, da dieser wichtige Probleme des bundesdeutschen Bildungssystems, wie den Fachkräftemangel in Kindergärten und Schulen, 1,5 Millionen 24- bis 34-Jährige ohne Berufsabschlüsse oder die relativ zum Wirtschaftswachstum rückläufigen Bildungsausgaben, nicht berücksichtige. Der OECD-Bericht erfasse „lediglich die Zahl der jungen Menschen in den Bildungsgängen, jedoch nicht deren Qualität“, beanstandete die Vorsitzende der GEW Marlis Tepe. Der Mangel an Lehrkräften und Erzieher*innen sei weiter gestiegen, die Finanzierung des Bildungswesens habe nicht mit der Entwicklung der Wirtschaftskraft und den steigenden Anforderungen Schritt gehalten.

Die Politik sollte nach Auffassung der GEW-Vorsitzenden in einer gemeinsamen Anstrengung aus Bund, Ländern und Gemeinden handeln und die in der Krise offenbar gewordenen Schwächen des Bildungssystems angehen. Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Birke Bull-Bischoff prangerte die zögerliche Haltung von Bundesbildungsministerium und Koalition in Bildungsfragen an, mit der sie sich vor einer „offensiven Bildungspolitik“ versperrten. Ähnlich wie die GEW forderte die Linken-Politikerin mehr Investitionen in qualifizierte pädagogische Fachkräfte und in bauliche Erweiterungen von Bildungseinrichtungen sowie verbesserte Ausbildungen für Erzieher*innen und Lehrkräfte. Der Studie zufolge gab die Bundesrepublik 2017 pro Bildungsteilnehmer*in zwar rund 2.000 USD mehr als das Mittel der OECD-Länder (11.200 USD) aus, der Anteil am Bruttoinlandsprodukt lag mit 4,2 Prozent aber um 0,7 Prozent unter dem Durchschnitt.

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