DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT : DFG beschließt Förderung von zehn neuen Forschungsgruppen

20. September 2019 // ticker

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet acht neue Forschungsgruppen, eine Klinische Forschungsgruppe und eine Kolleg-Forschungsgruppe ein. Dies beschloss der Hauptausschuss der DFG auf Empfehlung des Senats in Bonn.

zwd Bonn. Die neuen Verbünde erhalten insgesamt rund 32 Millionen Euro inklusive einer 22-prozentigen Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten.

Bei den neuen Forschungsgruppen kommt erstmals eine 2018 von Senat und Hauptausschuss beschlossene Verlängerung der Förderdauer zum Tragen. Die maximale Förderdauer der Forschungsgruppen und Klinischen Forschungsgruppen, deren Antragsskizzen ab dem 1. Oktober 2018 eingereicht wurden, beträgt nun zweimal vier Jahre. Dies gilt für eine der neu eingerichteten Forschungsgruppen. Anträge, die auf Skizzen basieren, die vor dem 1. Oktober 2018 eingegangen sind, werden weiterhin mit einer Laufzeit von zweimal drei Jahren gefördert. Kolleg-Forschungsgruppen können wie bisher zweimal vier Jahre gefördert werden.

Zusätzlich zu den zehn Einrichtungen wurde die Verlängerung von sechs Forschungsgruppen, einer Klinischen Forschungsgruppe und einer Kolleg-Forschungsgruppe für eine zweite Förderperiode beschlossen. Forschungsgruppen ermöglichen Wissenschaftler*innen, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Klinische Forschungsgruppen sind zusätzlich durch die enge Verknüpfung von wissenschaftlicher und klinischer Arbeit charakterisiert. Kolleg-Forschungsgruppen sind wiederum speziell auf geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeitsformen zugeschnitten.

Die zehn neuen Verbünde im Einzelnen:

