Die Zeit ist reif: Deutschland braucht nach Überzeugung des bildungspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst Dieter Rossmann, einen „Masterplan Ganztagsschule“. Mit diesem Plan, schreibt der Politiker in einem Beitrag für das Supplement Chancen. Gleichheit und Politik des zwd-Magazins für BILDUNG. GESELLSCHAFT UND POLITIK, in einem ersten Schritt bis 2015 ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes ganztägiges Angebot sichergestellt werden und in einem zweiten Schritt alle Schulen in Deutschland bis zum Jahr 2020 zu gebundenen beziehungsweise offenen Ganztagsschulen weiterentwickelt werden. Ziel, so Rossmann, sei die gebundene Ganztagsschule für alle! Der vollständige Beitrag (mit allen Tabellen) kann gegen Einsendung von 1,10 Euro in Briefmarken bestellt werden bei der Gesellschaft Chancengleichheit e.V.,c/o zwd, Luisenstr. 48, 10117 Berlin (Fax: 03022487484)
1. Ganztagsschule als Ziel
Ganztagsschule ist unverzichtbar
aus pädagogischen Gründen, weil Schule mehr Zeit für Bildung, individuelle Förderung und offene Schulgestaltung braucht
aus integrationspolitischen Gründen, weil Ganztagsschule besser als jede andere Schulform die sprachliche, kulturelle und soziale Integration von Kindern, Jugendlichen und Familien mit Migrationshintergrund leisten kann
aus sozialpolitischen Gründen, weil sich in Ganztagsschulen Bildungschancen für alle bzw. soziale und kulturelle Teilhabe am besten diskriminierungsfrei und mit niedrigen Zugangsschwellen organisieren lassen.
2. Ausgangslage
a) Die Bildung in Ganztagsschulen liegt hierzulande weit hinter den Verhältnissen in anderen europäischen Ländern zurück, in denen die Ganztagsschule traditionell das Regelangebot ist und selbstverständlich wahrgenommen wird. In Deutschland besuchten im Schuljahr 2008/09 etwa 9,024 Millionen Schülerinnen und Schüler die allgemeinbildenden Schulen. Davon besuchten etwa rund 1,931 Millionen Schulen mit Ganztagsbetrieb in offener oder gebundener Form. Nach KMK-Berechnung erreichen diese eine Quote von 24,1 Prozent. Gegenüber 2004 mit 12,5 Prozent hat sich der Anteil somit fast verdoppelt (KMK Bericht vom 30.04.2010), gegenüber 2002 mit einer Quote von 9,8 Prozent SchülerInnenanteil sogar um das 2,5 fache erhöht.
b) Für das Schuljahr 2008/09 weist das Statistische Bundesamt 34.917 allgemeinbildende Schulen aus, darunter 16.391 Grundschulen, 4.283 Hauptschulen, 2.625 Realschulen, 3.070 Gymnasien und 3.302 Förderschulen sowie 1.363 Schulen mit mehreren Bildungsgängen.
Darunter waren 11.825 Schulen mit Ganztagsbetrieb, das heißt rund 33,9 Prozent. Gegenüber 2004 mit 6.810 Schulen stieg die Zahl um rund 74 Prozent (KMK Bericht vom 30.04.2010), gegenüber 2002 mit 4.951 Schulen stieg die Zahl sogar um 138 Prozent (siehe Tabelle 1 und 2). Bei dem rasanten Ausbau ist festzustellen, dass insbesondere im Primarbereich sowie bei den Realschulen und Gymnasien die zwar kostengünstigere, aber pädagogisch weniger effektive offene Form deutlich überwiegt.
