HESSEN VOR DER WAHL : Frauen stellen die Mehrheit der Wahlberechtigten - aber welcher Mann wird Regierungschef?

25. Oktober 2018 // Holger H. Lührig

23 Landeslisten hat der Landeswahlausschuss zur Landtagswahl am 28. Oktober in Hessen zugelassen, aber nur sechs von ihnen haben nach den Wahlprognosen Chancen, in das Landesparlament einzuziehen. 691 Bewerber*innen wurden aufgestellt, ein knappes Drittel darunter sind Frauen.

Auf der Zielgeraden: Die Spitzenkandidaten Volker Bouffier (CDU), Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Tarek Al-Wazir (Grüne). - Bild: wikimedia.org; spd.de; wirtschaft.hessen.de
Auf der Zielgeraden: Die Spitzenkandidaten Volker Bouffier (CDU), Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Tarek Al-Wazir (Grüne). - Bild: wikimedia.org; spd.de; wirtschaft.hessen.de

zwd Wiesbaden. Die meisten Frauen finden sich auf der SPD-Landesliste: 69 von 152 Kandidat*innen, wobei diese auf den vorderen Plätzen nach dem Reißverschlussprinzip aufgestellt wurden. Zudem hat die Partei auch für die 55 Direktwahlkreise 28 Frauen und 27 Männer nominiert – ein in der deutschen Parlamentsgeschichte bisher einmaliger Vorgang. Mit paritätischen Listen (Frau/Mann nach dem Reißverschlussprinzip) treten nach Angaben des Landeswahlleiters auch die Grünen (30 Frauen bei 60 Bewerber*innen) und Die Linke (15 von 30) an.

Weit ungünstiger ist die Relation bei den anderen Parteien: CDU (31 von 110), FDP (13 von 56), AfD (4 von 30). Genauer betrachtet zeigt sich bei Liberalen und AfD eine klare Männerdominanz: Während die Liberalen gerade eine Frau auf Platz 3 der aussichtsreichen Plätze positioniert haben, ist die AfD bis Platz 11 frauenfrei. Auf Platz 12 darf eine 39-jährige Doktorandin aus dem Kreis Groß-Gerau antreten. Wenn die demoskopischen Voraussagen im Vorfeld der Landtagswahl zutreffen, werden die Frauenkandidaturen letztlich die Wahlentscheidung von 2,28 Millionen Wählerinnen (52 % aller Wahlberechtigten) weniger beeinflussen als die Frage, mit welchem Spitzenpersonal und welchen Programmen die Parteien antreten.

Hier wird deutlich, dass aus dem Konkurrenzkampf zwischen dem amtierenden Regierungschef Volker Bouffier (67) und dem SPD-Oppositionsführer Thorsten Schäfer-Gümbel (49) inzwischen ein Dreikampf geworden ist. Volker Bouffier ist seit 2010 hessischer Ministerpräsident. Er gilt – nicht zuletzt aufgrund seiner Tätigkeit als CDU-Innenminister (seit 1999) – als schillernde Persönlichkeit, der in eine Reihe von Affären verstrickt war. Unlängst bekannte sich der als konservativer Hardliner geltende Bouffier dazu, dass er die ­Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare ablehnt. Der grüne Spitzenkandidat Tarek Mohammed Al-Wazir (47), Sohn einer deutschen Lehrerin und eines jemenitischen Vaters, wird in Meinungsumfragen als beliebtester hessischer Politiker gehandelt. Der gelernte Diplom-Politologe führte die Grünen 2013 in die erste schwarz-grüne Koalition und ist seitdem stellvertretender Ministerpräsident und im Kabinett für das Ressort Wirtschaft, Energie und Landesentwicklung zuständig. Er gilt als Pragmatiker. Nicht von ungefähr hatte Tarek Al-Wazir schon 2008 den Versuch unternommen, die Grünen in eine von den Linken geduldete rot-grüne Regierung unter der damaligen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu führen. Das Vorhaben scheiterte, weil SPD-Abgeordnete ihrer damaligen Spitzengenossin die Gefolgschaft verweigerten. Danach wurde Thorsten Schäfer-Gümbel, im Genoss*innen-Sprech „TSG“ genannt, 2009 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion und auch SPD-Landesvorsitzender als Nachfolger vfon Ypsilanti. Seit 2013 auch stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, leitet TSG daneben auch das Kulturforum der SPD. Er tritt zum dritten Mal an, um Regierungschef zu werden. Nach den aktuellen Meinungsumfragen könnte es knapp für eine rot-grün-rote Landesregietung reichen.

Artikel als E-Mail versenden