ABSCHAFFUNG DES STRAFRECHTSPARAGRAFEN 219a : Keine Entscheidung über Gesetzentwürfe zu §219a

22. Oktober 2018 // Julia Trippo und Holger H. Lührig

In der Diskussion um den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches, welcher Ärzt*innen das sogenannte Werben um Schwangerschaftsabbrüche verbietet, scheint keine Reform in Sicht. In der Debatte im Bundestag am vergangenen Donnerstag gab es inhaltlich keine neuen Argumente. Im Mittelpunkt der Debatte stand die Position der SPD-Fraktion.

Johannes Fechner (SPD) - Bild: zwd
Johannes Fechner (SPD) - Bild: zwd

zwd Berlin. Die Debatte im Bundestag sollte eigentlich über den Bericht des Rechtsausschuss für die jeweiligen, vorgelegten Gesetzesentwürfe der Fraktion der FDP, Grünen und Linken beraten. Derzeit liegt nur ein Zwischenbericht vor, da die Gesetzesvorlagen wieder von der Tagesordnung des 22. Sitzung des Ausschusses am 10. Oktober genommen wurden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte der SPD bereits im März das Versprechen gegeben, einen Regierungsvorschlag für den Paragrafen vorzulegen. Dazu ist es bisher nicht gekommen. Beim SPD-Bundesparteitag im vergangenen Dezember hatte die SPD-Führung ihre Bemühungen um einen Kompromiss mit der Union bis zu diesem Herbst terminiert.

Die SPD sieht großen Handlungsbedarf

Als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion stellte der Abgeordnete Johannes Fechner klar, dass die SPD nicht ewig auf diesen Kompromissvorschlag warten werde, denn es bestehe großer Handlungsbedarf. Falls in diesem Herbst keine Regierungsvorlage im Bundestag eingebracht werde, plädiere er für die Freigabe der Abstimmung. Insbesondere in Hinblick auf die kürzlich erfolgte Bestätigung des Urteils gegen Ärztin Kristina Hänel des Gießener Landgerichts wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 219a mahnte Fechners Fraktionskollegin Eva Högl eindringlich: „Es eilt“. Täglich würden sogenannte Lebensschützer immer mehr Ärzt*innen anzeigen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion sprach sich für eine Reform des Paragrafen aus und forderte eine Reglung, die die Strafbarkeit von den Ärzt*innen nimmt.

Frauenpolitische Sprecherinnen der Grünen und Linken wenden sich an die SPD-Frauen

Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linken, erneuerte die Position ihrer Fraktion, dass die Streichung des Paragrafen 219a längst überfällig sei. Die Freiheit auf Informationen und den Arztberuf würden behindert und Frauenrechte ignoriert. Sie appellierte insbesondere an ihre Kolleginnen der SPD-Fraktion, dies nicht weiter zuzulassen. 219a könne zum Schicksalsparagrafen der SPD werden, so Möhring.

Vertrauen anstatt Misstrauen gegenüber Frauen und Ärzt*innen forderte auch Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis90/DieGrünen. Die derzeitige Lage, in der Ärzt*innen weiterhin verurteilt werden, dürfe nicht länger hingenommen werden. Sie wandte sich direkt an die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles: "Sie können Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn Sie den Schritt der Freigabe der Abstimmung zu §219a gehen, wenn Sie die reale Chance, aus der Mitte des Parlaments eine Mehrheit zu gewinnen, nutzen und wenn wir nicht länger warten, einen gemeinsamen Beschluss zu fassen, der lautet: Streichen wir § 219a!"

CDU/CSU gegen Reform oder Abschaffung der Reglung

Ob es zu einem Kompromiss der SPD mit der Union kommen kann, scheint nach der Bundestagsdebatte fraglich. Die Unionsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker wiederholte für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die bekannte Argumentation, dass das ungeborene Leben Schutz brauche und ein Recht auf die bestmögliche Beratung in Richtung auf die Ermutigung zu dem Kind verdiene. Das Warten auf den Regierungsvorschlag begründete sie damit, dass in der Koalition derzeit noch Gespräche zwischen zwei Ministern der eigenen Fraktion und zwei Ministerinnen der SPD geführt würden.

Klare Worte fand an diesem Abend die FDP. Stephan Thomae plädierte weiterhin für den Reformvorschlag der Liberalen, aber die FDP würde sich auch keiner Initiative verwehren, „die dafür sorgt, dass nicht alles bleibt, wie es jetzt ist“. Denn so, wie Paragraf 219a derzeit sei, könne er nicht bleiben, unterstrich Thomae.

Eva Högl, SPD: "Es ist und bleibt unsere Position, die Position der SPD, dass Ärztinnen und Ärzte nicht bestraft werden dürfen, wenn sie erstens Abbrüche vornehmen und wenn sie zweitens darüber informieren." (Bild: zwd)


Cornelia Möhring, Die Linke: "Der §219a könnte der Schicksalsparagraf für die SPD werden. Für viele Ärztinnen, Ärzte und Frauen ist das schon lange so." (Bild: zwd)

Ulle Schauws, Bündnis90/Die Grünen, zur SPD-Fraktion: "Die Abstimmung freigeben zu wollen, ist auch ein Beschluss. Ihr seid im Wort bei den Frauen, ihr seid im Wort bei der Parteibasis, auch bei den Bürgerinnen." (Bild: zwd)


Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU: " Der zweite Irrtum ist, dass es ein Informationsverbot für Frauen gäbe. Das Einzige was §219a wirklich ausschließen möchte, ist, dass durch diejenigen informiert und geworben wird, die selber kommerziell anbieten." (Bild: zwd)

Stephan Thomae, FPD: "So wie der Paragraf jetzt noch im Gesetz steht, ist er einfach nicht mehr zeitgemäß, und das ist doch eigentlich das Problem, mit dem wir zu kämpfen haben." (Bild: zwd)


Zur Debatte standen die folgenden Berichte des Rechtsausschusses:

a) Beratung des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Cornelia Möhring, Christine Buchholz, Doris Achelwilm, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (Drucksachen 19/93, 19/5048)

b) Beratung des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Christian Lindner, Stephan Thomae, Dr. Marco Buschmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Einschränkung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche (Drucksachen 19/820, 19/5049)

c) Beratung des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Keul, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung von § 219a StGB (Drucksachen 19/630, 19/4878)


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