IAB-BETRIEBSPANEL : Frauen kommen in Führungspositionen kaum voran - aber häufiger in Teilzeit

19. Dezember 2023 // Holger H. Lührig

Fast jeder vierte Betrieb in der Privatwirtschaft in Deutschland ermöglicht Führungskräften (auf der ersten und/oder der zweiten Führungsebene), in Teilzeit zu arbeiten (23 Prozent). Damit ist nach einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) deren Anteil im Vergleich zu 2014 um sieben Prozent angestiegen. Das IAB-Betriebspanel 2023 konstatiert andererseits, dass trotz verschiedener gesetzlicher Initiativen der Anteil von Frauen in Führungspositionen sich nur unwesentlich verändert hat.

Frauen auf der obersten und zweiten Führungsebene in Betrieben der Privatwirtschaft unterrepräsentiert

Das IAB untersucht nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2004 die Entwicklung des Frauenanteils in Führungspositionen in Deutschland. In der Betriebsbefragung IAB-Betriebspanel wird in regelmäßigen Abständen die Zahl von Führungskräften auf der obersten und – soweit vorhanden – der zweiten Führungsebene sowie die Zahl der Frauen und Männer in Führungspositionen erhoben. Laut IAB wird die Entwicklung in der gesamten Breite der Privatwirtschaft in Deutschland analysiert. Im Gegensatz zum jährlichen Mangerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werde dabei nicht nur Top-Managementpositionen betrachtet. Im IAB-Betriebspanel gehe es darum, ein umfassenderes Bild der Repräsentanz von Frauen in leitenden Positionen der Privatwirtschaft zu zeichnen. Es berücksichtige nicht nur Toppositionen, sondern ebenso Führungspositionen in mittleren und kleinen Betrieben in Deutschland.

Wie das Institut in seinem am 15. Dezember veröffentlichten Kurzbericht (22/2023) darstellt, weisen die aktuellen Zahlen aus dem IAB-Betriebspanel kaum Veränderungen auf: Wie im Jahr 2020 sind auch 2022 28 Prozent aller Führungspositionen auf der ersten Führungsebene in privatwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland von Frauen besetzt. Damit liegt der Wert nur 3 Prozentpunkte über dem von 2014.

Die Autorinnen der IAB-Studie, Dr. Susanne Kohaut und Dr. Iris Möller erklären ihre Berechnung wie folgt:

"Das Ausmaß der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zeigt sich deutlicher, wenn der Anteil von Frauen in Führungspositionen ins Verhältnis zum Anteil von Frauen in der Gesamtbeschäftigung gesetzt wird (Repräsentanzmaß oder Gender Leadership Gap). Ein Wert von 1 würde bedeuten, dass Frauen auf den Führungsetagen ihrem Anteil entsprechend repräsentiert sind. Da 44 Prozent aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft weiblich sind, ist – wie in den Vorjahren – auch 2022 eine Unterrepräsentanz von Frauen auf der obersten Führungsebene in der Privatwirtschaft zu verzeichnen, der Repräsentanzwert beträgt 0,64. Seit 2020 hat sich an diesem Wert nichts verändert. Eine ihrem Anteil an den Beschäftigten entsprechende Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen auf der obersten Ebene ist noch weit entfernt."

Auf der Führungsebene darunter sind Frauen laut Kohaut und Möller deutlich besser vertreten:

41 Prozent aller Führungspositionen auf der zweiten Ebene sind von Frauen besetzt. Der Repräsentanzwert beträgt 0,93. Er liegt zwar deutlich über dem der obersten Führungsebene, Repräsentanz ist allerdings auch auf der zweiten Führungsebene nicht vollständig erreicht. Seit 2016 hat sich weder der Anteil an den Führungspositionen noch das Repräsentanzmaß verändert."

Aber:

"Der seit vielen Jahren relativ hohe Anteil von Frauen auf der zweiten Führungsebene führt allerdings nicht dazu, dass verstärkt Frauen in Spitzenpositionen kommen. Hier zeigen sich möglicherweise die unsichtbaren Barrieren, die Frauen am Aufstieg in eine höhere Führungsposition hindern und als „gläserne Decke" bezeichnet werden."