Der Anteil der Schülerinnen und Schüler in Ganztagesangeboten unterscheidet sich teilweise erheblich. Während an den integrierten Gesamtschulen, Schulen mit mehreren Bildungsgängen, den Förderschulen und auch an Hauptschulen ihr Anteil über dem Bundesdurchschnitt von 24,1% liegt, ist er bei den Realschulen, den Gymnasien und insbesondere im bildungsbiographisch wichtigen Primarbereich unterdurchschnittlich gering (siehe Tabelle 3).
c) Einen wesentlichen Zuwachs an Ganztagsschulen gab es durch das „Zukunftsprogramm Bildung und Betreuung“ (IZBB), das von Gerhard Schröder und der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn 2003 eingerichtet und mit vier Milliarden Euro Investitionsmitteln für die Jahre 2003–2009 ausgestattet worden war (Umsätze der Förderung des Programms siehe Tabelle 4 und 5).
3. Gemeinschaftsprojekt von Bund, Ländern und Kommunen
Für die Zukunft ist ein „Masterplan Ganztagsschule 2020“ zu erstellen, der in einer umfassenden Übereinkunft von Bund, Ländern und Kommunen entwickelt und beschlossen wird. Er muss klare Vereinbarungen über Zielsetzungen und Konzept, Ausbauphasen und Zwischenziele, Finanzierungsbedarfe und Finanzierungsbeteiligungen der verschiedenen politischen Ebenen enthalten.
a) Das Ziel von Ganztagsschule für alle ist nur schrittweise über einen Zehn-Jahreszeitraum von 2011–2020 anzustreben. Die Prioritätensetzung bei der ersten Phase bis 2015 sollte sich an Bedarfslagen in dem Sinne orientieren, dass zumindest alle Schulen mit einem nachhaltig höheren Anteil von Kindern aus Familien mit dem Recht auf Bildungsteilhabe – gemäß des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Reform des SGB II und XII – und von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund bis 2015 zur gebundenen Ganztagsschule ausgebaut werden. Für alle übrigen Schulen wird dieser Ausbau dann bis 2020 vorgenommen.
b) Das Ziel braucht den gemeinsamen Einsatz der Mittel von Bund, Ländern und Kommunen, und zwar sowohl in der Finanzierung von notwendigen Investitionsmitteln wie auch in der Finanzierung der laufenden Personalkosten. Hierfür kann es verschiedene Wege der Kooperation geben, die im Rahmen einer Grundsatzvereinbarung über den „Masterplan Ganztagsschule 2020“ zu klären sein werden:
Grundgesetzänderung über eine neue Kooperationsklausel auch für den Bereich schulische Bildung, die eine gemeinschaftliche Finanzierung von Bund und Ländern im Rahmen eines gemeinsamen Bund-Länder-„Masterplan Ganztagsschule 2020“ direkt ermöglichen würde – das heißt ein neuer Artikel 91b GG beziehungsweise 104b GG.
Allgemeine Finanzzuweisung des Bundes für den Bildungsbereich der Länder und entsprechende Verpflichtungserklärung der Länder und Kommunen, bis zum Jahr 2015 respektive 2020 entsprechende Zielzahlen an zusätzlichen Ganztagsschulen im Rahmen eines vereinbarten Konzeptes aufzubauen und dann auch entsprechend nachzuweisen.
c) Dabei muss deutlich werden, dass es eine klare Aufteilung im Bezug auf die laufenden Regelfinanzierungen von Ganztagsschulen gibt. Während zum Beispiel das -Essensprogramm – „eine warme Mahlzeit für jedes Kind“ – unter Sozialleistungsaufwendungen rangiert und entsprechend in den Sozial- beziehungsweise Jugendhaushalten zu etatisieren ist, sind die pädagogischen Leistungen aus den Bildungshaushalten von Bund, Ländern und Kommunen zu bezahlen. Für das Investitionsprogramm ist diese strikte Trennung nicht durchzuhalten, denn die Investitionsförderung von Küchen und Mensen ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein pädagogisch begründeter Ganztagsunterricht und eine Ganztagsschulgestaltung möglich werden.
