OFFENER BRIEF AN DIE KANZLERIN UND DIE REGIERUNGSCHEF*INNEN : Bundesmittel werden an die Länder nicht bedarfsgerecht verteilt

31. August 2020 // GesCh

zwd Berlin. Mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Regierungschef*innen der Länder sowie an weitere verantwortliche Politiker*innen im Bildungsbereich hat die Gesellschaft Chancengleichheit darauf aufmerksam gemacht, dass die mit dem 500-Millionen-Euro-Sofortprogramm bereitgestellten Bundesmittel zur Beschaffung von digitalen Endgeräten nicht bedarfsgerecht verteilt werden. Der Grund liegt in der Verteilung dieser Mittel nach dem Schlüssel nach dem Königsteiner Abkommen.

Der offene Brief der Gesellschaft Chancengleichheit
Der offene Brief der Gesellschaft Chancengleichheit

Holger H. Lührig, Sprecher der Gesellschaft Chancengleichheit e.V. und Herausgeber des zwd-POLITIKMAGAZINs hat in seinem Editorial zu dem offenen Brief geschrieben:

Holger H. Lührig, Sprecher der Gesellschaft Chancengleichheit

In der vorangegangenen Ausgabe Nr. 379 des zwd-POLITIKMAGAZINs haben wir darüber berichtet, wie sehr die Corona-Krise die Situation für arme Kinder und ihre Familien noch verschärft hat. Das wurde in Zeiten des Homeschooling besonders deutlich, weil viele Kinder zuhause nicht über PCs, Laptops oder Tablets verfügten und damit beim schulischen Lernen abgehängt waren. Es wurde deutlich, dass der DigitalPakt Schule, den die SPD im März 2018 in die Koalitionsvereinbarung mit CDU und CSU hinein verhandelt hatte und der mit fünf Milliarden Euro ausgestattet wurde, nicht zuletzt wegen des bürokratischen Verfahrens im föderalistischen Staatswesen nur schleppend in Gang kam. Dabei war die Koalitionsvorgabe unmissverständlich gewesen, „...dass die Schülerinnen und Schüler in allen Fächern und Lernbereichen eine digitale Lernumgebung nutzen können, um die notwendigen Kompetenzen in der digitalen Welt zu erwerben.“

In der Corona-Not, als die Probleme beim Homeschooling infolge der fehlenden Infrastruktur und der mangelhaften Umsetzung des DigitalPakts unübersehbar geworden waren, gewährten die Haushälter*innen des Bundestages einen „Notgroschen" in Form einer 500-Millionen-Soforthilfe. Damit sollte wenigstens nach den Sommerferien jedem Kind, das Zuhause nicht über PC, Laptop oder Tablet verfügt, von den Schulträgern ein Gerät „leihweise“ zur Verfügung gestellt werden können. Vom ungelösten Problem der Dienstlaptops, der dienstlichen E-Mail-Adresse für Lehrkräfte und der Anbindung der Schulen an schnelles Internet ganz zu schweigen. Doch Zweifel an der Form der Verteilung dieser 500 Millionen Euro sind begründet. Denn die Finanzmittel werden nicht etwa nach dem Bedarf verteilt, wie er sich unter anderem aus einem aktuellen Factsheet der Bertelsmann-Stiftung "Kinderarmut in Deutschland" (Juli 2020) herleiten lässt, sondern nach dem „bewährten“ Königsteiner Schlüssel. In mindestens diesem Fall ein Skandalon, worauf zuerst der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda am Beispiel von Bayern und Bremen aufmerksam gemacht hat. Das zwd-POLITIKMAGAZIN hatte daraufhin alle Länder in den Blick genommen. Die (in der Ausgabe 379 aufgemachte) zwd-Rechnung bestätigt den Befund: Gerechtigkeit geht anders [siehe auch Bericht in der Ausgabe 379 des zwd-POLITIKMAGAZINs, der auch allen Portalnutzer*innen im Nachrichtenbereich Bildung zur Verfügung steht (siehe unten)]. Mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Verantwortlichen in Bund und Ländern sowie an die Parteivorsitzenden der SPD hat die (gemeinnützige) Gesellschaft Chancengleichheit e.V. auf der Basis der Berechnungen des zwd-POLITIKMAGAZINs nun die Bundeskanzlerin und die Verantwortlichen in Bund und Länder gebeten, die bisherige Finanzverteilung nach dem Königsteiner Abkommen im Hinblick auf die tatsächlichen Bedarfe zu reformieren. Der Brief soll ein Signal für eine Debatte anstoßen, die die Verteilung öffentlicher Gelder aus dem Blickwinkel von KInderarmut und sozialer Benachteiligung mit dem Anspruch thematisiert, mehr Chancengleichheit für Kinder zu eröffnen.

Der offene Brief im Wortlaut. Die zwd-Berechnungsübersicht (Anlage zum Brief an die Kanzlerin).

Zum Artikel: Die Bundeshilfe zur Endgerätebeschaffung kommt nicht bedarfsgerecht an.

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