Betrachtet man den Anteil von Frauen auf beiden Führungsebenen getrennt für Ost- und Westdeutschland, bestätigen sich die Ergebnisse der Vorjahre. In Ostdeutschland ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen auf beiden Führungsebenen höher als in Westdeutschland und Frauen sind in Führungspositionen besser repräsentiert. Seit zehn Jahren ist in Ostdeutschland eine Überrepräsentanz auf der zweiten Führungsebene zu beobachten.

Frauen in Teilzeit-Führungspositionen

Die IAB-Studie greift die Zielsetzung der Bundesregierung auf, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen - beispielsweise durch eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die im März 2023 das Projekt „Führen in Teilzeit in den obersten Bundesbehörden” gestartet hat. Gemeinsam mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin soll eine umfassende Bestandsaufnahme zum Führen in Teilzeit in den obersten Bundesbehörden erfolgen und ein praxisnaher Handlungsleitfaden entwickelt werden (BMFSFJ 2023). Dass Frauen in weiten Teilen der Gesellschaft nach wie vor die Hauptlast der Betreuungspflichten tragen, spiegeln die sehr viel höheren Teilzeitquoten in der Gesamtbeschäftigung von Frauen, insbesondere von Frauen in dem Alter, wenn sie Kinder bekommen oder Kinder noch betreuungsbedürftig sind. Gleichzeitig betrifft diese Zeit meist ein entscheidendes Alter für die Berufskarriere und das berufliche Fortkommen.

Dazu schreiben Kohaut und Möller in ihren IAB-Kurzbericht:

"Die Möglichkeit, Vorgesetztenpositionen in reduzierter Arbeitszeitauszuüben, würde für Frauen und insbesondere Mütter, den Zugang zu Führungspositionen er-leichtern (Hipp/Sauermann/Stuth 2022). Gleichzeitig kann die Möglichkeit, in Teilzeit zu führen, auch die Akzeptanz von teilzeitarbeitenden Männern auf allen betrieblichen Ebenen erhöhen, was wiederum eine gleichmäßigere Verteilung von Führungspositionen und Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern begünstigen könnte. Führen in Teilzeit trägt somit zur Reduzierung der vertikalen Geschlechtersegregation bei (Hipp/Sauermann/Stuth 2022). Im Jahr 2022 wurde im IAB-Betriebspanel zum zweiten Mal die Frage gestellt, ob Betriebe Führungspositionen in Teilzeit möglich machen und wie häufig diese Möglichkeit genutzt wird..

Verglichen mit den IAB-Betriebspanel 2014, in dem Teilzeitmöglichkeiten Bestandteil des Fragenprogramms waren, hat sich Anteil um 7 Prozentpunkte erhöht. Während es im Jahr 2014 häufiger Betriebe im Westen waren, die Führung in Teilzeit ermöglichten, lässt sich acht Jahre später kaum noch ein Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland feststellen. Die Möglichkeit, Führungspositionen in Teilzeit auszuüben, sagt nach Kohaut und Möller noch nichts über die tatsächliche Nutzung aus:

In deutlich über der Hälfte (58 Prozent) der Betriebe, die Führung in Teilzeit anbieten, wird von dem Angebot tatsächlich Gebrauch gemacht; in Westdeutschland mit knapp 60 Prozent etwas häufiger als im Osten mit 54 Prozent. Bezogen auf alle Betriebe in der Privatwirtschaft bedeutet das, dass in 13 Prozent dieser Betriebe mindestens eine Vorgesetztenposition auf der ersten oder zweiten Führungsebene in Teilzeit ausgeübt wird (West: 14 Prozent; Ost: 12 Prozent). Im Vergleich zum Wert von vor acht Jahren zeigt sich, dass sich der Wert geringfügig erhöht hat. Damals waren es 10 Prozent dieser Betriebe wird die Möglichkeit tatsächlich genutzt. Diese beiden Branchen haben zudem die höchsten Frauenanteile in der Belegschaft und auch in Führungspositionen.