4. Schätzung des Finanzbedarfs
a) Es sind sowohl zusätzliche Investitionsbedarfe wie laufende Personalkostenaufwendungen in Milliardenhöhe abzudecken. Hierfür ist eine erste Kostenschätzung vorzunehmen, die allerdings unter mehreren Vorbehalten steht:
Es bleibt angesichts der für das nächste Jahrzehnt deutlich rückläufigen SchülerInnenzahlen offen, um wie viel sich die Zahl der öffentlichen Schulen reduziert. So erwartet die KMK aus ihrer Entwicklungsprognose aus dem Jahr 2007 einen Rückgang der AbsolventInnen der allgemeinbildenden Schulen um rund elf Prozent von 2010 bis 2020.
Die aktuell in allen Bundesländern laufenden Schulreformen führen in der Regel dazu, dass mit der Zusammenführung von Haupt- und Realschulen zu Regionalschulen oder dem Ausbau des Angebots an Gemeinschaftsschulen/Gesamtschulen Schulstandorte geschlossen werden.
In Bezug auf die jetzt schon eingesetzten Mittel ist eine Abschätzung im Personalkostenbereich sehr schwierig, weil bei der Zahl der schon vorhandenen Ganztagsschulen offen bleibt, wie weit es sich um die aufwendigere gebundene Form der Ganztagsschulen handelt oder um offene Ganztagsschulen, die deutlich kostengünstiger sind.
b) Für eine erste überschlägige Rechnung werden 250.000 Euro Jahreskosten an Personal für den Freizeit- und Ganztagsbetreuungsbereich – Sozialpädagogen und Erzieherstellen etc. – für freie Honorare für Zusatzkräfte sowie Verbrauchs- und Sachmaterial angesetzt und 100.000 Euro Jahres-Personalkosten für den zusätzlichen Lehrkräftebedarf an Ganztagsschulen. Diese Werte beziehen sich auf das Konzept und die Bedarfe von gebundenen Ganztagsschulen. Es sind eher im oberen Bereich angesetzte Werte, wenn man sie als Durchschnittswerte versteht.
c) Für kostengünstigere offene Ganztagsschulen wird ein Jahresbedarf von durchschnittlich 50.000 Euro angenommen, das heißt etwas mehr als 4.000 Euro im Monat.
d) Es wird angesetzt, in der ersten Phase 80 Prozent gebundene und 20 Prozent offene Ganztagsschulen einzurichten. Damit werden auch sehr viele aktuell noch im offenen Prinzip geführte Ganztagsschulen in gebundene Schulen weiter entwickelt.
5. Gesamtvolumen des Masterplans Ganztagsschule 2020
a) Investitionsmittel
Von 2003-2009 sind 7.200 Schulen zusätzlich baulich als Ganztagsschulen eingerichtet worden – für gebundene wie offene Ganztagsschulen beziehungsweise mit und ohne Mensa- und Küchenanteil; genauere Zahlen hierzu liegen derzeit nicht vor. Hierfür standen ein Gesamtvolumen von 4 Milliarden Euro vom Bund und mindestens 400 Millionen Euro an Mitteln der Länder und Kommunen zusätzlich zur Verfügung. Für 2011–2015 ist in der ersten Phase des „Masterplans Ganztagsschule 2020“ noch einmal die gleiche Summe mit gleichen Relationen zu veranschlagen, um auf dann rund 19.000 Ganztagsschulen insgesamt als Ziel zu kommen.
