CORONA-EPIDEMIE : Einigung der Koalition: Kredite für Studierende, kein Krisen-BAföG

30. April 2020 // Ulrike Günther

Für viele Studierende wird die Corona-Krise zum Problem, da plötzlich wichtige Einkünfte aus Nebenjobs fehlen. Nach wochenlangem Streit haben sich Union und SPD nun geeinigt: Um finanzielle Zwangslagen abzumildern, bieten sie Student*innen Überbrückungskredite an, jedoch nicht das von der SPD geforderte Krisen-BAföG. Grüne, Gewerkschaften und Studierendenverbände protestieren gegen die Entscheidung.

Viele Studierende haben in der Krise Geldsorgen - Bild: Pixabay / Dieter G.
Viele Studierende haben in der Krise Geldsorgen - Bild: Pixabay / Dieter G.

zwd Berlin. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) setzte sich in den Verhandlungen mit ihrem Vorschlag durch, an die Student*innen zinslose Darlehen zu vergeben. Nach Informationen der ARD können Studierende ab dem 08. Mai bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Rückzahl-Kredite von bis zu 650 Euro monatlich beantragen. Diese Regelung soll bis zum März 2021 gelten. Die ersten Gelder würden schon ab Anfang Juni an die Studierenden fließen, hieß es aus dem Bildungsministerium (BMBF). Das von der SPD, aber auch von den Grünen, der Erziehungsgewerkschaft GEW, Studierenden sowie den Bundesländern verlangte Krisen--BAföG soll es nicht geben.

Auf Betreiben der Sozialdemokrat*innen will die Koalition zusätzlich zu den Überbrückungshilfen bei den Studierendenwerken einen Nothilfefonds in Höhe von 100 Millionen Euro einrichten, aus dem nachweislich bedürftige Student*innen unbürokratisch Zuschüsse bekommen können. Finanziert wird dieser Fond zunächst aus überschüssigen BAföG-Mitteln.

SPD: Krisen-BAföG scheitert an Karliczeks ideologischer Abwehrhaltung

Der bildungspolitische Sprecher der SPD Oliver Kaczmarek zeigte sich zwar erfreut, dass seine Fraktion diese direkten Hilfen für existenzbedrohte Studierende in der Koalition durchgekämpft habe. Er verlieh allerdings seinem Unmut darüber Ausdruck, dass die von der SPD angestrebte elternunabhängige Öffnung des BAföG-Bezugs für in krisenbedingte finanzielle Engpässe geratene Studierende „am ideologischen Widerstand der Bildungsministerin gescheitert“ sei.

Kritik an Karliczek kam auch von den Jusos. Das Vorstandsmitglied der Juso-Hochschulgruppe Oliver Nerger sagte, die Bildungsministerin habe einmal mehr erwiesen, „dass sie nicht willens ist, Studierenden in finanzieller Not zu helfen.“ Er warf Karliczek vor zuzulassen, dass Student*innen sich durch Kredite hoch verschuldeten, und stellte in Frage, ob sie als Ministerin noch tragbar sei.

Grüne: Koalition stürzt Menschen in Studienabbrüche oder Schulden

Die Grünen-Fraktion wandte sich entschieden gegen den von der Koalition ausgehandelten Kompromiss. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen Kai Gehring nannte die angebotene Unterstützung in Form von Rückzahl-Krediten „langsam, unsozial und zynisch“. Für einen großen Teil der Student*innen entwickele sich die Corona-Krise „zur Bildungskrise und Schuldenfalle“, da die Bildungsministerin ihnen ein ihre Lebensgrundlage absicherndes Nothilfe-BAföG verweigere.

Gehring äußerte sich fassungslos darüber, dass die Regierung nicht bereit sei, hunterttausenden, während der Epidemie um ihren Job und lebenswichtige Einkünfte gebrachten Student*Innen, anders als Menschen in anderen gesellschaftlichen Bereichen, Zuschüsse zu zahlen. Weder Union noch SPD hätten sich tatsächlich für eine wirksame Krisen-Hilfe und Bildungsgerechtigkeit eingesetz. Stattdessen stürzten sie die Studierenden geradezu in den Abbruch ihres Studiums oder bürdeten ihnen hohe Schuldenlasten auf.

GEW fordert Soforthilfe wie für Selbständige

Ähnlich kritisch nahm die GEW zu dem Nothilfe-Plan der Koalition Stellung. Der stellvertretende Vorsitzende der GEW Dr. Andreas Keller bezeichnete die angebotenen Überbrückungsdarlehen als einen „Strohhalm“ für Studierende in finanziellen Schwierigkeiten. Er beanstandete aber, dass man den Student*innen das Anhäufen von hohen Schulden zumute. Wie für die Selbständigen und die Unternehmen sollte die Regierung nach Kellers Ansicht den Studierenden eine Soforthilfe als Zuschüsse zahlen, die sie nicht wieder rückerstatten müssten. Ansonsten sieht auch der GEW-Vize die Gefahr, dass viele junge Leute ihr Studium abbrechen könnten.

Student*innen verlangen Rücktritt der Ministerin

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) missbilligte mit scharfen Worten die von der Koalition vereinbarte Kredit-Hilfe und forderte sogar den Rücktritt von Bildungsministerin Karliczek. Das Darlehen bedeute „ein Versagen des Sozialstaats gegenüber den Studierenden“, erklärte fzs-Vorstandsmitglied Amanda Steinmaus. Viele Student*innen mit nicht-akademischem Elternhaus oder nicht-deutschem Herkunftsland würden eher ihre Hochschulausbildung abbrechen als eine Überschuldung in Kauf nehmen.

Leonie Ackermann, ebenfalls aus dem fzs-Vorstand, bemängelte außerdem die zu geringe Höhe des Kredit-Betrages. Davon könne man bei den üblichen Mietpreisen für einfache WG-Zimmer nicht leben. Den angekündigten Nothilfefonds wies sie als völlig unzureichend für die rund eine Million Student*innen ohne Jobeinkünfte aus. Ackermann monierte, dass die Regierung für den Fonds nicht wenigstens auf die weiteren 800 Millionen Euro an ungenutzten BAföG-Reserven zurückgreife. Karliczek fahre Ackermann zufolge eine „Verzögerungstaktik“ und wolle nur von ihrem Versagen bei der BAföG-Reform 2019 ablenken. Die Bildungsministerin solle daher zurücktreten.

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