zwd-CHEFREDAKTEURIN HILDA LÜHRIG-NOCKEMANN : Theologinnen gehören nicht nur auf die Kanzel, sondern auch in die ersten Reihen der kirchlichen Gremien

18. Mai 2017 // ticker

Gerade einmal drei Frauen in 20 Gliedkirchen an der Spitze! Sind Ilse Junkermann (Mitteldeutschland), Annette Kurschus (Westfalen) und Kirsten Fehrs (Nordkirche) nun in der Kirche ein Signal der Hoffnung oder Resignation? Zum Vergleich: Auch auf Bundesebene stehen nur drei Frauen an der Spitze von 16 Landesregierungen. Gerade einmal 18,75 Prozent der Bundesländer und 15 Prozent der Landeskirchen werden von Frauen geleitet – beide weit entfernt von einer 30-Prozentquote, geschweige denn von einer Parität.

Chefredakteurin Hilda Lührig-Nockemann
Chefredakteurin Hilda Lührig-Nockemann

War auch 1992 mit der Wahl von Maria Jepsen zur weltweit ersten lutherischen Bischöfin – und 1993 von Heide Simonis (SPD) zur ersten Ministerpräsidentin –die Tür in diese Männerdomäne aufgestoßen, steht sie 25 Jahre später immer noch nicht für Theologinnen und Theologen gleich weit offen. Das erstaunt, denn schon Martin Luther postulierte das Priestertum aller Getauften und das schließt auch die Frauen ein. Doch erst circa 450 Jahre später führte Hannover 1961 als erste Landeskirche die Frauenordination ein, Schlusslicht war mit 30 Jahren Verzögerung die Evangelisch-lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe. Heute liegt der Frauenanteil im Pfarrdienst zwar bei rund 37 Prozent, in den kirchlichen Führungspositionen sind Frauen jedoch immer noch eine Minderheit. Prominente Theologinnen wie Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der EKD und jetzige Botschafterin für das Reformationsjubiläum, und Annette Kurschus, stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD, können nicht über das Missverhältnis von Frauen und Männern auf den Leitungsebenen hinwegtäuschen. Auch der erste, 2015 herausgegebene „Atlas zu Gleichstellung von Frauen und Männern in der evangelischen Kirche in Deutschland“ konstatiert, dass mit steigender Hierarchieebene der Frauenanteil sinkt. Ausnahmen seien die EKD-Synode mit einem Frauenanteil von 46 Prozent und der EKD-Rat mit einem Frauenanteil von 47 Prozent.

Schon 1989 hatte die EKD-Synode in Bad Krozingen weitreichende Beschlüsse für eine geschlechtergerechte Zukunft der Kirche gefasst. „Gerechtigkeit gegenüber Frauen erfordert ihre Einbeziehung in alle kirchlichen Bereiche, eine neue Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten für Männer und Frauen und eine frauengerechte Sprache“ wird in dem Synodenbericht ausdrücklich erwähnt. Ein Jahr später beschäftigte sich der Bund der Evangelischen Kirchen auf der Leipziger Synode mit dem gleichen Thema. Der Grundstein für ein Ende der Diskriminierung von Frauen in der Kirche war gelegt!

Aber eben nur in der Theorie. Die Praxis zeigt, dass es an der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Kirche noch hapert. Selbst im Kontext des Reformationsjubiläums wurde das deutlich. In der Lutherdekade wurde der Anteil der Frauen in und an der Reformation schlicht übergangen. Keines der zehn Themenjahre wurde den Frauen gewidmet. Auch von politischer Seite werden die Frauen in der Reformation benachteiligt. Während die drei Luther-Sonderausstellungen in Berlin, auf der Wartburg und in Wittenberg aus dem Hause von Kulturstaatsministerin Prof.´in Monika Grütters mit 5,5 Millionen Euro gefördert werden, fiel die Fördersumme für die Ausstellung zur Rolle der Frauen in und nach der Reformation im Bonner Frauenmuseum mit 30.000 Euro eher bescheiden aus.

Auch der Sprung in die sonntägliche Fernsehwelt zeigt: Theologinnen sind zwar präsent, aber immer noch nicht gleichberechtigt. Dem Sprecherteam der ARD-Serie „Wort zum Sonntag“ gehören acht Sprecher*innen an – fünf Männer und drei Frauen. Immerhin eine Frauen-Quote von 37,5 Prozent! Sieht man sich jedoch über den Zeitraum von Anfang November bis Ende April deren Einsatz an, verschlechtert sich das Bild. 16 Mal waren die Männer mit ihrer Ansprache im Fernsehbild, sieben Mal die Frauen. Zu nahezu 70 Prozent bestimmte dementsprechend das männliche Geschlecht die Thematik der Sendung, mit genau 30,43 Prozent das weibliche. So wird –wenn auch ungewollt –den Fernsehkonsument*innen suggeriert, dass der Mann der kompetentere Theologe ist.

Soll 500 Jahre nach der Reformation das von Luther benannte Priestertum aller Getauften – auch wenn er sich das damals nicht so vorgestellt hat – die Frauen tatsächlich einschließen, dann bedeutet das die Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf allen Ebenen der evangelischen Kirche. Fortschritte sind in den vergangenen Jahren gemacht worden, aber sie dürfen nicht zur Zufriedenheit und damit Stagnation führen. Zu den in Bad Krozingen gefassten Beschlüssen müssen die reformatorischen Kirchen offensiv stehen. Vor diesem Hintergrund laden wir ein zur Debatte über das Thema:

„Wie muss die Zukunftsgestaltung aussehen, damit Theologinnen nicht nur auf der Kanzel sichtbar sind, sondern auch in den ersten Reihen der kirchlichen Gremien?“

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