Für die zweite Phase von 2015 – 2020 bleiben hier die Finanzschätzungen offen, um bis dahin die Umsetzung der ersten Phase und die Schulentwicklung und ihre Auswirkungen auf die Zahl der Schulen einbeziehen zu können.
b) Personalmittel
Bei geschätzten 250.000 Euro Durchschnittskosten an Nicht-LehrerInnen-Personal für den Freizeit- und Ganztagsbetreuungsbereich (SozialpädagogInnen- und ErzieherInnenstellen) und freie Honorare sowie Verbrauchsmaterial etc. im Durchschnitt der Schulen und 100.000 Euro LehrerInnen-Personalkosten – zusätzlicher Lehrkräftebedarf für den Ganztagsbetrieb – belaufen sich die Gesamtpersonalkosten für 15.200 gebundene Ganztagsschulen im Jahr 2015 auf rund 5,3 Milliarden Euro an Personalkosten, wobei hier rund 1,5 Milliarden Euro im Bereich der LehrerInnenpersonalkosten einzukalkulieren sind. Für 3.800 offene Ganztagsschulen belaufen sich die zusätzlichen Personalkosten auf jährlich rund 190 Millionen Euro.
Die zusätzlichen LehrerInnenpersonalkosten bleiben bei den Ländern ohne Gegenfinanzierung durch den Bund, zumal sich wegen des Rückgangs der SchülerInnenzahlen eine „demographische Rendite“ ergibt, die von den Ländern für gute Ganztagsschulen eingesetzt werden kann.
Der Bund sollte sich deshalb an der Gesamtheit dieser Personalkosten, die bei den Ländern und den Kommunen anfallen werden, in direkter oder indirekter Form derart beteiligen, dass den Ländern und Kommunen die zusätzlichen Personalkosten im Nicht-LehrerInnen-Bereich in Höhe von 4 Milliarden Euro nach dem Konnexitätsprinzip erstattet werden.
Diese Mittel wären damit ein Teil des 20-Milliarden-Zusatzprogramms für Bildung mit dem Zieljahr 2015, das die SPD auf ihrem letzten Parteitag 2010 beschlossen hat. Zehn Milliarden sollen dabei im Zieljahr 2015 zusätzlich für die Länder mobilisiert werden, zehn Milliarden im Zieljahr 2015 für zusätzliche Bildungsausgaben beim Bund gewonnen werden. Bis zum Jahr 2015 sollen die zusätzlichen Mittel für Bildungsausgaben der Länder und des Bundes entsprechend kontinuierlich aufwachsen. Die geschätzten Personalkosten insgesamt bei einer Deckung von 100 Prozent mit gebundenen Ganztagsschulen wären bei Annahme der 350.000 Euro Personalbedarf pro Schule und 30.000 Ganztagsschulen im Jahr 2020 mit rund 10 Milliarden Euro zu kalkulieren. Insgesamt geht es also bei dem „Masterplan Ganztagsschule 2020“ um einen Jahresaufwand von rund zehn Milliarden Euro im Endausbau 2020 für den Personalkostenaufwand und vier plus x Milliarden Euro für den einmaligen zusätzlichen Investitionsbedarf.
In der ersten Phase bis 2015 sind für das Aufbauziel 19.000 Ganztagsschulen vier Milliarden zusätzlicher Investitionsbedarf und 5,5 Milliarden Euro Personalkosten –1,5 Milliarden LehrerInnenpersonalkosten sowie vier Milliarden für das zusätzliche Nicht-Lehrkraftpersonal – als notwendig einzuschätzen. Die vier Milliarden für Investitionen und die vier Milliarden für das Nicht-LehrerInnenpersonal müssen zusätzlich mobilisiert werden, während die Lehrkraftpersonalkosten ja schon im System finanziert sind.
Diese zwei mal vier Milliarden in 2015 können beispielsweise in Vergleich gesetzt werden:
Ein Prozentpunkt Mehrwertsteuer wird aktuell mit acht Milliarden Euro gerechnet.
Die 20 Euro zusätzliches Kindergeld, die kürzlich beschlossen worden sind, werden mit einem Gesamtaufwand von jährlich zusätzlichen 4,6 Milliarden Euro kalkuliert.
Die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent soll ein jährliches Zusatzvolumen von mindestens fünf Milliarden Euro erbringen.
