ATLAS DER ZIVILGESELLSCHAFT : Bürgerliches Engagement weltweit in kritischer Lage

7. Februar 2019 // Julia Trippo

Nur vier Prozent der Weltbevölkerung leben in einer offenen Zivilgesellschaft. In 23 Ländern der Welt ist der zivilgesellschaftliche Raum sogar komplett geschlossen. Dies geht aus der am Mittwoch erschienenen Studie "Atlas der Zivilgesellschaft" des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" hervor.

Bild: brot-fuer-die-welt.de
Bild: brot-fuer-die-welt.de

zwd Berlin. "Brot für die Welt" veröffentlichte den Atlas der Zivilgesellschaft dieses Jahr zum zweiten Mal, jetzt gemeinsam mit dem weltweiten Netzwerk für bürgerschaftliches Engagement CIVICUS. Basierend auf den Daten von CIVICUS kategorisierte die Studie 196 Staaten in fünf Freiheitsgrade: offen, beeinträchtigt, beschränkt, unterdrückt und geschlossen. Deutschland wurde als Kategorie offen eingestuft, demnach haben die Menschen uneingeschränkte Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Dennoch sei es „besorgniserregend“, dass auch hierzulande feindliche Diskurse gegen Rechte von Frauen, Geflüchtete und Minderheiten zu beobachten seien. Für rechtspopulistische Bewegungen sei laut Bericht das Geschlechterverhältnis eines der Hauptthemen. Sie fokussieren sich demnach auf traditionelle Rollenbilder und greifen die Rechte der LSBTI-Gemeinschaft (Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle) an. „Kommen solche Bewegungen und Parteien an die Macht, werden die Hürden für Schwangerschaftsabbrüche höher, die finanziellen Zuwendungen für Frauenprojekte schrumpfen und Homosexuelle müssen Repressionen fürchten“, heißt es in der Studie.

Auch in Europa steht die Zivilgesellschaft unter Druck

In einigen europäischen Staaten hat sich die Lage der aktiven Bürgerschaft verschlechtert. Noch im Vorjahr wurde die Freiheitskategorie von Italien und Österreich als offen bewertet. Nach den Wahlsiegen der italienischen Lega und der FPÖ in Österreich wurden die ersten politischen Maßnahmen überprüft und der zivilgesellschaftliche Handlungsraum darauf basierend auf beeinträchtigt heruntergestuft.

Ungarns Zivilgesellschaft "beschränkt"

Als einziger EU-Staat befindet sich Ungarn in der Kategorie beschränkte Zivilgesellschaft. Der Handlungsraum der über 60.000 ungarischen NGOs schrumpfe aufgrund der wachsenden Repressionen stetig. Rechte von Geflüchteten werden laut des Atlas' für Zivilgesellschaft stark eingeschränkt und Organisationen, die sich über diese Entwicklung kritisch äußern und Hilfe für geflüchtete Menschen anbieten, kriminalisiert. Im August 2018 hatte die ungarische Regierung beispielsweise die Genderstudies an zwei Universitäten verboten (der zwd berichtete). Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit wird von "Brot für die Welt" als Versuch, den öffentlichen Diskurs über Geschlechterrollen zu lenken, interpretiert.

Quelle Grafik: Atlas der Zivilgesellschaft 2019

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