PARLAMENTSINITITATIVEN CONTRA KÖNIGSTEINER SCHLÜSSEL : Bundestag wird sich mit der Mittelverteilung für DigitalPakt-Sonderprogramme befassen

15. Oktober 2020 // Holger H. Lührig

Führende Bundespolitiker*innen der SPD, der Linken und der Grünen stellen die bisherige Mittelverteilung an die Länder aus den DigitalPakt- Millionen in Frage. Der Bundestag soll sich mit dem Thema befassen. Eine entsprechende parlamentarischen Initiative kündigte die Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, gegenüber dem zwd-POLITIKMAGAZIN an. Auch die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Margit Stumpp und der Vorsitzende des Bundestagsauschusses für Bildung und Forschung, Ernst Dieter Rossmann, plädieren für eine Abkehr von der ungerechten Form der Giesskannen-Verteilung von Bundesmitteln nach dem Königsteiner Schlüssel. ​

SPD-Vorsitzende Saskia Esken: Bundesgelder müssen bei denen ankommen, die sie brauchen

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat sich gegen die Vorgabe der Länder gewandt, die Bundesgelder aus den Millionen-Sofortprogrammen zur Digitalisierung der Schulen weiterhin nach dem Königsteiner Schlüssel unter den Bundesländern aufzuteilen. In einem Gastbeitrag für das zwd-POLITIKMAGAZIN mahnt sie an, dass die Mittel so verteilt werden, dass sie bei denen ankommen, die sie am dringendsten brauchen. Mehr dazu unter http://www.zwd.info/saskia-esken-bundesgelder-muessen-bei-denen-ankommen,-die-sie-brauchen.html

Katja Kipping: Bundesgelder nach Sozialindex an die Schulen verteilen

In weiteren Statements und Gast-Beiträgen für die aktuelle Ausgabe des zwd-POLITIKMAGAZINs (Ausgabe 381) haben sich führende Politiker der SPD, Linken und Grünen kritisch über die Anwendung des Königsteiner Schlüssels bei der Verteilung von Bundesfinanzmitteln aus den Sofortprogrammen des DigitalPakts Schule geäußert. Wie die SPD-Vorsitzende Esken bemängelt auch die Linken-Vorsitzende Katja Kipping die Verwendung dieses von den Länder-Kultusministern gewünschten Verteilerschlüssels. Der sei nicht sinnvoll, wenn es darum gehe, Gelder dorthin zu verteilen, wo sie am nötigsten gebraucht würden.

Kipping wie auch Rossmann haben die von der Gesellschaft Chancengleichheit vorgelegten Berechnungen aufgegriffen, wonach die 500 Millionen Euro aus dem DigitalPakt Schule zur Anschaffung von digitalen Endgeräten nicht bedarfsgerecht, sondern in den Worten Kippings nach dem Motto verteilt werden „Wer hat, dem wird gegeben“.

Die Linken-Vorsitzende sieht insofern die Gefahr, dass sich die Gräben zwischen den Ländern noch weiter vertiefen. Statt nach dem Königsteiner Schlüssel, sollten die Gelder nach dem Sozialindex an die Schulen verteilt werden.


Rossmann: Es ist an der Zeit, ungerechte Mechanismen zu korrigieren

Der Vorsitzende des Bildungsausschusses Rossmann plädiert in seinem Gast-Beitrag für das zwd-POLITIKMAGAZIN dafür, beim Digitalpakt II jetzt nachzuarbeiten. Unter Hinweis auf entsprechende Berechnungen der Gesellschaft Chancengleichheit, die aktualisiert in der aktuellen Ausgabe 381 veröffentlicht werden, schreibt der SPD-Bildungsexperte wörtlich: "Die Gewinnerländer müssen in einer echten Solidargemeinschaft sicherstellen, dass die Länder mit einer unterdurchschnittlichen Fördermöglichkeit für ihre Kinder und Jugendlichen mindestens auf den Durchschnittssatz von 426 pro Kind und Jugendlicher angehoben werden. Der Bund sollte darauf bestehen, bevor er auch noch zwei Mal mehr jeweils 500 Millionen nach dem Königsteiner Schlüssel an die Länder gibt, dass dieser Fehler behoben wird. Und bei der angekündigten Unterstützung für die Schuladministratoren muss ein Schlüssel gewählt werden, der auch die Finanzkraft der Kommunen mit einbezieht."

