INITIATIVE STAYONBOARD : Elternurlaub für Firmenchef*innen: Lambrecht erwägt Gesetzesreform

6. Oktober 2020 // Ulrike Günther

Familie und Karriere lassen sich häufig nicht leicht vereinbaren: Wer im Vorstand eines Unternehmens sitzt und in Elternzeit gehen will, muss sein Mandat aufgeben. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) denkt daher über eine Gesetzesänderung nach, um Familienzeiten für Firmenvorstände zu gewährleisten. Die Grünen fordern zusätzlich eine Quote, um Führungsriegen frauenfreundlicher und vielfältiger zu machen.

Lambrecht (SPD): Karrieren sollten nicht unter Familienzeiten leiden. - Wikimedia.org / Armin Kübelbeck
Lambrecht (SPD): Karrieren sollten nicht unter Familienzeiten leiden. - Wikimedia.org / Armin Kübelbeck

zwd Berlin. Konkret erwägt Justizministerin Lambrecht nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, das Aktienrecht zu ändern. Dadurch soll es auch für Vorstände von börsennotierten Unternehmen möglich werden, Familienauszeiten für Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen zu nehmen. “Es ist nicht gut, dass Karrieren darunter leiden, wenn Frauen in Mutterschutz oder Väter in Elternzeit gehen”, erklärte Lambrecht am Dienstag (06. Oktober) gegenüber dem Handelsblatt. Ihr Ministerium habe das Thema im Blick.

Einen Anstoß zur Debatte um eine entsprechende Regelung für Mitglieder von Firmenvorständen hatte die Initiative stayonboard gegeben. Der Verband setzt sich für eine Änderung des Gesetzes ein. Bisher haben Vorstände von Aktiengesellschaften nach geltender Rechtslage keine Möglichkeit, ihr Mandat für einen begrenzten Zeitraum - z.B. zur Geburt eines Kindes oder zur Pflege von Familienangehörigen - ruhen zu lassen. Wenn Vorstände ihre Tätigkeit zeitweilig nicht ausüben können, bleiben sie durch das Aktienrecht an die Pflichten zur Leitung des Unternehmens gebunden. Dadurch sind sie faktisch gezwungen, ihr Mandat für Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit oder Pflege zurückzugeben.

Grüne fordern Frauenquote für Firmenvorstände

Auch die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Ulle Schauws sieht es als erforderlich an, die gesetzlichen Vorschriften zu ändern. Es könne nicht sein, „dass Führungskräfte eine mehrmonatige Auszeit nur machen können, wenn sie von ihrem Posten zurücktreten“. Auf diese Weise sei mit der Entscheidung „ein hohes persönliches Risiko“ verbunden, die geltenden Regelungen nannte Schauws „absolut familienfeindlich“.

Dass Vorstandsmitglieder indirekt vor die Alternative gestellt werden, sich entweder um Kinder zu kümmern oder beruflich Karriere zu machen, zeigt nach Auffassung der Grünen-Politikerin, welche „unzeitgemäß(en) und männlich geprägt(en)" Denkweisen auf den Führungsetagen in unserer Zeit noch herrschen. Damit Leitungsgremien tatsächlich „modern und vielfältig“ werden, fordert Schauws zusätzlich zur Änderung des Aktienrechtes eine festgelegte Quote für Unternehmensvorstände. Dass ca. 90 Prozent der Führungspositionen in den großen DAY-Konzernen mit Männern besetzt sind, sei nicht länger hinnehmbar,

Initiative strebt 6-monatige Familienzeit für Vorstandsmitglieder an

Die von der Aufsichtsrätin der comdirect Bank Verena Pausder, 5 Rechtsanwält*innen und einem Juraprofessor ins Leben gerufene Initiative stayonboard strebt eine Gesetzesänderung an, welche Mitglieder von Vorständen und anderen Führungsgremien in die Lage versetzen soll, ihre Leitungstätigkeit mit allen damit verbundenen Pflichten für bis zu 6 Monate auszusetzen.

Diese Familien- oder Ruhephase müsse aber mit dem Wohl des Unternehmens vereinbar sein, dürfe also nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt verlangt werden, so der Interessensverband. Der Aufsichtsrat hätte nach dem Willen der Initiative darüber zu entscheiden, in welcher Form die Aufgaben des in Auszeit befindlichen Vorstandsmitglieds – durch Vertretung, Arbeitsteilung im Gremium oder eine Neueinstellung – zu übernehmen sind. Nach Ablauf der Ruhezeit würde das Mandat automatisch wieder in Kraft treten.

Liberale und Unionspolitiker*innen unterstützen Änderungsvorschlag

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Thomas Sattelberger unterstützt die Initiative stayonboard ebenso wie seine Fraktionskollegin Nicole Bauer und der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion Jan-Marco Luczak. Die Tätigkeit in Vorstand oder Aufsichtsrat dürfe Themen rund um Familie, Kinder und Gesundheit nicht ausblenden, hob Sattelberger hervor.

Die frauenpolitische Sprecherin der Liberalen Bauer unterstrich, dass man für „echte Chancengleichheit“ auch „faire Rahmenbedingungen“ brauche. Die Gesetzgebung müsse die Voraussetzungen schaffen, wenn Frauen und Männer in Beruf und Privatleben Verantwortung übernehmen wollen. Der Unionsabgeordnete Lorczak sprach sich ebenfalls dafür aus, Vorstandsmitgliedern Auszeiten zu gewähren. Es sei „antiquiert“, wenn sie durch die sog. Haftungsrisiken wegen mehrerer Monate Elternurlaub dauerhaft auf ihre Stellung im Vorstand verzichten müssten.

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