VIERTE ÄNDERUNG AFBG : Fachleute wollen Gesetz zum beruflichen Aufstieg ergänzen

16. Januar 2020 // Ulrike Günther

Die von der Bundesregierung geplante Änderung des Gesetzes zur Aufstiegsfortbildungsförderung (AFBG) findet bei Sachverständigen überwiegend Zustimmung. Die in der Anhörung im Ausschuss für Bildung und Forschung geladenen Vertreter*innen aus Bildung, Handwerk, Industrie und Gewerkschaften begrüßten den Entwurf zur vierten Gesetzesnovelle des AFBG.​

Berufliche Weiterbildung - Bild: pixabay / thumprchgo
Berufliche Weiterbildung - Bild: pixabay / thumprchgo

zwd Berlin. Die Expert*innen machten vor dem Ausschuss jedoch Vorschläge, die in Aussicht gestellten verbesserten Fördermaßnahmen noch darüber hinaus zu erweitern. Daraufhin erklärte die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion Ulrike Bahr nun, man müsse bestrebt sein, noch mehr Berufsgruppen als bisher geplant in den geförderten Personenkreis der Fortbildungswilligen einzubeziehen. Insbesondere für den Erzieherbereich mit dem dort herrschenden "erheblichen Fachkräftemangel" sei ihrer Fraktion klar geworden, "dass wir möglichst vielen Interessierten in allen Ausbildungsformaten und sozialen Berufsgruppen eine Fördermöglichkeit nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) zur Verfügung stellen müssen".

Mit dem neuen Gesetz (Drs. 19/15273, zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) beabsichtigt die Regierung, berufliche Fortbildungen attraktiver zu machen und finanzielle Hindernisse für an ihrer Karriere Interessierte durch großzügigere Leistungen abzubauen.Das Vorhaben soll die beruflichen und akademischen Qualifizierungen stärker gleichwertig machen und dem Mangel an Fachkräften entgegenwirken. Fortschritte des neuen Entwurfs gegenüber der dritten Änderung des AFBG liegen vor allem in der von einer auf drei erhöhten Anzahl förderfähiger Weiterbildungen sowie in größeren Freibeträgen und im Erlass von bereits gewährten Darlehen.

Handwerk will horizontale Laufbahnen von Spezialist*innen fördern

Der Leiter für Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks Dr. Volker Born betonte, die in dem Gesetzesvorschlag dargelegten Ziele seien „wichtige Punkte, die uns auch im Handwerk umtreiben“. Insbesondere sei es deshalb erforderlich, Fortbildungen zu fördern, da in den folgenden Jahren bundesweit ca. 200.000 Nachfolgen von Betrieben zu regeln seien, wofür man die in Frage kommenden Personen dringend ausbilden müsse. Born forderte jedoch, den kompletten Erlass erteilter Darlehen nicht wie im neuen Gesetz geplant auf Existenzgründer*innen zu beschränken und Weiterbildungen beispielsweise zu "Berufsspezialist*innen" unabhängig davon zu unterstützen, ob sie in Teilzeit oder Vollzeit organisiert seien. Außerdem argumentierte er aus der Sicht des Handwerks dafür, auch horizontale Laufbahnen von Spezialist*innen zu fördern und finanzielle Hilfen nicht nur im Einzelfall für mehrere Fortbildungen auf einer Karrierestufe einzuräumen.

BIBB: Attraktive Fortbildungen brauchen gute Beschäftigungsaussichten

Prof. Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) befürwortete die in der Gesetzesvorlage erweiterten Fördermöglichkeiten zugunsten des beruflichen Aufstiegs und die Anhebung der Förderbeträge. Kritisch merkte er an, dass ein AFBG, welches die beruflichen Weiterbildungen zwar attraktiver mache, aber nicht zugleich die Beschäftigungssituation berücksichtige, ihren eigentlichen Zweck verfehlen werde. Esser regte an, ebenfalls für sogenannte Anpassungsfortbildungen und auf einen Abschluss hin orientierte Fortbildungsangebote finanzielle Leistungen über das AFBG zu gewähren, die nicht vom Betrieb finanziert werden.

