SONDIERUNGEN : Deutscher Juristinnenbund: "Frauenpolitik verdient ein eigenes Kapitel"

19. Januar 2018 // Dr. Ute Schulz / Holger H. Lührig

Einen gleichstellungspolitischen Stillstand in Deutschland befürchtet der Deutsche Juristinnenbund (djb), wenn CDU/CSU und SPD auf der Grundlage ihres Sondierungspapiers eine Koalition bilden würden. „Frauen- und Gleichstellungspolitik wird offenkundig nicht als Querschnittsaufgabe verstanden, sondern in einem kurzen, wenig innovativen Abschnitt ausgerechnet unter der Überschrift ‚Familie, Frauen und Kinder‘ abgehandelt“, bewertete djb-Präsidentin Prof’in Maria Wersig das Gesprächsergebnis der beiden Parteien. Das Papier enthalte eine Reihe von Leerstellen und für die darin formulierten Ziele sehe der djb konkreten Nachbesserungsbedarf.

Bild: Eigene Homepage
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zwd Berlin. In seiner am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme zu den Ergebnissen der Sondierungsverhandlungen bezeichnete der Juristinnenbund die Absicht der potenziellen Koalitionspartner*innen, im Hinblick auf mehr Frauen in Führungspositionen der Privatwirtschaft besonderes Augenmerk auf Unternehmen zu lenken, die sich die Zielvorgabe „Null“ für den Frauenanteil in höchsten Führungsfunktionen gesetzt haben, zwar als einen positiven Ansatz. Notwendig seien jedoch verbindliche Pflichten und Sanktionen sowie eine verbindliche Quotenregelung für alle Unternehmen. Auch das vom djb begrüßte Bekenntnis, die Gleichstellung in den Leitungsfunktionen des Öffentlichen Dienstes bis 2025 zu erreichen, bleibe als Zielformulierung im Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) wirkungslos. Der Juristinnenorganisation forderte deshalb eine gesetzliche Schranke der Praxis der Ausdifferenzierungen von Leistungs- und Befähigungskriterien sowie die Abschaffung der „im besten Fall nur überflüssigen Männerquote“.

Der Vorgabe des Sondierungspapiers, die Evaluation des Entgelttransparenzgesetzes bis 2019 abzuwarten, widersprach der djb mit der Feststellung, dass die derzeit geltende gesetzliche Regelung nicht die Kriterien eines wirksamen Gesetzes erfülle. Vielmehr gelte es, Betriebe zur geschlechtsdifferenzierten Entgeltanalyse mittels zertifizierter Verfahren und zur Einführung geschlechtergerechter Entgeltregelungen gesetzlich zu verpflichten. Notwendig seien Regelungen für Sanktionen bei Verstößen oder Untätigbleiben und rechtliche Sanktionsmöglichkeit mittels Verbandsklage oder durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei Fehlverhalten oder Unterlassen der Arbeitgeber.

Auch das im Sondierungspapier verabredete Aktionsprogramm zur Prävention und Unterstützung von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern ist aus Sicht des Juristinnenbundes nicht ausreichend. Es fehlten Aussagen zum finanziellen Rahmen. Der djb empfahl, Maßnahmen zur vollständigen Istanbul-Konvention und zur Bekämpfung von Gewalt im digitalen Raum in das Aktionsprogramm aufzunehmen.

Die Ausweitung der Mütterrente ist nach Auffassung des djb eine fragliche Maßnahme, die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Er empfahl, „auf Anreize für eine eigenständige und unzureichende Altersvorsorge zu verzichten“ und bei der Zukunft der gesetzlichen Rente nicht nur ihre Finanzierbarkeit zu diskutieren, sondern auch die Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen und Männern.

Für etwaige Koalitionsverhandlungen forderte der djb, rechtliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Frauen in Parteien, bei ihrer Positionierung auf Listenplätzen und in Wahlkreisen vorzunehmen, den Paragraphen 219a abzuschaffen, Ehegattensplitting, Lohnsteuerklasse V und die sogenannten Mini-Jobs zu beseitigen, die die eigenständige Existenzsicherung von Frauen verhindern, und keine weitere Eingriffe auf das Asylrecht vorzunehmen, sondern geschlechtsspezifische Fluchtgründe anzuerkennen sowie für angemessene und sichere Unterbringung insbesondere von weiblichen Geflüchteten zu sorgen.

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