  • Ein nachhaltiges Energiesystem könnte zukünftig auf Wasserstoff basieren. Die Herstellung dieses Energiespeichers erfolgt durch Elektrolyse. Allerdings finden bei der Wasserelektrolyse Reaktionen statt, die einen wesentlichen Teil der elektrischen Leistung verbrauchen. Um den Prozess energiesparender zu gestalten, sind alternative anodische Reaktionen notwendig. Die Forschungsgruppe „UNODE – Unusual Anode Reactions“ erforscht neue anodische Oxidationsreaktionen. Langfristig will sie so die Lücke zwischen den Grundlagen organischer Elektrochemie und der Elektrokatalyse für die Synthese großtechnisch relevanter Verbindungen schließen. (Sprecher: Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann, Universität Bochum)
  • Zunehmend werden Kirchen verkauft, umgenutzt oder abgerissen, obwohl die Akzeptanz von Kirchengebäuden und das Festhalten an ihnen weitaus verbreiteter sind, als es die gegenwärtigen Schrumpfungsprozesse in den Kirchen erwarten lassen. Im Alltag empfinden auch nicht religiös geprägte Menschen sakrale Räume als wertvoll, diese bieten somit auch der breiteren Bevölkerung eine Möglichkeit der Orientierung und Identifikation. Der mit dem Rückbau der Kirchen einhergehende Transformationsprozess verläuft dabei überwiegend unstrukturiert. Hier ansetzend, will die Forschungsgruppe „Sakralraumtransformation. Funktion und Nutzung religiöser Orte in Deutschland“ durch die Zusammenführung unterschiedlicher Forschungsansätze eine praxisrelevante Theorie des sakralen Raumes im 21. Jahrhundert erarbeiten. (Sprecher: Prof. Dr. Albert Gerhards, Universität Bonn)
  • In vielen Wissenschaftsgebieten werden Vorgänge mit partiellen Differentialgleichungen modelliert. Die mathematische Forschungsgruppe „Vector- and Tensor-Valued Surface PDEs” untersucht die Eigenschaften bisher wenig erforschter partieller Differentialgleichungen. Durch die immer genaueren Messungen und Modellierungsansätze, beispielsweise für Zellmembranen, rücken neue Gleichungstypen in den Fokus, darunter partielle Differentialgleichungen auf (beweglichen) Oberflächen. Mit ihrer Hilfe lässt sich das Bewegungsverhalten von Zellen beschreiben, wobei vektorielle Informationen, also Richtungsinformationen, eine wichtige Rolle spielen. (Sprecher: Prof. Dr. Axel Voigt, TU Dresden)
  • Bislang konzentrierte sich die Erforschung der Spätantike auf den Osten des Mittelmeers, den Vorderen Orient sowie auf den zentralasiatischen Bereich. Die Kolleg-Forschungsgruppe „Romanization and Islamication in Late Antiquity – Transcultural Processes on the Iberian Peninsula and in North Africa” nimmt nun den Westen des Mittelmeers in den Fokus. Der Blick auf das westliche Nordafrika und die Iberische Halbinsel verspricht nicht nur wegen der zahlreichen historischen und kulturellen Verbindungen neue Einblicke. Die beiden Regionen haben auch unterschiedliche Entwicklungen erfahren, etwa dass in Afrika das Romanische verschwand, während es in Spanien fortdauerte. (Sprecherin: Prof.´in Dr. Sabine Panzram, Universität Hamburg)
  • Ziel der Forschungsgruppe „Sialinsäure als Regulator in Entwicklung und Immunität“ ist es, die Rolle von Modifikationen durch Zuckermoleküle, sogenannte Glycosylierungen, auf organismischer, zellulärer und molekularer Ebene zu beschreiben. Dabei will der Verbund das Zusammenspiel von Aspekten der Entwicklung und der Immunität vor allem für einen bestimmten Zuckerrest, die Sialinsäure, untersuchen. Bislang wurden Glycosylierungen wegen ihrer Komplexität und Vielfältigkeit nicht eingehend untersucht. Inzwischen weiß man jedoch, dass ihnen eine wichtige Rolle in vielen biologischen und Krankheitsprozessen zukommt. (Sprecherin: PD´in Dr. Martina Mühlenhoff, Medizinische Hochschule Hannover)
  • Die Forschungsgruppe „Biotische Interaktionen, Artengemeinschaften und öko-evolutionäre Dynamiken als Steuergrößen von Langzeitzusammenhängen zwischen Biodiversität und Ökosystemfunktionen“ will herausfinden, welche Mechanismen kurz- und langfristig den Zusammenhang von Biodiversität und Ökosystemfunktionen beeinflussen. Es ist bekannt, dass Biodiversität zentral für die Funktionsweise von Ökosystemen ist, die zugrundeliegenden ökologischen und evolutionären Mechanismen sind jedoch nur teilweise verstanden. Diese untersucht der Verbund mit neuen experimentellen und analytischen Methoden in einem der am längsten laufenden Biodiversitätsexperimente Europas, dem Jena Experiment. Die Forschungsgruppe ist die erste, die nach der 2018 verabschiedeten Neuregelung der Laufzeit für zunächst vier Jahre gefördert wird. (Sprecher: Prof. Dr. Nico Eisenhauer, Universität Leipzig)
  • Eine systemische, im gesamten Körper gleichermaßen stattfindende Entzündungsreaktion oder Sepsis kann schwere Schäden oder gar das Versagen eines oder mehrerer Organe auslösen. Ziel der Klinischen Forschungsgruppe „Organdysfunktion im Rahmen systemischer Inflammationssyndrome“ ist es, die für diesen Vorgang relevanten molekularen, immunologischen und zellulären Signalwege zu identifizieren und zu untersuchen sowie Behandlungsstrategien zu entwickeln. (Sprecher: Prof. Dr. Alexander Zarbock, Universität Münster)
  • Die Forschungsgruppe „Next Generation Perturbative QCD for Hadron Structure: Preparing for the Electron-Ion Collider” arbeitet an der Schnittstelle zwischen Hadronenphysik und Hochenergie-Teilchenphysik. Sie will mittels theoretischer Untersuchungen Informationen über die Struktur stark wechselwirkender Teilchen, sogenannter Hadronen, gewinnen. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich darüber hinaus neue Rückschlüsse auf eine Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik. (Sprecher: Prof. Dr. Vladimir Braun, Universität Regensburg)
  • Wie Menschen die äußere und innere Welt mental abbilden, ist eine zentrale Frage der Kognitionspsychologie. Die Forschungsgruppe „Modale und amodale Kognition: Funktionen und Interaktionen“ untersucht die Funktion und das Zusammenspiel verschiedener Repräsentationsformen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verknüpfen dabei zwei bislang getrennt betrachtete Repräsentationsformate, ein sprachnahes (amodal) und ein nichtsprachliches (modal). Dadurch sollen neue Erkenntnisse für verschiedene Teilgebiete der kognitiven Psychologie – Wahrnehmung, Handlung, Sprache, Denken und Lernen – sowie für die klinische und die Entwicklungspsychologie gewonnen werden. (Sprecherin: Prof.´in Dr. Barbara Kaup, Universität Tübingen)
  • Google oder Starbucks sind nur zwei Beispiele für große multinationale Konzerne, die durch Gewinnverlagerung und Steuerumgehung eine aggressive Steuervermeidungsstrategie verfolgen. Die Forschungsgruppe „Die Wirkung von internationalen Steuerinstitutionen auf das Verhalten von multinationalen Unternehmen“ analysiert, wie multinationale Unternehmen ihre Handlungen direkt und indirekt an die internationalen Steuervorschriften anpassen. Dabei sollen auch die realwirtschaftlichen Konsequenzen und mögliche Wohlfahrtseffekte untersucht werden. (Sprecher: Prof. Dr. Georg Wamser, Universität Tübingen)

