CORONA KONJUNKTURPROGRAMM : Bund investiert 3 Milliarden mehr in Kita- und Ganztags-Ausbau

17. Juni 2020 // Ulrike Günther

Mehr Betreuungsplätze für Kita-Kinder, mehr Ganztagsangebote für Grundschüler*innen – die Bundesregierung plant über das Konjunkturprogramm deutlich höhere Investitionssummen für den Ausbau der Tagesbetreuung von unter 3 bis 11-Jährigen ein. Damit reagiert die Regierung auf den von Eltern angemeldeten Bedarf an Kita-Plätzen und kommt Forderungen von Ländern und Fachleuten entgegen, mehr Mittel in die Erweiterung der Ganztagesangebote zu stecken.

Der Bedarf an Tagesbetreuung für Kinder steigt stetig.  - Bild: Pixnio
Der Bedarf an Tagesbetreuung für Kinder steigt stetig. - Bild: Pixnio

zwd Berlin. Im heute (17. Juni) vom Bundeskabinett vereinbarten Konjunkturpaket sind laut Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) insgesamt zusätzlich 3 Milliarden Euro Fördermittel für die Erweiterung der räumlichen Kapazitäten in Kitas und Grundschulen sowie digitale Ausstattung vorgesehen. Eine Milliarde Euro davon will der Bund in den Ausbau der Kindertagesstätten investieren. Damit können nach Angaben der Ministerin rund 90.000 Kita-Plätze mehr in den Betreuungseinrichtungen für Kinder von unter 3 Jahren bis zum Schuleintritt entstehen. Ebenso können die Gelder in den Umbau von Kindergärten fließen oder zum Schaffen neuer hygienischer und räumlicher Bedingungen sowie für digitale Technik eingesetzt werden, wie sie die Corona-Krise erforderlich macht.

Um den Ausbau der ganztägigen Betreuung in Grundschulen zu beschleunigen, erhöht die Koalitionsregierung die Investitionsmittel um 1,5 Milliarden Euro, mit weiteren 500.000 Euro sollen Schulen ihre digitale Ausstattung verbessern. In der Corona-Krise habe man gesehen, „wie wichtig eine gute (…) Kindertagesbetreuung sowohl für das Wohl der Kinder als auch der Eltern als auch für Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ sind, betonte Giffey auf einer Pressekonferenz. „Das Gesamtsystem funktioniert ohne eine verlässliche Kindertagesbetreuung nicht“, stellte die Ministerin fest. Mit dem über den Kabinettsbeschluss zum Konjunkturpaket in die Wege geleiteten 5. Investitionsprogramm zur Kinderbetreuungsfinanzierung 2020 bis 2021 erhöht sich die Zahl der neu zur Verfügung gestellten Betreuungsplätze in Kitas seit dem ersten Investitionsprogramm von 2008 auf über 600.000.

Immer noch Lücke zwischen Betreuungsbedarf und Kita-Kapazitäten

Die vom Bund bereitgestellten Mittel seien als Impuls zum Stärken der Konjunktur gedacht und müssten daher bis spätestens Juni 2021 von den Ländern abgerufen werden, sagte die Familienministerin. Die Investitionen in die Kita-Betreuung sind nach Aussagen von Giffey auch erforderlich, da die Nachfrage vonseiten der Eltern stetig wächst. Zwischen dem von Eltern geäußerten Bedarf an einem Kita-Platz für ihr Kind und den wirklich vorhandenen Kapazitäten in den Kindergärten klafft jedoch weiterhin eine größere Lücke. Nach den aktuellen, vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) herausgegebenen Daten besuchten im März 2019 34,2 Prozent aller unter 3-jährigen Kinder eine Kindertagesstätte, von den Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schulbeginn wurden 93,3 Prozent in Kitas versorgt.

Obwohl die Betreuungsquoten der Kinder dieser Altersgruppen im Vergleich zum Vorjahr um ca. 3,5 bzw. 2,5 Prozent gestiegen sind, ist der Bedarf an Kita-Plätzen aber noch längst nicht gedeckt. Der Statistik des BMFSFJ gemäß erklärten 2019 49,4 Prozent der Eltern von unter Dreijährigen, dass sie ihr Kind gern im Kindergarten betreuen lassen würden, bei den Müttern und Vätern von Kindern zwischen drei Jahren und dem Vorschulalter waren es sogar 97,5 Prozent. Mit der Entscheidung, mit weiteren 2 Milliarden Euro die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern zu fördern, versucht die Koalitionsregierung nach Aussagen der Familienministerin dem durch die Krise besonders deutlich gewordenen Erfordernis Rechnung zu tragen, mehr Ganztagsangebote zu gewährleisten.

Kritik der Linken: Kita-Betreuung braucht dauerhafte Finanzierung

Der kinder- und jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion Norbert Müller kritisierte die von Familienministerin Giffey vorgestellten Pläne der Regierung zum Ausbau der Kita-Betreuung. Bei der Erweiterung der Kita-Angebote handle es sich um eine „Daueraufgabe“, die man nicht über ein punktuell angesetztes Konjunkturprogramm bewältigen könne. Auch sei es nach Ansicht von Müller nicht sicher, dass die Länder und Gemeinden es schafften, die Summen tatsächlich rechtzeitig zu beantragen. Darüber hinaus erkennt der Linken-Sprecher die Gefahr, der Ausbau der Kitas könne trotz neu eingerichteter Plätze am Mangel an Fachkräften scheitern.