Eine zusätzliche Besteuerung von Finanzgeschäften – von der Börsenumsatzsteuer bis zu einer Transaktionssteuer – schlägt mit mindestens zweistelligen Milliardenbeträgen zu Buche.
Wer es ernst meint mit der Bildungsrepublik der gleichen Chancen für alle Kinder und der guten Bildung an allen Schulen, darf keine Angst haben. Wenn alle wirklich wollen, was sie immer wieder gern beschwören, ist er machbar, der „Masterplan Ganztagsschule 2020“.
1. Ganztagsschule als Ziel
Ganztagsschule ist unverzichtbar
aus pädagogischen Gründen, weil Schule mehr Zeit für Bildung, individuelle Förderung und offene Schulgestaltung braucht
aus integrationspolitischen Gründen, weil Ganztagsschule besser als jede andere Schulform die sprachliche, kulturelle und soziale Integration von Kindern, Jugendlichen und Familien mit Migrationshintergrund leisten kann
aus sozialpolitischen Gründen, weil sich in Ganztagsschulen Bildungschancen für alle bzw. soziale und kulturelle Teilhabe am besten diskriminierungsfrei und mit niedrigen Zugangsschwellen organisieren lassen.
2. Ausgangslage
a) Die Bildung in Ganztagsschulen liegt hierzulande weit hinter den Verhältnissen in anderen europäischen Ländern zurück, in denen die Ganztagsschule traditionell das Regelangebot ist und selbstverständlich wahrgenommen wird. In Deutschland besuchten im Schuljahr 2008/09 etwa 9,024 Millionen Schülerinnen und Schüler die allgemeinbildenden Schulen. Davon besuchten etwa rund 1,931 Millionen Schulen mit Ganztagsbetrieb in offener oder gebundener Form. Nach KMK-Berechnung erreichen diese eine Quote von 24,1 Prozent. Gegenüber 2004 mit 12,5 Prozent hat sich der Anteil somit fast verdoppelt (KMK Bericht vom 30.04.2010), gegenüber 2002 mit einer Quote von 9,8 Prozent SchülerInnenanteil sogar um das 2,5 fache erhöht.
b) Für das Schuljahr 2008/09 weist das Statistische Bundesamt 34.917 allgemeinbildende Schulen aus, darunter 16.391 Grundschulen, 4.283 Hauptschulen, 2.625 Realschulen, 3.070 Gymnasien und 3.302 Förderschulen sowie 1.363 Schulen mit mehreren Bildungsgängen.
Darunter waren 11.825 Schulen mit Ganztagsbetrieb, das heißt rund 33,9 Prozent. Gegenüber 2004 mit 6.810 Schulen stieg die Zahl um rund 74 Prozent (KMK Bericht vom 30.04.2010), gegenüber 2002 mit 4.951 Schulen stieg die Zahl sogar um 138 Prozent (siehe Tabelle 1 und 2). Bei dem rasanten Ausbau ist festzustellen, dass insbesondere im Primarbereich sowie bei den Realschulen und Gymnasien die zwar kostengünstigere, aber pädagogisch weniger effektive offene Form deutlich überwiegt.
Der Anteil der Schülerinnen und Schüler in Ganztagesangeboten unterscheidet sich teilweise erheblich. Während an den integrierten Gesamtschulen, Schulen mit mehreren Bildungsgängen, den Förderschulen und auch an Hauptschulen ihr Anteil über dem Bundesdurchschnitt von 24,1% liegt, ist er bei den Realschulen, den Gymnasien und insbesondere im bildungsbiographisch wichtigen Primarbereich unterdurchschnittlich gering (siehe Tabelle 3).
c) Einen wesentlichen Zuwachs an Ganztagsschulen gab es durch das „Zukunftsprogramm Bildung und Betreuung“ (IZBB), das von Gerhard Schröder und der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn 2003 eingerichtet und mit vier Milliarden Euro Investitionsmitteln für die Jahre 2003–2009 ausgestattet worden war (Umsätze der Förderung des Programms siehe Tabelle 4 und 5).