Rossmann fügt hinzu:

"Es ist wirklich an der Zeit, falsche Mechanismen zu korrigieren und die ungerechte Gießkanne des Königsteiner Schlüssels endlich durch bedarfsgerechte zielgenaue Verteilungen für mehr sozialen Ausgleich und wirkliche Chancengleichheit zu ersetzen. Die Entwicklung solcher Sozialindices sollte auch eine vornehme Aufgabe für den wissenschaftlich ausgewiesenen Bildungsrat sein, auf den sich die Bundesländer auf KMK-Ebene verständigen wollen. Natürlich wäre ein Nationaler Bildungsrat besser gewesen, der leider von Schwarz und Grün in Bayern und Baden – Württemberg konsequent torpediert worden ist. Aber wenn es denn um die Sache der Chancengleichheit geht, kann auch ein von Länderegoismus befreiter wissenschaftlicher Rat auf Länderebene sicherlich von großem Nutzen sein."

Margit Stumpp (Grüne): Endlich entlang den Bedarfen investieren!

Auch nach Auffassung der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen Margit Stumpp ist der Königsteiner Schlüssel als Verteilmechanismus weder bedarfsorientiert noch sozial oder gerecht. Er verschärfe die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland. Hier seien der Bund und die KMK gefordert, "endlich bessere Lösungen zu finden, die sich an den tatsächlichen Bedarfen vor Ort orientieren statt unambitioniert stets nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu verwalten."

Im Gast-Beitrag im aktuellen zwd-POLITIKMAGAZIN (381) schreibt die baden-württembergische Bildungsexpertin unter anderem wörtlich:

"Wir müssen endlich entlang von Bedarfen investieren. Viele Länder zeigen mit ihren Programmen zur Unterstützung von Schulen in herausfordernden Lagen, wie mithilfe von Sozialindizes Ressourcen zielgerichtet ankommen. Diese Indizes berücksichtigen etwa den Transferbezug von Familien, den Anteil Alleinerziehender, Kinderarmut, Familieneinkommen oder ähnliches. Was spricht dagegen, vergleichbares von Bundesseite aus zu installieren und angemessen zu finanzieren? Ich werde mich nicht damit abfinden, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler, die die schlechtesten Startchancen haben, auch noch auf die am schlechtesten ausgestatteten Schulen gehen müssen. Das ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land, verschleudert Talente und Ressourcen und spaltet unsere Gesellschaft!"

Die Grünen-Politikerin macht die Kultusministerkonferenz für das Versagen verantwortlich: Sie schreibt wörtlich:

"Der entscheidende Hebel zu bildungspolitischen Verbesserungen ist und bleibt der Bildungsföderalismus. Das aktuelle Kooperationsverbot macht es dem Bund zu einfach, sein Engagement für Bildungsgerechtigkeit auf Sparflamme zu kochen. Wir müssen endlich zu einem KooperationsGEbot kommen. Es geht nicht darum, die Bildungshoheit der Länder in Frage zu stellen, auch wenn dies laut kürzlich veröffentlichter Studie eine klare Mehrheit tut. Die KMK hat sich als ungeeignet erwiesen, innovativ und schnell zu agieren. So sollte der Bund wenigstens attraktive bildungspolitische Angebote machen dürfen."

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung: Arme Kinder werden ihrer Chancen beraubt

Auch die Bertelsmann-Stiftung plädiert für eine Abkehr vom Königsteiner Verteilungsmechanismus. Das Vorstandsmitglied der Stiftung Jörg Dräger schreibt in seinem Gast-Beitrag für das zwd-POLITIKMAGAZIN (381) unter anderem, falls es bei der Verteilung nach diesem Schlüssel bleibe, dann

"werden arme Schüler:innen in der jetzigen Krise weiter abgehängt und ihrer Chancen beraubt. Das darf und kann nicht das Ergebnis eines föderalen Verteilungskampfes sein. Im Zentrum müssen jene stehen, um die es geht: Kinder und Jugendliche. Ihr Bedarf muss Vorrang vor Proporz haben. Auf Basis unseres Factsheets-Kinderarmut zeigt die Gesellschaft Chancengleichheit e.V. wie eine solche bedarfsgerechte Aufteilung der Mittel aus dem Soforthilfeprogramm aussieht. Dieser Vorschlag sollte umgesetzt werden, damit alle Kinder über die notwendigen technischen Voraussetzungen verfügen, um digital lernen zu können.

Die tabellarischen Berechnungen der Gesellschaft Chancengleichheit e.V. können Sie hier vorab herunterladen.
Die Gastbeiträge stehen nach Veröffentlichung des zwd-POLITIKMAGAZINs zur Verfügung.


Bildnachweis (v.o.n.u.): Esken (SPD), Kipping (Die Linke), Rossmann (Susi Knoll), Stumpp (DBT Stella von Salden), Dräger (Arne Weyardt, Hamburg),

Artikel als E-Mail versenden