KOMMENTAR ZUR DEBATTE IM ZWD-POLITIKMAGAZIN : Brauchen wir eine Kita-Pflicht, damit Kinder nicht die „Bildung verpassen“?

21. August 2018 // Hilda Lührig-Nockemann

Die sozialwissenschaftliche und neurobiologische Forschung kommt zu dem gleichen Ergebnis: Die frühe Bildung in der Kita bietet neben dem Lernen in der Familie die Basis für alle künftigen Lernprozesse im Leben eines Kindes.

zwd-Chefredakteurin Hilda Lührig-Nockemann.
zwd-Chefredakteurin Hilda Lührig-Nockemann.

zwd Berlin. So propagiert es auch das brandenburgische Bildungsministerium auf seiner Internetseite. Die frühkindliche Bildung in den Fokus zu nehmen, ist sicherlich kein bildungspolitisches Alleinstellungsmerkmal unter den Bundesländern. Viele von ihnen bieten zumindest im letzten Kindergartenjahr Beitragsfreiheit und Sprachförderung für Kinder im Vorschulalter an, um den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln. Die Sprachförderung jedoch greift nicht immer. In Berlin-Neukölln zum Beispiel nahmen 88 Prozent der laut Sprachtest für förderungsbedürftig erachteten Kinder (diese besuchten auch nicht die Kita) das Angebot nicht an! Es ist vorprogrammiert, dass diese Kinder ihre Schullaufbahn mit Sprachdefiziten starten. Bei einer Kindergartenpflicht wäre ein Entziehen von dieser Förderung unmöglich.

Doch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die auf ihrer Internetseite unter „Standpunkten“ herausstellt, dass das „was in der frühkindlichen Förderung versäumt wird, nicht mehr aufgeholt werden kann und sich in […] verfehlten Schulkarrieren fortsetzt“, zieht ihre Forderung als Berliner Bezirksbürgermeisterin nach einer Kita-Pflicht ab dem dritten Lebensjahr zurück und sieht heute darin keinen „Lösungsansatz“. Tatsächlich wären von einer eventuellen Verpflichtung zum Besuch des Kindergartens laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wissenschaftsforschung nur sechs Prozent aller drei- bis sechsjährigen Kinder betroffen. Diese Nicht-Kita-Kinder, so die Studie, haben häufiger einen Migrationshintergrund und kommen eher aus Haushalten mit geringerem Einkommen, lediglich 9 Prozent stammen aus den einkommensstärksten 25 Prozent der Haushalte. Sechs Prozent, die in den Worten von Professorin Jutta Allmendinger „Bildung verpassen“ – kognitive und sozialemotionale. Ein Bildungsdefizit, das nur schwer wieder aufzuholen ist, häufig bis ins Erwachsenenalter wirkt und damit soziale und materielle Armut reproduziert!

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