EU-RATSSCHLUSSFOLGERUNGEN : EU-Ministerrat fordert Schritte für gleiche Teilhabe am Arbeitsmarkt

4. Dezember 2020 // Ulrike Günther

Zwischen Gehältern von Frauen und Männern klafft immer noch eine Lücke: Frauen leisten einen großen Teil der Pflegearbeit, erleiden Karrierebrüche, sind häufig in Teilzeit tätig und müssen Beruf und Familie vereinbaren. Mit den neuen EU-Ratsschlussfolgerungen haben die EU-Minister*innen die Grundlage für eine Politik der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt gelegt.

Gleiche Teilhabe ist ein Ziel der Gleichstellungspolitik. - Bild: AlphaStock Images / Nick Youngson
Gleiche Teilhabe ist ein Ziel der Gleichstellungspolitik. - Bild: AlphaStock Images / Nick Youngson

zwd Berlin/ Brüssel. Die Frage der Gleichberechtigung auf dem europäischen Arbeitsmarkt, insbesondere der Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern, bildete das Thema der von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) geleiteten Videokonferenz der EU-Minister*innen für Arbeit, Soziales und Gleichstellung am Donnerstag (03. Dezember). Mit dem Ziel, den Gender Pay Gap zu bekämpfen und bezahlte wie unbezahlte Arbeit gerechter zu verteilen, nahmen die EU-Mitgliedsstaaten die Ratsschlussfolgerungen zur geschlechtergerechten Teilhabe an der Arbeitswelt einstimmig an.

Giffey: Gerechtere Verteilung und vielfältige Lebensentwürfe ermöglichen

Giffey zeigte sich erfreut, dass es noch im Rahmen der bundesdeutschen EU-Ratspräsidentschaft gelungen sei, die an die Verantwortlichen auf allen politischen Handlungsebenen gerichteten Empfehlungen des Rates der EU zu vereinbaren. Die Ministerin wertete auf der anschließenden Pressekonferenz das Ergebnis der Gespräche als ein „deutliches Zeichen“, mit dem sich die EU-Mitgliedsstaaten zur Gleichstellung im Berufsleben bekannt haben. Auf diese Weise komme man der in der EU-Gleichstellungsstrategie von 2020 propagierten "Union der Gleichheit" der Geschlechter näher.

Die „Überwindung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen als tiefer Ungerechtigkeit, wie wir sie in Europa immer noch sehen“, habe man mit den Ratsschlussfolgerungen in Angriff genommen. Dabei geht es laut Giffey nicht nur um die gerechtere Verteilung von Arbeit sowie der Lasten von Sorge und Pflege, sondern auch um das Ermöglichen einer Vielfalt von Lebensentwürfen für beide Geschlechter. „Alle Frauen und Männer in der EU sollen frei entscheiden können, wie sie leben wollen“, hob die Familienministerin hervor. Dazu müssten die einzelnen EU-Länder die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen und vorhandene Einschränkungen sowie Rollenklischees beseitigen.

Mehrheit der EU-Länder für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Zentral sei es aus Sicht einer Mehrheit der EU-Mitgliedsländer, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und dafür eine verlässliche Betreuungsinfrastruktur bereitzustellen. Dazu gehörten sowohl gute Kinderbetreuung als auch Strukturen, welche pflegende Angehörige soweit entlasten, dass sie ihre beruflichen Pläne verwirklichen können. Ebenso hätten sich die EU-Minister*innen nach Giffeys Aussagen darüber verständigt, dass es wichtig sei, eine partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit zu erreichen. Denn der große Anteil der von Frauen geleisteten Betreuungsaufgaben und der hohe Prozentsatz der in Teilzeit arbeitenden Frauen wirkten sich nachteilig auf die Lohn- und Rentenlücken aus.

Nach Angaben des EU-Rates verbringen erwerbstätige Frauen in der EU täglich ca. 1,3 Stunden mehr mit Sorgearbeit als beschäftigte Männer, bei berufstätigen Ehepaaren mit Kindern beträgt die Differenz sogar ungefähr 2,9 Stunden. Auch der Anteil der Frauen an den in Teilzeit Beschäftigten ist viel höher als derjenige der Männer, unter den 20- bis 64-Jährigen waren es 2019 mit ca. 32 Prozent mehr als dreimal so viele. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßte in einer Stellungnahme, „dass sich die EU heute entschieden gegen ein internationales Rollback in der Gleichstellung positioniert hat“.

SPD: Kampf um gleiche Bezahlung muss weitergehen

Der frauenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Sönke Rix wertete die Ergebnisse der Konferenz als „große(n) Erfolg der deutschen EU-Ratspräsidentschaft“. Mit den Ratsschlussfolgerungen könne der EU-Ministerrat seinen Beitrag dazu leisten, dass die Umsetzung der Beschlüsse der Pekinger Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen (UN) überprüft würde.

Die Krise habe die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit sowie den geschlechtsspezifischen Unterschied bei Arbeitszeiten und Löhnen besonders deutlich gemacht, erklärte Rix. Es sei offensichtlich, „dass der Kampf um gleiche und gleichwertige Bezahlung weitergehen muss“. Der SPD-Sprecher unterstrich die Forderung seiner Fraktion nach gleichen Löhnen für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit. Zu diesem Zweck streben die Sozialdemokrat*innen auf bundesdeutscher Ebene ein Verbandsklagerecht innerhalb des Entgelttransparenzgesetzes, verbindliche Tarife in Altenpflege-Berufen sowie eine Vorstandsquote in größeren Unternehmen an.

EU-Rat: Länder sollen Chancengleichheit für Frauen ermöglichen

In den Schlussfolgerungen empfiehlt der EU-Rat den EU-Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu treffen, die Frauen und Männern gleiche Chancen bei der persönlichen wie beruflichen Entwicklung gewährleisten und die gleichberechtigte Verteilung von Erwerbstätigkeit sowie unbezahlter Sorgearbeit auf die Geschlechter fördern. Darüber hinaus sollen die EU-Länder in Übereinstimmung mit der Vereinbarkeitsdirektive des Rates der EU von 2019 Schritte unternehmen, die es Müttern und Vätern gleichermaßen gestatten, Elternurlaub zu nehmen.

Auch das öffentliche Bewusstsein für den Wert gerecht verteilter Sorgearbeit und die Anerkennung unbezahlter betreuender Tätigkeiten zu steigern, wird den EU-Staaten angeraten. Pflegeberufe sollen durch bessere Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne Aufwertung erfahren. Außerdem sollen die EU-Mitgliedsländer gezielt Rollenklischees abbauen, welche die freie Berufs- und Studienwahl von Frauen und Männern behindern. Ausdrücklich fordert der EU-Rat die EU-Staaten u.a. auf, die Anstrengungen zur Aufhebung der Geschlechtergefälle bei den Gehältern und der Sorgearbeit zu verstärken. Weiterhin sollen die EU-Länder mehr Forschung zu Pflegewirtschaft, Pflegeberufen und mit bezahlten wie unbezahlten Sorgetätigkeiten betrauten Personen durchführen und in allen relevanten Bereichen der über das Europäische Semester geregelten Wirtschaftspolitik ein konsequentes Gender-Mainstreaming ansetzen.

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