DIGITALISIERUNG SCHULE : Land Berlin und SPD: Einsatz für gleiche Chancen beim Lernen

3. Juli 2020 // Ulrike Günther

Die Corona-Krise zwingt Schüler*innen zum Online-Lernen zu Hause. Wer keinen Computer hat, ist schnell vom digitalen Unterricht ausgeschlossen. Für sozial benachteiligte Kinder bleibt das Recht auf gleiche Bildung auf der Strecke. Daher hat das Land Berlin im Bundesrat einen Anspruch von Kindern auf mobile Geräte gefordert. Die FDP-Fraktion möchte das Antragsverfahren für Mittel aus dem DigitalPakt vereinfachen, und die SPD-Fraktion strebt eine „digitale Lernmittelfreiheit für alle“ an.

Schulkinder lernen mit einem digitalen Gerät. - Bild: Wikimedia.org / Brad Flickinger
Schulkinder lernen mit einem digitalen Gerät. - Bild: Wikimedia.org / Brad Flickinger

zwd Berlin. In einer am 03. Juli in den Bundesrat eingebrachten Entschließung (Drs. 357/20) setzt sich das rot-rot-grün regierte Land Berlin für eine Regelung ein, die für Kinder aus sozial schwachen Familien den Zugang zu internetfähigen Geräten, wie Tablet oder Laptop, gewährleistet. Demnach soll die Bundesregierung für Schüler*innen, deren Eltern Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II beziehen, zusätzlich zu den im Bildungs- und Teilhabepaket bereits enthaltenen Leistungen einen entsprechenden Anspruch im Gesetz verankern. Das Fehlen digitaler Ausstattung führe bei Kindern langfristig dazu, dass sie „von den Möglichkeiten digitaler Lernangebote und damit vom Lernen weitgehend abgeschnitten“ sind, heißt es in dem Entschließungsantrag. Um gerechte Chancen auf Bildung sicherzustellen, sei die Teilnahme am digitalen Lernen allen Schüler*innen gleichermaßen zu ermöglichen.

Land Berlin: Rechtsanspruch auf digitale Geräte gefordert

Mit dem zunehmenden digitalen Wandel würden Kinder ohne hinreichende digitale Ausrüstung vom Lernen überhaupt ausgegrenzt, gleiche Voraussetzungen im Erwerb von Bildung seien für sie im Vergleich mit digital besser versorgten Schüler*innen in dem Fall nicht mehr gegeben. Das ist nach Ansicht der Antragsteller*innen zu vermeiden: Das Land Berlin beruft sich auf eine Reihe von Urteilen verschiedener Sozialgerichte, zuletzt des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom Mai 2020, welche den Besitz eines Tablets oder Laptops als einen „grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf“ einstuften. Ähnlich wie das nordrhein-westfälische LSG entschieden laut dem Antrag schon vorher die Sozialgerichte Cottbus, Gotha und Hannover.

Die Verfasser*innen begrüßen zwar, dass Bund und Länder sich auf ein Sofortausstattungsprogramm (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) in Höhe von 500 Millionen Euro zusätzlich zum DigitalPakt Schule geeinigt haben. Das vom Bund und zu zehn Prozent auch von den Ländern finanzierte Programm soll die Digitalisierung an Schulen voranbringen und u.a. das Anschaffen von digitalen Geräten möglich machen. Einen individuellen Anspruch der betroffenen Schüler*innen könne das Hilfspaket nach Auffassung des Landes Berlin jedoch nicht ersetzen. Im September werden sich die Fachausschüsse des Bundesrates mit der Entschließung befassen.

SPD: DigitalPakt soll „digitale Lernmittelfreiheit“ ermöglichen

Den Herausforderungen, vor welche das digitale Lernen Schulen und Lehrkräfte stellt, widmet sich auch die SPD-Bundestagsfraktion in einem neu veröffentlichten Positionspapier. Darin setzen sich die Sozialdemokrat*innen das Ziel einer „digitalen Lernmittelfreiheit für alle“. Auf diese Weise wollen sie den Schulbetrieb in der Krise stärken und gerechte Bildungschancen verwirklichen. Konkret schlagen sie vor, Mittel aus dem DigitalPakt auch für die Ausstattung von Lehrkräften mit digitalen Geräten zu verwenden, die Arbeit der Lehrer*innen mit digitaler Technik durch an Schulen einzusetzende Bildungstechnolog*innen zu unterstützen und ihnen über Weiterbildungskurse Fachkenntnisse zu digitalen Lernmethoden zu vermitteln. Zu diesem Zweck sei der „Katalog förderfähiger Investitionen“ über den DigitalPakt zu erweitern.