Stattdessen fordern die Linken ein „Kitaqualitätsgesetz“, das sowohl dauerhafte Finanzhilfen durch den Bund als auch einheitliche Standards für die Betreuung festlegt und somit den Gemeinden mehr Planungssicherheit gewährt. Mit Blick auf die Fördervorhaben zum Ganztagsausbau monierte Müller, dass aus Sicht der Linken vor allen Investitionszusagen des Bundes zuerst der Rechtsanspruch vorliegen müsse, und verlangte dementsprechend von der Familienministerin, einen Gesetzentwurf umgehend auszuarbeiten.

Bund will sich auch an Betriebskosten beim Ganztag beteiligen

Giffey hob in ihrer Stellungnahme die Bedeutung der ganztägigen Betreuung an Grundschulen für Eltern, Kinder und Arbeitgeber*innen hervor. Der Ganztag leiste nicht nur einen Beitrag dazu, dass Mütter und Väter Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren können, sondern sorge auch für mehr Chancengerechtigkeit sowie gleichwertige Lebensverhältnisse in den Regionen. In den zusätzlich von der Regierung angesetzten Fördermitteln erkennt die Familienministerin einen „enorme(n) Schub“, um der mehrfach von den Ländern gegenüber dem Bund vorgebrachten Forderung nach einem Aufstocken der Mittel für den Ganztagsausbau entgegenzukommen.

Außerdem habe die Koalitionsregierung ihre Zusage dafür gegeben, sich auch an der Finanzierung der bei der Ganztagsbetreuung anfallenden Betriebskosten zu beteiligen. Wie Giffey ausführte, wird der Bund in ähnlicher Weise die Betriebsausgaben mitfinanzieren, wie das bisher bei der Kita-Betreuung von Kindern unter 3 Jahren der Fall ist. Seit 2015 übernimmt der Bund die Zahlung der laufenden Kosten für den Kitabetrieb in Höhe von 845 bis 945 Millionen Euro jährlich. Bis jetzt hatte die Regierung beabsichtigt, die Investitionen in die Erweiterung der Ganztagsangebote aus einem für 2020 und 2021 einzurichtenden Sondervermögen mit 2 Milliarden Euro (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) zu unterstützen, eine Beteiligung bei den Betriebskosten war zunächst nicht eingeplant.

Giffey erwartet Unterstützung der Bundesländer für den Rechtsanspruch

Vor dem Hintergrund der von der Regierung bewilligten „erheblichen Erhöhung“ der Investitionsmittel des Bundes und der in Aussicht gestellten Übernahme der Betriebsausgaben des Ganztages äußerte Giffey auf der Konferenz die Erwartung, dass die Bundesländer nun bereit sein werden, den im Koalitionsvertrag vereinbarten Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung von Grundschulkindern als eines der „prioritären Vorhaben in der Familienpolitik“ mitzutragen. Der Gesetzentwurf dazu sei schon „sehr weit fortgeschritten“. Die Länder befürworten das Ziel des rechtlichen Anspruchs zwar grundsätzlich, hatten jedoch Vorbehalte hinsichtlich der Umsetzung angemeldet, da die vom Deutschen Jugendinstitut für den Ausbau auf bis zu 7,5 Milliarden Euro, für den laufenden Betrieb auf bis zu 4,5 Milliarden Euro jährlich veranschlagten Kosten mit einer Förderung vonseiten des Bundes im ursprünglichen Umfang von Ländern und Kommunen nicht zu stemmen seien. .

Länder sollen Erzieher-Ausbildung attraktiver machen

Die Familienministerin unterstrich auf der Konferenz zudem, dass die Umsetzung des Rechtsanspruches neben der auskömmlichen Finanzierung durch den Bund aber auch vom Vorhandensein von qualifiziertem Personal abhängig sei. Die sozialen Berufe müssten aufgewertet und anerkannt werden, gleichzeitig fehlten bis zum geplanten Inkrafttreten des Rechtsanspruchs im Jahr 2025 ca. 191.000 Erzieher*innen für die Ganztagsangebote.

Hier sieht die Regierung Giffey zufolge die Länder ihrerseits in der Pflicht, gut geschulte Fachkräfte für den Beruf zu erhalten und dafür anzuwerben, wie das der Bund mit der in allen Landesteilen durchgeführten Fachkräfteoffensive vorbildhaft gezeigt habe. Nach Auffassung von Giffey heißt das, dass die Ausbildung zur Erzieher*in attraktiver werden, also „schulgeldfrei, sozialversicherungspflichtig und vergütet“ sein müsse. Dabei erleichtere es die ab 2021 für das Ausbildungsmodell geltende allgemeine Sozialversicherungspflicht den Ländern, Azubis im Erzieherberuf eine Vergütung zu zahlen, so die Familienministerin.

Artikel als E-Mail versenden