STIFTERVERBAND, SOS-KINDERDÖRFER UND DKJS : Umfrage zu Chancengleichheit: Deutsche Jugendliche glauben nicht an Aufstieg durch Bildung

6. Dezember 2018 // ticker

Jugendliche in Deutschland zweifeln weiterhin an der Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Stifterverbandes, der SOS-Kinderdörfer und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).

Bild: ar.ch
Bild: ar.ch

zwd Berlin. Die Umfrageergebnisse waren am Mittwoch im Vorfeld des Tages der Bildung (8. Dezember) vorgestellt worden. Mit dem Aktionstag soll in diesem Jahr die Aufmerksamkeit auf das vierte Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen (UN) gerichtet werden, im Rahmen dessen die UN inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und das lebenslange Lernen für alle fördern möchten.

Die Ergebnisse der Umfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut forsa durchgeführt wurde, zeigen in dieser Hinsicht Handlungsbedarf auf. So glaubt rund die Hälfte (47 Prozent) der befragten 14- bis 21-Jährigen nicht an Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem. Die Umfragewerte haben sich in den letzten Jahren jedoch positiv entwickelt. So sahen 2016 insgesamt 52 Prozent keine gleichen Bildungschancen. Vor drei Jahren zweifelten sogar noch 55 Prozent an der Chancengleichheit in Deutschland. Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Bildungschancen sind für die Jugendlichen die Qualität der Schule und Lehrer*innen (91 Prozent), die eigene Motivation (90 Prozent) und die Zuwendung und Unterstützung der Eltern (88 Prozent). Dass der kulturelle Hintergrund der Erziehungsberechtigten einen großen Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder hat, glauben immerhin 49 Prozent. Das sind 18 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2016. „Es ist bedenklich, dass nach Meinung der jungen Menschen der kulturelle Hintergrund der Eltern wieder einen größeren Einfluss hat. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gemeinsam mit unseren Partnern weiterhin für Chancengleichheit einsetzen“, erklärte Prof. Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes.

Gut ausgebildete Lehrkräfte besonders wichtig

Damit eine hochwertige Bildung in Deutschland erreicht werden kann, sind laut den Befragten speziell für den Beruf ausgebildete Lehrkräfte besonders wichtig (94 Prozent). Auch die Vermittlung von Problemlösungskompetenzen (94 Prozent), sozialen Kompetenzen (93 Prozent) und die umfangreiche Unterstützung und Zuwendung beim Lernen durch die Lehrkräfte (91 Prozent) sind relevant. Dagegen finden mehr als die Hälfte der Jugendlichen, dass mit digitalen Medien wie Smartboards oder Tablets ausgestattete Klassenräume unwichtig für eine hochwertige Bildung sind (55 Prozent). „Die Antwort der Jugendlichen zeigt: Die politischen Diskussionen um die technische Ausstattung von Klassenzimmern greift viel zu kurz. Was nützt den Schülern ein Tablet, wenn digitales Lernen immer noch nicht selbstverständlicher, fächerübergreifender Teil ihres Unterrichts ist? Dafür braucht es mutige Bildungskonzepte und gut ausgebildete Lehrkräfte“, betonte DKJS-Geschäftsführerin Heike Kahl.

Auch die Umsetzung der inklusiven Beschulung ist nach Ansicht der Mehrheit der Befragten verbesserungswürdig. So glaubt weniger als ein Viertel (22 Prozent), dass die Schulen gut auf Kinder mit geistiger Behinderung vorbereitet sind, Kritisch wird auch der gemeinsame Unterricht mit Schüler*innen gesehen, die unter Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsproblemen leiden (33 Prozent) oder über mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (33 Prozent). Häufiger glauben die 14- bis 21-Jährigen allerdings an die Inklusion von Kindern aus sozial schwacher Herkunft (59 Prozent), Schüler*innen mit einer Lernschwäche (59 Prozent) oder jungen Menschen mit einer körperlichen Behinderung (55 Prozent).

Lebenslanges lernen wird an Bedeutung zunehmen

Die große Mehrheit der Befragten ist darüber hinaus der Ansicht, dass das lebenslange Lernen wichtiger werden wird (71 Prozent). Die wichtigsten Kenntnisse und Fähigkeiten für die persönliche berufliche Zukunft sind dabei Selbstorganisation (97 Prozent), Höflichkeit und Toleranz gegenüber anderen Menschen (96 Prozent), Kenntnisse der deutschen Sprache (93 Prozent) und von Fremdsprachen (87 Prozent). Auslandserfahrungen (47 Prozent) oder Kenntnisse in Kunst, Musik und Literatur (30 Prozent) sind für die jungen Erwachsenen dagegen weniger relevant.

Dass sich Deutschland auch weltweit dafür einsetzt, dass Bildungssysteme inklusiv, chancengerecht und hochwertig werden, hält die große Mehrheit für wichtig (83 Prozent). Wilfried Vyslozil, Vorstandsvorsitzender der SOS-Kinderdörfer weltweit gab an, die Botschaft verstanden zu haben: „Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland geben einen wichtigen Auftrag an uns. Die Bildungschancen müssen weltweit verbessert werden, vor allem dort, wo bittere Armut herrscht und Bildung eher marginal stattfindet.“ Mit guter Bildung werde seiner Ansicht nach der „Generationenfluch der Armut gebrochen“ und eine nachhaltige Verbesserung erreicht.

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