Die acht für eine zweite Förderperiode verlängerten Verbünde:

  • Kolleg-FOR „The International Rule of Law – Rise or Decline? Zur Rolle des Völkerrechts im globalen Wandel“ (Sprecher: Prof. Dr. Georg Nolte, HU Berlin)
  • FOR „Journalliteratur: Formatbedingungen, visuelles Design, Rezeptionskulturen“ (Sprecherin: Prof.´in Dr. Nicola Kaminski, Universität Bochum)
  • FOR „Schaltbare metallorganische Gerüstverbindungen (MOF-Switches)“ (Sprecher: Prof. Dr. Stefan Kaskel, TU Dresden)
  • FOR „Multifunktionale Stoff- und Energiewandlung“ (Sprecher: Prof. Dr. Burak Atakan, Universität Duisburg-Essen)
  • FOR „Artificial Gauge Fields and Interacting Topological Phases in Ultracold Atoms“ (Sprecher: Prof. Dr. Walter Hofstetter, Universität Frankfurt am Main)
  • KFO „(Prä-)terminales Herz- und Lungenversagen: Mechanische Entlastung und Reparatur“ (Sprecher: Prof. Dr. Johann Bauersachs, Medizinische Hochschule Hannover)
  • FOR „From few to many-body physics with dipolar quantum gases“ (Sprecherin: Prof.´in Dr. Silke Ospelkaus, Universität Hannover). Die Forschungsgruppe wird von der DFG und dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) gemeinsam gefördert.
  • FOR „The Epistemology of the Large Hadron Collider” (Sprecher: Prof. Dr. Gregor Schiemann, Universität Wuppertal)

Im Ganzen fördert die DFG zurzeit 164 Forschungsgruppen, 10 Klinische Forschungsgruppen und 13 Kolleg-Forschungsgruppen.

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