Frauenanteil durch Aufnahme der sozialen Berufe deutlich gestiegen

Das Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) Ansgar Klinger führte den von 2000 bis 2018 zu verzeichnenden Anstieg des Frauenanteils bei den durch das AFBG geförderten Aufstiegswilligen von 20 auf 37 Prozent auf die früheren Novellierungen des Gesetzes zurück. Namentlich gelte dies für die Aufnahme der vollzeitschulischen Berufsgruppen aus dem Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen in den durch das Gesetz geförderten Personenkreis. Klinger plädierte aber dafür, die Attraktivität der Bildungsgänge weiter zu steigern und die im Gesetz festgeschriebene Fortbildungsdichte zu erhöhen. Während die klassischen, über das AFBG geförderten Ausbildungsberufe bereits auf dem „dualen Prinzip“ von Theorie und Praxis beruhten, hätten die über Vollzeitunterricht abgedeckten sozialen, Gesundheits- und Erziehungsberufe „dringend ein Mindestmaß an Praxisorientierung nötig“. Diese sei nicht über die derzeit im Gesetz vorgeschriebene Fortbildungsdichte zu erreichen. Das Fördern von Erzieherweiterbildungen erachtet Klinger gerade mit Blick auf den prekären Fachkräftemangel im Bereich der Erzieherberufe für wesentlich.

DGB und IHK kritisieren fehlende Evaluation der Gesetzesänderungen

Mario Patuzzi vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) lobte den Gesetzesvorschlag. Der DGB ist eigenen Angaben zufolge der Auffassung, dass man die geregelten beruflichen Weiterbildungen abseits der Ausbildungsberufe aufwerten müsse, um zukünftige Herausforderungen besser zu bewältigen. Patuzzi kritisierte allerdings, dass man die Entwicklungen seit der vorigen Änderung des AFBG im Jahr 2016 nicht durch ein Monitoring überwacht habe, das die Statistik der geförderten Fortbildungen mit den Ergebnissen der absolvierten Prüfungen zusammengeführt hätte.

Für eine Evaluation der durch das Gesetz eingesetzten Fördermaßnahmen sprach sich auch die Referatsleiterin für Berufsbildungsrecht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (IHK) Julia Thénéré aus. Der Leiter des Kompetenzfeldes berufliche Bildung vom Deutschen Institut der Wirtschaft Dirk Werner trat dafür ein, auch den Lebensunterhalt von in Teilzeit Geförderten über Zuschüsse abzusichern.

Bündnis 90/Die Grünen fordern Rechtsanspruch auf Weiterbildung

Neben dem Änderungsvorschlag waren auch der Bericht der Koalitionsregierung über die Wirkungen der dritten Novelle des AFBG sowie Anträge der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 19/15803) und Die Linke (Drs. 19/15774, zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) Grundlage der Debatte im Ausschuss. Dem Bericht zufolge hatte sich der Anteil der weiblichen Geförderten zwischen 2015 und 2018 um über 5 Prozent auf rund 37 Prozent erhöht, während die Anzahl der Teilnehmer*innen von Weiterbildungen um ca. 3 Prozent angewachsen war. Im selben Zeitraum war der Gesamtbetrag der bewilligten Förderleistungen um rund 8 Millionen auf ca. 666 Millionen Euro pro Jahr gestiegen.

Personen mit Familie und Kindern konnten nach Angaben der Regierung allerdings nicht verstärkt von den Förderregelungen profitieren. Die Grünen hatten in ihrem Antrag einen Rechtsanspruch auf berufliche Fortbildungen gefordert, ein Recht auf Freistellung von der Berufsarbeit während der Teilnahme an Qualifizierungen sowie uneingeschränkten Zugang von Flüchtlingen und Zugewanderten zu Weiterbildungsangeboten. Die Linken hatten verlangt, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, mit der auch Teilnehmer*innen der praxisintegrierten Erzieherausbildung Fördergelder erhalten könnten, deren Modell in seinen verschiedenen Ausprägungen bislang aus dem Rahmen der vom AFBG vorgeschriebenen Zeitstruktur fällt.

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