3. Gemeinschaftsprojekt von Bund, Ländern und Kommunen
Für die Zukunft ist ein „Masterplan Ganztagsschule 2020“ zu erstellen, der in einer umfassenden Übereinkunft von Bund, Ländern und Kommunen entwickelt und beschlossen wird. Er muss klare Vereinbarungen über Zielsetzungen und Konzept, Ausbauphasen und Zwischenziele, Finanzierungsbedarfe und Finanzierungsbeteiligungen der verschiedenen politischen Ebenen enthalten.
a) Das Ziel von Ganztagsschule für alle ist nur schrittweise über einen Zehn-Jahreszeitraum von 2011–2020 anzustreben. Die Prioritätensetzung bei der ersten Phase bis 2015 sollte sich an Bedarfslagen in dem Sinne orientieren, dass zumindest alle Schulen mit einem nachhaltig höheren Anteil von Kindern aus Familien mit dem Recht auf Bildungsteilhabe – gemäß des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Reform des SGB II und XII – und von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund bis 2015 zur gebundenen Ganztagsschule ausgebaut werden. Für alle übrigen Schulen wird dieser Ausbau dann bis 2020 vorgenommen.
b) Das Ziel braucht den gemeinsamen Einsatz der Mittel von Bund, Ländern und Kommunen, und zwar sowohl in der Finanzierung von notwendigen Investitionsmitteln wie auch in der Finanzierung der laufenden Personalkosten. Hierfür kann es verschiedene Wege der Kooperation geben, die im Rahmen einer Grundsatzvereinbarung über den „Masterplan Ganztagsschule 2020“ zu klären sein werden:
Grundgesetzänderung über eine neue Kooperationsklausel auch für den Bereich schulische Bildung, die eine gemeinschaftliche Finanzierung von Bund und Ländern im Rahmen eines gemeinsamen Bund-Länder-„Masterplan Ganztagsschule 2020“ direkt ermöglichen würde – das heißt ein neuer Artikel 91b GG beziehungsweise 104b GG.
Allgemeine Finanzzuweisung des Bundes für den Bildungsbereich der Länder und entsprechende Verpflichtungserklärung der Länder und Kommunen, bis zum Jahr 2015 respektive 2020 entsprechende Zielzahlen an zusätzlichen Ganztagsschulen im Rahmen eines vereinbarten Konzeptes aufzubauen und dann auch entsprechend nachzuweisen.
c) Dabei muss deutlich werden, dass es eine klare Aufteilung im Bezug auf die laufenden Regelfinanzierungen von Ganztagsschulen gibt. Während zum Beispiel das -Essensprogramm – „eine warme Mahlzeit für jedes Kind“ – unter Sozialleistungsaufwendungen rangiert und entsprechend in den Sozial- beziehungsweise Jugendhaushalten zu etatisieren ist, sind die pädagogischen Leistungen aus den Bildungshaushalten von Bund, Ländern und Kommunen zu bezahlen. Für das Investitionsprogramm ist diese strikte Trennung nicht durchzuhalten, denn die Investitionsförderung von Küchen und Mensen ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein pädagogisch begründeter Ganztagsunterricht und eine Ganztagsschulgestaltung möglich werden.
4. Schätzung des Finanzbedarfs
a) Es sind sowohl zusätzliche Investitionsbedarfe wie laufende Personalkostenaufwendungen in Milliardenhöhe abzudecken. Hierfür ist eine erste Kostenschätzung vorzunehmen, die allerdings unter mehreren Vorbehalten steht:
Es bleibt angesichts der für das nächste Jahrzehnt deutlich rückläufigen SchülerInnenzahlen offen, um wie viel sich die Zahl der öffentlichen Schulen reduziert. So erwartet die KMK aus ihrer Entwicklungsprognose aus dem Jahr 2007 einen Rückgang der AbsolventInnen der allgemeinbildenden Schulen um rund elf Prozent von 2010 bis 2020.
