zwd-HERAUSGEBER HOLGER H. LÜHRIG : Das Menetekel von Hamburg: Demokratie und Freiheitsrechte schützen und bewahren

17. Juli 2017 // Holger H. Lührig

​Auf ihrer diesjährigen Konferenz haben die Gleichstellungs- und Frauen-minister*innen der Länder, eine Botschaft verabschiedet, die deutlicher nicht sein konnte. Angesichts rechtspopulistischer Attacken gegen Kernbestandteile der demokratischen Grundordnung haben sie dazu aufgerufen, die Grundwerte zu schützen und speziell das Recht auf Gleichberechtigung der Geschlechter zu bewahren, ja voranzutreiben.

Bild: zwd
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Ohne die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ ausdrücklich beim Namen zu nennen, hat die Minister*innenkonferenz angesichts der Programmatik dieser Partei die Befürchtung durchklingen lassen, dass bereits sicher geglaubte gleichstellungspolitische Errungenschaften offenbar keine Selbstverständlichkeit mehr seien und damit demokratische Grundwerte in Frage gestellt würden. 60 Jahre nach Inkrafttreten des ersten Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts sahen sich die Minister*innen zu einem Aufruf an alle Akteur*innen in Politik, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft veranlasst, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Frauen ausnahmslos frei, sicher, nicht ­benachteiligt und selbstbestimmt ­leben können.
Doch bei der Bewahrung demokratischer Werte geht es längst nicht mehr nur um die Gleichstellung. Die Freiheitsrechte sind generell in Frage gestellt, wenn beispielsweise durch Fake-News Stimmungen und durch Cyberkriminelle demokratische Wahlen manipuliert werden ­können, wenn wir in unserer Computer-Nutzung, ohne es mitzubekommen, fremdgesteuert werden. Deshalb muss eine digitale Agenda für Politik und Gesellschaft formuliert und in all ihren Auswirkungen ausgeleuchtet werden.


Was hat das nun mit den Ereignissen rund um den G20-Gipfel in Hamburg zu tun? Die kriminellen Chaoten haben es bedauerlicherweise geschafft, die Macht der Bilder für sich zu okkupieren. Vor diesem Hintergrund sind die ohnehin spärlichen Ergebnisse dieses mit unverhältnismäßigem Personal- und Finanzaufwand in der Mitte der Hansestadt durchgeführten Treffens der 20 Staatschef*innen eher zu einer Marginalie verkommen. Die Gewaltexzesse lenkten nicht zuletzt auch davon ab, dass in der Abschlusserklärung des G20-Gipfels mehrere frauenpolitisch relevante Forderungen der W20 (Women20 – der Frauendialog innerhalb der G20) Eingang gefunden haben. Namentlich gilt dies für das Bekenntnis zur Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitsmärkten der betreffenden Staaten. Oder die G20-Anerkennung der Initiative „#eSkills4Girls“, die mit der Förderung des Zugangs von Mädchen zu Bildung in MINT-Fächern den Effekten der Digitalisierung zulasten von Frauen und damit der Geschlechterungleichheit entgegenzuwirken versucht. Nicht zuletzt hat der G20-Gipfel auch das Kernanliegen der W20-Gruppe aufgenommen, Unternehmerinnen den Zugang zu Kapital und Firmengründungen zu erleichtern.
Im bevorstehenden Bundestagswahl- kampf wird es freilich nicht um solche Themen gehen, sondern um die alles überlagernde Frage, wie und von wem die Sicherheit der Menschen in unserem Lande angesichts des tatsächlichen Staatsversagens gewährleistet ­werden kann. Die Wähler*innen werden überlegen müssen, ob sie sich bei ihrer Wahlentscheidung eher ins Schlepptau verwaschener Sicherheitsverheißungen Angela Merkels und ihres mit der CSU verabredeten unkonkreten Wahlprogramms begeben wollen oder ob sie ihre Stimme denjenigen Parteien geben, die sich einer modernen Arbeitsmarkt- sowie Frauen- und Familienpolitik verpflichtet fühlen. Der 2. Gleichstellungsbericht, die Beschlüsse der GFMK und des Deutschen Frauenrates, über die wir in dieser Ausgabe berichten, weisen in eine klare Richtung. Doch ob sie auch gehört werden?
Mit unserer 350. Ausgabe haben wir, wie in den letzten 30 Jahren mit unseren zwd-Magazinen, unseren Beitrag dazu geleistet.

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