WISSENSCHAFTSRAT : Deutsche Hochschulen sollten sich internationaler aufstellen

9. Juli 2018 // Hannes Reinhardt

Angesichts einer sich in den letzten Jahren dynamisch verändernden welt- und wissenschaftspolitischen Lage hat der Wissenschaftsrat (WR) den deutschen Hochschulen eine internationalere Ausrichtung empfohlen.

zwd München/Berlin. Aufstrebende Wissenschaftsnationen böten neue Kooperationsmöglichkeiten in Lehre und Forschung, der internationale Wettbewerb nehme zu, so der WR nach Beendigung seiner Sommersitzungen am vergangenen Wochenende in München. Gleichzeitig erschwere eine zunehmende Wissenschaftsskepsis bis hin zu Wissenschaftsfeindlichkeit in Staaten innerhalb und außerhalb Europas den grenzüberschreitenden Austausch und die internationale Zusammenarbeit. „Alle Akteure in der Wissenschaft sollten sich bewusst sein, dass sie sich immer in einem politischen Umfeld bewegen. Die Spannungen und Zielkonflikte von Partnern, die in Bezug auf Leistung und Ressourcen sehr ungleich sein können, muss man im Blick behalten, aber auch die unterschiedlichen Motive und Werthaltungen können wir nicht ignorieren“ betonte die WR-Vorsitzende Prof.´in Martina Brockmeier.

WR greift Idee Emmanuel Macrons auf

Um die deutschen Hochschulen für Chancen und Risiken im Umgang insbesondere mit neuen Partnerstaaten zu sensibilisieren, empfiehlt der Wissenschaftsrat, eine zentrale Beratungsstelle beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) oder bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu schaffen. Brockmeier: „Wir müssen in allen internationalen Konstellationen klar für unsere Werte und Qualitätsansprüche eintreten und als Botschafter für die freie Ausübung von Wissenschaft, die wissenschaftliche Integrität und den Schutz geistigen Eigentums in die Welt gehen.“

Besondere Chancen erkennt der Wissenschaftsrat dabei in der Idee einer Europäischen Hochschule, die Anregungen für viele Hochschulen unterschiedlichen Typs für alle ihre Leistungsdimensionen geben könne: „Mit einem solchen Profil kann überzeugend für die Werte des europäischen Hochschulraums geworben werden, gleichzeitig mit dem Einstehen für Wissenschaftsfreiheit, Weltoffenheit, Verantwortung und kulturelle Vielfalt ein Gegenentwurf zu nationalistischen und wissenschaftsskeptischen Tendenzen gesetzt werden“, erklärte das Gremium. Die Studierenden könnten von Mehrsprachigkeit, interkulturellen Erfahrungen und Doppelabschlüssen profitieren. „Um die innereuropäische Kooperation in der Forschung und die Mobilität von wissenschaftlichem Personal zu fördern, empfiehlt der Wissenschaftsrat den politischen Akteuren, ihre Programme so zu gestalten, dass auch unterschiedlich starke Partner zusammenarbeiten und Drittmittel grenzüberschreitend verwendet werden können“, hieß es weiter.

Gehring (Grüne): „Unsere Wissenschaft muss auf klaren Werten fußen“

„Bildung und Wissenschaft sind häufig die einzigen Felder, in denen Zusammenarbeit mit autoritär oder diktatorisch regierten Staaten möglich ist. Diese schmalen Kanäle in schwierige Länder gilt es offenzuhalten, ohne allerdings eigene Werte an der Grenze abzugeben“, kommentierte Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, die Empfehlungen des WR. Die Wissenschaft lebe in ambivalenten Zeiten: „Einerseits wächst weltweit das Interesse an wissenschaftlichen Austausch, andererseits machen sich Wissenschaftsskepsis und Wissenschaftsfeindlichkeit breit.“ Umso wichtiger ist es, so Gehring, dass Wissenschaft „Made in Germany“ auf klaren Werten fuße, die nicht verhandelbar seien. Er forderte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) auf, hier voranzugehen und auch bei Staatsbesuchen in Zukunft immer auch „die Wissenschaft“ zu treffen und ihr damit Aufmerksamkeit und Anerkennung zu geben.

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