Die aktuell in allen Bundesländern laufenden Schulreformen führen in der Regel dazu, dass mit der Zusammenführung von Haupt- und Realschulen zu Regionalschulen oder dem Ausbau des Angebots an Gemeinschaftsschulen/Gesamtschulen Schulstandorte geschlossen werden.
In Bezug auf die jetzt schon eingesetzten Mittel ist eine Abschätzung im Personalkostenbereich sehr schwierig, weil bei der Zahl der schon vorhandenen Ganztagsschulen offen bleibt, wie weit es sich um die aufwendigere gebundene Form der Ganztagsschulen handelt oder um offene Ganztagsschulen, die deutlich kostengünstiger sind.
b) Für eine erste überschlägige Rechnung werden 250.000 Euro Jahreskosten an Personal für den Freizeit- und Ganztagsbetreuungsbereich – Sozialpädagogen und Erzieherstellen etc. – für freie Honorare für Zusatzkräfte sowie Verbrauchs- und Sachmaterial angesetzt und 100.000 Euro Jahres-Personalkosten für den zusätzlichen Lehrkräftebedarf an Ganztagsschulen. Diese Werte beziehen sich auf das Konzept und die Bedarfe von gebundenen Ganztagsschulen. Es sind eher im oberen Bereich angesetzte Werte, wenn man sie als Durchschnittswerte versteht.
c) Für kostengünstigere offene Ganztagsschulen wird ein Jahresbedarf von durchschnittlich 50.000 Euro angenommen, das heißt etwas mehr als 4.000 Euro im Monat.
d) Es wird angesetzt, in der ersten Phase 80 Prozent gebundene und 20 Prozent offene Ganztagsschulen einzurichten. Damit werden auch sehr viele aktuell noch im offenen Prinzip geführte Ganztagsschulen in gebundene Schulen weiter entwickelt.
5. Gesamtvolumen des Masterplans Ganztagsschule 2020
a) Investitionsmittel
Von 2003-2009 sind 7.200 Schulen zusätzlich baulich als Ganztagsschulen eingerichtet worden – für gebundene wie offene Ganztagsschulen beziehungsweise mit und ohne Mensa- und Küchenanteil; genauere Zahlen hierzu liegen derzeit nicht vor. Hierfür standen ein Gesamtvolumen von 4 Milliarden Euro vom Bund und mindestens 400 Millionen Euro an Mitteln der Länder und Kommunen zusätzlich zur Verfügung. Für 2011–2015 ist in der ersten Phase des „Masterplans Ganztagsschule 2020“ noch einmal die gleiche Summe mit gleichen Relationen zu veranschlagen, um auf dann rund 19.000 Ganztagsschulen insgesamt als Ziel zu kommen.
Für die zweite Phase von 2015 – 2020 bleiben hier die Finanzschätzungen offen, um bis dahin die Umsetzung der ersten Phase und die Schulentwicklung und ihre Auswirkungen auf die Zahl der Schulen einbeziehen zu können.
b) Personalmittel
Bei geschätzten 250.000 Euro Durchschnittskosten an Nicht-LehrerInnen-Personal für den Freizeit- und Ganztagsbetreuungsbereich (SozialpädagogInnen- und ErzieherInnenstellen) und freie Honorare sowie Verbrauchsmaterial etc. im Durchschnitt der Schulen und 100.000 Euro LehrerInnen-Personalkosten – zusätzlicher Lehrkräftebedarf für den Ganztagsbetrieb – belaufen sich die Gesamtpersonalkosten für 15.200 gebundene Ganztagsschulen im Jahr 2015 auf rund 5,3 Milliarden Euro an Personalkosten, wobei hier rund 1,5 Milliarden Euro im Bereich der LehrerInnenpersonalkosten einzukalkulieren sind. Für 3.800 offene Ganztagsschulen belaufen sich die zusätzlichen Personalkosten auf jährlich rund 190 Millionen Euro.
