zwd-EXTRA: HISTORISCHER ZAHLENSTRAHL 1919 bis 2019 : Der 100-jährige Kampf um das passive Wahlrecht für Frauen

24. Mai 2019 // Holger H. Lührig

Mit einer Extra-Ausgabe hat das zwd-POLITIKMAGAZIN wichtige Stationen des 100-jährigen Kampfes um das passive Wahlrecht für Frauen dokumentiert.

96 Frauen, die wichtige Ämter im Bund, den Ländern und in der Europäischen Union bekleiden, sind auf den Umschlagseiten des zwd-EXTRAs abgebildet.
96 Frauen, die wichtige Ämter im Bund, den Ländern und in der Europäischen Union bekleiden, sind auf den Umschlagseiten des zwd-EXTRAs abgebildet.

zwd Berlin (ig). Der 12-seitige zwd-EXTRA, für das zwd-Chefredakteurin Hilda Lührig-Nockemann verantwortlich zeichnet, beschreibt in einem einführenden Beitrag den Kampf um den sogenannten "Herrschaftsraum des Mannes", beginnend mit den ersten Initiativen im Jahr 1848/1849, als Louise Dittmer anlässlich der ersten Nationalversammlung den Begriff "Freiheit für alle" kritisch hinterfragte, bis hin zu den Bemühungen der Frauen, das allgemeine Wahlrecht zu erlangen. Nachdem der Rat der Volksbeauftragten unter Führung der (gespaltenen) Sozialdemokratie 1918 das aktive und passive Wahlrecht für Frauen sanktioniert hatte, wurde das aktive Wahlrecht für Frauen nicht mehr in Frage gestellt. Wohl aber mussten die Frauen um ihre Teilhabe an den Parlamentssitzen kämpfen. 8,7 Prozent Frauen waren im ersten Reichstag 1919 vertreten. Schon 1921 kündigten die Nationalsozialisten an, was sie nach der Machtergreifung 1933 konsequent umsetzten: Frauen sollten in der Politik keinen Platz haben. Mit dem Parteienverbot von 1933 war für Frauen das passive Wahlrecht zwischen 1933 und 1945 faktisch außer Kraft gesetzt.

Nach dem 2. Weltkrieg ein neuer Anlauf

Erst nach dem Ende des 2. Weltkrieges konnten Frauen wieder für Parlamente kandidieren und vereinzelt auch Ministerposten übernehmen. "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", beschrieb die unter der (kurzen) Ägide des Sozialdemokraten Wilhelm Högner für Bayern 1946 durchgesetzte Landesverfassung. Doch andere Länder taten sich damit schwer (Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen). Auch auf Bundesebene waren die im Männer-beherrschten Parlamentarischen Rat bestehenden Widerstände gegen die Gleichberechtigung von Frauen groß: Nur mit Hilfe einer öffentlichen Kampagne, die sie gegen Widerstände aus der eigenen Partei, aber auch des Verfassungsrates organisierte, gelang es der SPD-Politikerin Elisabeth Selbert, ihren zuvor dreimal abgelehnten Vorschlag für eine Fassung des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes in Parlamentarischen Rat durchzusetzen: Damit wurde die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zum unumstößlichen Verfassungsgrundsatz erklärt.

Fortschrittliche DDR - mehr auf dem Papier

Der zeithistorische zwd-Zahlenstrahl schließt auch die weitere Entwicklung in der DDR ein. Mit der DDR-Verfassung von 1949 war die Gleichberechtigung von Frauen und Männern anerkannt; im Jahre 1968 konkretisierte die DDR die Regelung, indem die Förderung der Frau als staatliche Aufgabe in die Verfassung aufgenommen wurde - mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit. In der Bundesrepublik wurde erst fünf Jahre nach der Wiedervereinigung die Förderung der Gleichberechtigung als Aufgabe des Staates in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert (am 15.11.1994). Auch hier mussten die Frauen zur Kenntnis nehmen, dass vom Verfassungstext bis zur Verfassungswirklichkeit noch ein weiter Weg zurückzulegen war.

EU als gleichstellungspolitischer Motor

Dabei half auch die seit 1952 bzw. 1957 eingeleitete Entwicklung zur Europäischen Union. Gender Mainstreaming und Frauenförderung wurden als wichtige Aufgabenstellungen in den europäischen Verträgen (Amsterdam 1997 etc.) verankert. Die EU konnte damit wichtige gleichstellungspolitische Initiativen in den Mitgliedsländern anstoßen, wiewohl sie nicht selten durch die Regierungschefs ausgebremst wurden. So scheiterte die Einführung einer europaweiten Quotenregelung vor allem an der deutschen Bundesregierung unter der Kanzlerschaft Angela Merkels.

Die EU auf dem Wege zur Parität, Deutschland (noch nicht) auf dem Wege zur Parität - dies wird am Schluss des historischen Zeitstrahls mit Blick auf den aktuellen Entwicklungsstand in Deutschland und Europa deutlich. Die Fortschreibung des Zeitstrahls hängt nicht zuletzt von der politischen Entwicklung nach der europäischen Parlamentswahl am 26. Mai wie auch von den Wahlen zu den Länderparlamenten, insbesondere demnächst in Ostdeutschland, und letztlich zum nächsten Bundestag ab. Es geht also darum, wie weit rechtspopulistische Kräfte, die die Gleichstellungspolitik zulasten von Frauen zurückdrehen wollen, tatsächlich an Einfluss gewinnen. Noch ist nichts entschieden: Die Chancen, dass Frauen ihr passives Wahlrecht nutzen können - beispielsweise durch quotierte Wahllisten - ist noch gegeben. Einige Parteien haben das bei der Aufstellung ihrer Wahllisten auf europäischer Ebene schon verwirklicht. Der Bundestag ist aufgerufen, hier für Deutschland eine Vorreiterrolle zu übernehmen.


Das EXTRA steht unseren Abonnent*innen ab dem 24. Mai ca. 16 Uhr an dieser Stelle zum Download zur Verfügung. Nicht-Abonnent*innen können das EXTRA als gedruckte Version für 5 Euro (Einzelpreis) bzw. für 15 Euro (5 Exemplare) beziehen.
Bestellungen bitte an zwd-POLITIKMAGAZIN c/o zwd-Mediengesellschaft mbH, Luisenstr. 48, 10117 Berlin
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