Drei weitere Branchen bieten überdurch­schnittlich häufig die Möglichkeit, Vorgesetztenpositionen in Teilzeit auszuüben: die Branchen Information und Kommunikation (35 Prozent), Wirtschaftliche, wissenschaftliche und freiberufliche Dienstleistungen (28 Prozent) und Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (26 Prozent). Die Möglichkeit zu Führen in Teilzeit wird in diesen Branchen jedoch unterdurchschnittlich genutzt. In einigen Branchen, in denen Betriebe zwar sel­tener Führung in Teilzeit ermöglichen, wird diese Möglichkeit häufiger als im Durchschnitt tatsäch­lich genutzt, wie beispielsweise im Gastgewerbe und Sonstige Dienstleistungen (63 Prozent), im Wirtschaftszweig Verkehr und Lagerei (65 Prozent), in der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (67 Pro­zent) sowie im Baugewerbe (68 Prozent)".

Grundsätzlich, konstatieren die beiden Autorinnen, gelte: Je größer die Betriebe, desto eher wird Führen in Teilzeit möglich gemacht. Während es in jedem fünften Kleinstbetrieb (mit bis zu 9 Beschäftigten) die Gelegenheit zu Teilzeitführung gibt, ist dies in der Hälfte der größeren Betriebe (mit mehr als 200 Beschäftigen) möglich.

Rund 72 Prozent aller Teilzeit-Führungspositionen in der Privatwirtschaft sind von Frauen besetzt. Daran hat sich seit 2014 wenig geändert (2014: 71 Prozent). Der Anteil von weiblichen vorgesetzten mit Führungsverantwortung in Teilzeit, steigt mit zunehmender Betriebsgröße. Im Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung und Unterricht sowie im Einzelhandel sind von allen Führungskräften, die Teilzeit arbeiten, Frauen mit über 30 Prozent überdurchschnittlich häufig zu finden.

Fazit und Ausblick des IAB-Kurzberichts zum Thema Teilzeit

"Warum berufliche Karrieren von Frauen und Männern so ungleich verlaufen, kann mit den vorliegenden Daten nicht geklärt werden. Anzu­nehmen ist jedoch, dass sowohl betriebliche Rahmenbedingungen (wie Dauer und Flexibilität von Arbeitszeiten) als auch die persönliche Lebenssituation von potenziellen Führungskräften darüber entscheiden, ob sie in Führungspositionen auf­ steigen (einen Überblick bietet Kaup 2015). Dar­ aus ergeben sich Ansatzpunkte für Unternehmen: Mentoring-Programme helfen, Hindernisse abzu­bauen, mit denen Frauen auf ihrem Karriereweg konfrontiert sind. Sie bieten Frauen die Gelegen­heit, gesehen zu werden und ihre Fähigkeiten und Kompetenz offenzulegen (Kohaut/Möller 2023). Für Beschäftigte mit Betreuungspflichten helfen Maß­ nahmen, die die zeitliche und räumliche Flexibilität erhöhen. Dazu zählt die Möglichkeit zur Homeoffice-Arbeit ebenso wie das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeit- oder Lebensar­beitszeitkonten. Die Bereitschaft von Arbeitgebern, Führen mit reduzierter Arbeitszeit zu ermöglichen, kann insbesondere für Personen mit Betreuungspflichten einen Weg darstellen, den beruflichen Aufstieg trotz familiärer Pflichten zu meistern. Bis­ lang wird diese Möglichkeit allerdings noch relativ selten genutzt: Nur etwa 13 Prozent der Betriebe der Privatwirtschaft haben auch Führungskräfte, die in Teilzeit arbeiten.

Darüber hinaus gebietet es - angesichts des immer eklatanter werdenden Mangels an Fach- und Führungskräften in Deutschland - schlicht die Vernunft, das immense Potenzial gut ausgebildeter und hochqualifizierter Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu nutzen. Als personalpolitisches Instrument zur Fachkräfterekrutierung und Bindung an das Unter­ nehmen kann das Angebot zu Führen in Teilzeit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen."

Quelle: Kohaut, Susanne & Iris Möller (2023): Führungspositionen in Deutschland 2022: Frauen bleiben nach wie vor unterrepräsentiert. (IAB-Kurzbericht 22/2023), Nürnberg, 8 S. DOI:10.48720/IAB.KB.2322

Siehe auch:

7. REGIERUNGSINFORMATION ZU FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN: Frauenteilhabe in Unternehmensführungen - noch viel Luft nach oben

Mehr dazu auch in Ausgabe 400 des zwd-POLITIKMAGAZINs


Artikel als E-Mail versenden