Die zusätzlichen LehrerInnenpersonalkosten bleiben bei den Ländern ohne Gegenfinanzierung durch den Bund, zumal sich wegen des Rückgangs der SchülerInnenzahlen eine „demographische Rendite“ ergibt, die von den Ländern für gute Ganztagsschulen eingesetzt werden kann.
Der Bund sollte sich deshalb an der Gesamtheit dieser Personalkosten, die bei den Ländern und den Kommunen anfallen werden, in direkter oder indirekter Form derart beteiligen, dass den Ländern und Kommunen die zusätzlichen Personalkosten im Nicht-LehrerInnen-Bereich in Höhe von 4 Milliarden Euro nach dem Konnexitätsprinzip erstattet werden.
Diese Mittel wären damit ein Teil des 20-Milliarden-Zusatzprogramms für Bildung mit dem Zieljahr 2015, das die SPD auf ihrem letzten Parteitag 2010 beschlossen hat. Zehn Milliarden sollen dabei im Zieljahr 2015 zusätzlich für die Länder mobilisiert werden, zehn Milliarden im Zieljahr 2015 für zusätzliche Bildungsausgaben beim Bund gewonnen werden. Bis zum Jahr 2015 sollen die zusätzlichen Mittel für Bildungsausgaben der Länder und des Bundes entsprechend kontinuierlich aufwachsen. Die geschätzten Personalkosten insgesamt bei einer Deckung von 100 Prozent mit gebundenen Ganztagsschulen wären bei Annahme der 350.000 Euro Personalbedarf pro Schule und 30.000 Ganztagsschulen im Jahr 2020 mit rund 10 Milliarden Euro zu kalkulieren. Insgesamt geht es also bei dem „Masterplan Ganztagsschule 2020“ um einen Jahresaufwand von rund zehn Milliarden Euro im Endausbau 2020 für den Personalkostenaufwand und vier plus x Milliarden Euro für den einmaligen zusätzlichen Investitionsbedarf.
In der ersten Phase bis 2015 sind für das Aufbauziel 19.000 Ganztagsschulen vier Milliarden zusätzlicher Investitionsbedarf und 5,5 Milliarden Euro Personalkosten –1,5 Milliarden LehrerInnenpersonalkosten sowie vier Milliarden für das zusätzliche Nicht-Lehrkraftpersonal – als notwendig einzuschätzen. Die vier Milliarden für Investitionen und die vier Milliarden für das Nicht-LehrerInnenpersonal müssen zusätzlich mobilisiert werden, während die Lehrkraftpersonalkosten ja schon im System finanziert sind.
Diese zwei mal vier Milliarden in 2015 können beispielsweise in Vergleich gesetzt werden:
Ein Prozentpunkt Mehrwertsteuer wird aktuell mit acht Milliarden Euro gerechnet.
Die 20 Euro zusätzliches Kindergeld, die kürzlich beschlossen worden sind, werden mit einem Gesamtaufwand von jährlich zusätzlichen 4,6 Milliarden Euro kalkuliert.
Die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent soll ein jährliches Zusatzvolumen von mindestens fünf Milliarden Euro erbringen.
Eine zusätzliche Besteuerung von Finanzgeschäften – von der Börsenumsatzsteuer bis zu einer Transaktionssteuer – schlägt mit mindestens zweistelligen Milliardenbeträgen zu Buche.
Wer es ernst meint mit der Bildungsrepublik der gleichen Chancen für alle Kinder und der guten Bildung an allen Schulen, darf keine Angst haben. Wenn alle wirklich wollen, was sie immer wieder gern beschwören, ist er machbar, der „Masterplan Ganztagsschule 2020“.