IN EIGENER SACHE : Digital oder gedruckt?

5. Juni 2019 // Holger H. Lührig

Liebe Leserinnen und Leser, vor 34 Jahren habe ich mit einigen bildungs- und frauenpolitisch engagierten Mitstreiter*innen den ­zweiwochendienst BILDUNG – WISSENSCHAFT – KULTURPOLITIK gegründet. Seitdem erschien der „zwd” jede zweite Woche (20 Mal im Jahr). Ein Jahr später, 1986, kam die Monatszeitschrift „zwd FRAUEN UND POLITIK” hinzu. Als Ende der 90er Jahre das Internet eine wachsende Bedeutung gewann, war ich überzeugt, dass es den „zwd” als Printausgabe nicht mehr allzu lange geben würde. Doch ganz so schnelllebig war die Zeit nicht, denn die Printausgabe überlebte trotz Internet. Im Netz sind wir seit 1996 präsent – unter www.zwd.info.

Trotz der Ausbreitung der „Kostenlos”-Mentalität hat das zwd-Geschäftsmodell – Print plus Online (mit passwortgeschützten Inhalten) – für viele Leser*innen seinen Stellenwert behalten. Aber die Finanzbehörden haben mit ihrer Entscheidung, das ergänzende Internet-Angebot zu den Printausgaben mit 19 Prozent zu versteuern, uns wie anderen Verlagen eine weitere Hürde beschert. Nicht zulässig ist seitdem, dass das die Zeitschriftenproduktion ergänzende Online-Angebot kostenfrei angeboten wird. Die Konsequenz ist, dass wir die Rechnungen zwischen Print (7 %) und Online (19 %) splitten müssen (wir haben das Verhältnis drei Viertel zu einem Viertel zur ­Grund-age gemacht). Gleichwohl hat die Vorgabe der Finanzbehörden bei einigen unserer Leser*innen zu Irritationen geführt. Jetzt scheint es Licht am Horizont zu geben: Digital produzierte Zeitungen und Zeitschriften sollen mit gedruckten steuerlich gleichgestellt werden. Das würde unsere Rechnungslegung sehr erleichtern und ebenso für andere Verlage auch.

Im Jahre 2014 haben wir – aus sowohl inhaltlichen als auch aus wirtschaftlichen Gründen – den bildungspolitischen „zweiwochendienst” mit dem Monatsmagazin FRAUEN UND POLITIK vereinigt und in das zwd-POLITIKMAGAZIN integriert. Das entsprach auch dem Credo der (gemeinnützigen) Gesellschaft Chancengleichheit e.V., die unser Magazin mitträgt.

Seitdem hat sich die Digitalisierung in allen Lebensbereichen weiter beschleunigt. Das Internet gehört zum Alltag: Jede Einrichtung, die etwas auf sich hält, betreibt eine eigene Webseite und versendet nicht selten auch zusätzlich Newsletter. Deren Qualität wird zumeist von der Interessenlage der Versendenden bestimmt.

Gleichwohl hat dies Konsequenzen für die ­Berichterstattung in Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Zeitschriften – und auch für uns. Je mehr sich ungeprüfte Informationsangebote über Twitter, Facebook etc. ausbreiten und Halbwahrheiten oder sogar Fake-News verbreiten, desto wichtiger wird Qualitätsjournalismus. Dass der seinen Preis hat, beginnt sich selbst auch unter denen langsam herumzusprechen, die mit glänzenden Augen an schnellen Twitter- oder Facebook-Meldungen hängen.

Unser Magazin wie auch das Portalangebot richtet sich an eine an fachlicher Qualität interessierte Leserschaft. Solide Recherche und die Berichterstattung über Fakten zu dem, was hinter oberflächlichen Tagesberichten und deshalb so nicht in der Zeitung oder im Netz steht, sind seit vielen Jahren unsere journalistische Leitlinie. Andererseits können wir nicht verkennen, dass die finanzielle Basis für Qualitätsjournalismus immer schmaler wird. Deshalb müssen wir über neue Wege in der Zukunft nachdenken. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich unsere ­Leserschaft zunehmend aufteilt in solche Abonnent*innen, die unser Magazin am liebsten nur noch digital bekommen möchten, und solche, die – aus unterschiedlichen Gründen – eher auf unser zusätzliches Online-Angebot verzichten und die Zeitschrift nur noch in gedruckter Form haben möchten. Die Entscheidung für Print oder Digital ist, wie wir feststellen, nur scheinbar eine Frage des Lebensalters.

Je unübersichtlicher die Informationslandschaft wird, desto stärker wächst das Interesse an gedruckten Zeitungen und Zeitschriften wieder, die man/frau in der Hand halten, stressfreier in der Bahn oder mit Ruhe zu Hause lesen und eventuell auch aufheben kann. Doch die ökonomischen Bedingungen für Fachzeitschriften werden immer prekärer.

Die Gesellschaft wird sich Gedanken machen müssen, wie Meinungsvielfalt erhalten werden kann. Diese darf nicht allein vom Wohlwollen von Sponsoren oder von privatwirtschaftlich ­interessierten Medienpartnern abhängen. Öffentlich-rechtliche Finanzierungsmodelle, wie sie in skandinavischen Ländern angedacht werden, sollten auch hierzulande ernsthaft in Betracht gezogen werden. Auch ein Genossenschafts- oder Stiftungsmodell ist für mich vorstellbar, wenngleich nicht alle Beispiele vielversprechend erscheinen.

Einladung zum Diskurs

Mit der Gesellschaft Chancengleichheit e.V. wollen wir darüber in diesem Jahr eine Debatte in Gang setzen. Alle Interessierten laden wir ein, an diesem Diskurs mit eigenen Beiträgen mitzuwirken. Im Verlaufe des Jahres wollen wir diese Thematik im Rahmen einer Fachtagung vertiefen. Wer im Vorfeld Diskussionsbeitrage beisteuert, den/die laden wir schon jetzt zu einem Forum in Berlin ein, in dem wir über die Zukunft und über Modelle der frauen- und bildungspolitischen Publizistik diskutieren wollen. Einige Fragestellungen haben wir nachstehend formuliert. Sie betreffen auch die Zukunft des zwd-POLITIKMAGAZINs, das sich nicht nur neu aufstellen muss, sondern auch vor einem Generationswechsel steht.

Weitere Informationen zu unserem Call for Papers finden Sie hier.

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