Weiterhin sollten dem Papier zufolge das vom Bund über den DigitalPakt mit 100 Millionen Euro finanzierte Entwickeln digitaler Lehrmaterialien über das laufende Jahr hinaus fortgesetzt, mehr Mittel insbesondere in den Zugang von Schulen und Lehrkräften zu Online-Lernportalen investiert sowie sog. Open Educational Ressources (OER, online frei verfügbare Lernmaterlialien) gezielt gefördert werden. In diesem Zusammenhang fordern die Sozialdemokrat*innen das Bildungsministerium auf, die in Aussicht gestellte OER-Strategie vorzulegen, welche ihrer Auffassung nach auf die Förderung qualitativ hochwertiger Lernmaterialien ausgerichtet sein sollte.

Liberale kritisieren bürokratisches Antragsverfahren beim DigitalPakt

Mit den Erfordernissen der Digitalisierung an Schulen in Krisenzeiten und darüber hinaus beschäftigt sich auch ein am 02. Juli im Parlament verhandelter Antrag der FDP-Fraktion (Drs. 19/20582). Darin kritisieren die Liberalen, dass der digitale Wandel im Schulalltag nur zögerlich ankomme, was während der Krise dazu führe, dass Lehrkräfte improvisieren und auf private Ressourcen, wie E-Mails oder technische Geräte, zurückgreifen müssten. Gleichzeitig beanstanden die Antragsteller*innen, dass die Schulen von den über den DigitalPakt durch Bund und Länder bereitgestellten 5,5 Milliarden Euro erst rund 150 Millionen Euro abgerufen hätten. Das führen die Liberalen teilweise auf die im DigitalPakt vorgeschriebenen bürokratischen Antragsformalitäten zurück, denen gemäß Schulen vollständige Medienkonzepte vorlegen müssen, um an die Gelder zu gelangen.

Das Vorhandensein angemessener digitaler Ausstattung ist aus Sicht der FDP-Fraktion besonders wichtig, damit sich Schulen an die Anforderungen der Epidemie anpassen und, wie im Rahmenkonzept der Kultusministerkonferenz von Anfang Mai vorgesehen, eine Mischung aus Präsenz- und Onlineunterricht anbieten können. Zu den von Schulen schon vorher berichteten zeitlichen Belastungen, welche das Erstellen des Medienkonzeptes mit sich bringe, träten aufgrund der Schutzmaßnahmen in der Krise spezielle Handlungszwänge (z.B. Erarbeiten von Hygienekonzepten), welche die ohnehin knappen Arbeitskapazitäten übermäßig beanspruchten. Außerdem monieren die Liberalen, das Antragsverfahren sei vielerorts wenig nutzerfreundlich angelegt, was den Erhalt der nötigen Mittel für die digitale Ausstattung zusätzlich erschwere.

Damit Schulen schneller und unkompliziert von den Förderhilfen profitieren können, verlangt die FDP-Fraktion von der Regierung, Vorschriften aus dem DigtialPakt nach Möglichkeit zeitweilig außer Kraft zu setzen. Zudem schlagen die Liberalen vor, ein zentrales, nutzerfreundliches Online-Portal einzurichten, welches die Antragstellung weiter vereinfachen und beschleunigen würde. Weiterhin werben die FDP-Abgeordneten für einen schon in einem früheren Antrag (Drs. 19/10160) entworfenen Digitalpakt 2.0, der dafür sorgen soll, dass - u.a. durch Betreuung der digitalen Arbeit über IT-Techniker*innen, zeitgemäße Weiterbildungen für Lehrkräfte und Mittel zum Nutzen von Online-Lernangeboten -die modernen Unterrichtsmethoden verstärkt Eingang in den Schulalltag finden. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Bildungsausschuss überwiesen.


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