HESSEN : „Entwicklungsland in Sachen Gleichstellung“

25. August 2013 // zwd Berlin (sk).

Die SPD sieht sich in ihrem Entwurf für ein neues Gleichberechtigungsgesetz bestätigt | Frauenbeauftragte kritisieren derzeitige Rechtslage und deren Umsetzung

Auf eine überwiegend positive Resonanz ist der Entwurf für ein neues Gleichberechtigungsgesetz (HGIG) der SPD-Landtagsfraktion in Hessen gestoßen. Bei einer ExpertInnen-Anhörung am 22. August im Sozialpolitischen Ausschuss des Wiesbadener Landtags begrüßte die Arbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten den Gesetzentwurf als „Schritt in die richtige Richtung“. Zugleich übten die Frauenbüros scharfe Kritik an den bestehenden landesgesetzlichen Regelungen, die dringend einer Novellierung bedürften. Noch schärfer äußerten sich nach der Anhörung die GRÜNEN, die der jetzigen Regierungskoalition von CDU und FDP "mangelndes Interesse an Geschlechtergerechtigkeit" vorhielten.

Die SPD-Landtagsfraktion sah sich aufgrund der Experten-Meinungen in ihrem Novellierungsvorhaben bestätigt. Hessen sei „Entwicklungsland beim Thema Gleichstellung von Frauen und Männern”, hatte die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Lisa Gnadl, schon bei einer ersten Anhörung mit Frauen- und Gleichstellungsbeauftragen am 20. Juni geäußert. Angesichts der schlechten Quoten, die Hessen im Vergleich der Bundesländer etwa bei der Besetzung von Führungspositionen in der Verwaltung erzielt – gerade einmal 9 Prozent –, werde dringend ein neues Gleichberechtigungsgesetz benötigt, um die Beschäftigungssituation und die Aufstiegschancen von Frauen im öffentlichen Dienst zu verbessern. Der Entwurf sieht unter anderem vor, eine zentrale, unabhängige Stelle der Gleichstellungsbeauftragten zur Beratung und Unterstützung des Landes einzurichten. Diese solle mit einem jährlichen Etat von 1,5 Millionen Euro ausgestattet werden und über ein Anhörungsrecht verfügen.

Zu dem Schluss, dass in Hessen erheblicher gleichstellungspolitischer Nachholbedarf besteht, kamen nach der letzten ExpertInnen-Anhörung auch die GRÜNEN. Sie unterstützten den SPD-Entwurf grundsätzlich, reklamierten aber auch Nachbesserungsbedarf vor allem in Detailfragen. Einig waren sich die Oppositionsfraktionen von SPD und GRÜNEN mit den Frauenbeauftragten im Hinblick auf die Kritik am bestehenden Gleichberechtigungsgesetz. Nach deren Einschätzung trägt die gegenwärtige Gesetzeslage dazu bei, dass die Frauenpolitik in Hessen stagniert und teilweise sogar rückläufig ist. Namentlich machten die Kritikerinnen dies an der unzureichenden und intransparenten Informationspolitik sowie an der mangelnden Beteiligung und fehlenden Widerspruchs- und Sanktionsmöglichkeiten der Gleichstellungsbeauftragten fest. Nach Auffassung der Grünen hat die Landesregierung das aktuell geltende Gesetz ausgehöhlt und ließe es nun ohne Neuauflage zum Jahresende einfach auslaufen. „Das zeigt in erschreckender Deutlichkeit, welchen Stellenwert CDU und FDP der Geschlechtergerechtigkeit beimessen – nämlich gar keinen“, kommentierte das die Sprecherin für Gleichberechtigungspolitik der Grünen, Monne Lentz.

Breite Unterstützung für den SPD-Gesetzentwurf

Von dem SPD-Entwurf für ein neues Gleichberechtigungsgesetz erwarten die Frauenbeauftragten vor allem mehr rechtliche Leitlinien und praktische Unterstützung bei ihrer Arbeit. Sie zählen dazu Verbesserungen durch Schaffung einer Clearingstelle, durch die Stärkung der Stellung der Frauenbeauftragten, Regelungen zur Sanktionierung bis hin zur Unwirksamkeit von Entscheidungen und Maßnahmen bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der Frauenbeauftragten und paritätische Gremienbesetzung mit 50 Prozent Frauen.

Nach Einschätzung von politischen Beobachtern kann vor dem Ende der Legislaturperiode aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Landtag nicht mehr damit gerechnet werden, dass der Gesetzentwurf verabschiedet wird. Wahrscheinlicher sei, dass die SPD und GRÜNE das Gesetz nach der Landtagswahl im September erneut auf den Weg bringen werden.

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