ZWEITES FÜHRUNGSPOSITIONEN-GESETZ : Für die Regierungsmehrheit ein "Meilenstein" auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit

6. Januar 2021 // Holger H. Lührig

Der beharrliche Kampf der SPD-Bundestagsfraktion mit ihren Ministerinnen Franziska Giffey und Christine Lambrecht für mehr Frauen in Unternehmensvorständen hat sich ausgezahlt: Am heutigen Mittwoch hat das Bundeskabinett grünes Licht gegeben für das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II). Ohne den Druck der Frauenverbände und die Zustimmung von CSU-Chef Markus Söder wäre der Gesetzentwurf der SPD-Ressorts, der lange vom Kanzleramt und dem Bundeswirtschaftsminister blockiert wurde, wohl kaum durchs Kabinett gegangen.

zwd Berlin (ig). Der Gesetzentwurf "zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst" ist in gemeinsamer Federführung vom Bundesfrauenministerium und vom Bundesjustizministerium erarbeitet worden. Er stellt eine Weiterentwicklung des 2015 in Kraft getretenen FüPoG dar. Eine zentrale Neuerung ist ein eine gesetzliche Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern. Börsennotierte oder paritätisch mitbestimmte Unternehmen müssen künftig begründen, wenn sie sich die Zielgröße Null für Frauen in Aufsichtsräten, Vorständen und den beiden Führungsebenen unterhalb der Vorstände setzen. Auch für die Unternehmen mit einer Mehrheits­beteiligung des Bundes gibt es neue verbindliche Regelungen: So wird eine Aufsichtsratsquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbeteiligung für Frauen und Männer in den geschäftsführenden Organen bei mehr als zwei Mitgliedern eingeführt.

Der frauenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Sönke Rix und seine Fraktionskollegin Josephine Ortleb begrüßten den Kabinettbeschluss als überfällige Regelung und als "Meilenstein auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit". In gleichem Sinne begrüßte auch die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Nadine Schön den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Wörtlich erklärte die Politikerin: "Wir haben über viele Jahre versucht, den Frauenanteil an Führungspositionen in Unternehmen auf freiwilliger Basis zu erhöhen. Es gab immer wieder Zusagen, dies zu realisieren. Aber die Realität sieht leider anders aus. Jetzt handeln wir." Dass die Union den Gesetzentwurf der SPD-Ministerinnen lange blockiert hatte, war für die Union nun keine Erwähnung mehr wert. Denn nun glaubt der frauenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Markus Weinberg, dass der Gesetzentwurf "Deutschland frauenpolitisch richtig nach vorne" bringe werde. Dafür spricht aus Sicht des Unionspolitikers, dass der Bund "mit großen Schritten" in seinem Verantwortungsbereich weiter vorangehen werde: Auch die gesetzlichen Krankenkassen, Renten- und Unfallversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit müssten künftig eine Frau und einen Mann im Vorstand haben.

Demgegenüber vertraten die Grünen-Politikerinnen Ulle Schauws und Claudia Müller, Sprecherinnen für Frauenpolitik bzw. Mittelstandspolitik, die Auffassung, der Gesetzentwurf sei kein Zeichen für Gleichberechtigung am Ende der Kanzlerschaft von Merkel. Der Regierungsvorschlag sei schwach und stelle lediglich einen Minimalkonsens dar. Frauen dürften zwar jetzt "ein bisschen" mehr mitbestimmen, aber nicht auf Grundlage einer Quotenregelung, sondern lediglich in Form einer Mindestbeteiligung. Weil diese Regelung nur für rund 70 Unternehmen, gelte, sei mit ein Kulturwandel hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und Diversität ganz sicher nicht zu schaffen. Die Grünen-Fraktion hält einen Frauenanteil von mindestens einem Drittel für geboten und wird sich im Bundestag für eine entsprechende Änderung der Regierungsvorlage einsetzen. Ähnlich äußerte sich Doris Achelwilm, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für Gleichstellungspolitik. Für sie ist die Neuregelung eine "Mikro-Version": "Eine durchgreifende Frauenquote sieht anders aus."

Unterstützung für die Regierungsvorlage signalisierten die dbb-Frauen. „Ohne den großen Druck, den die Frauenverbände gemeinsam über Monate hinweg aufgebaut haben, wären wir hier keinen Schritt weiter", hob die Chefin der Frauenorganisation des Deutschen Beamtenbundes, Milanie Kreutz in einer Stellungnahme hervor. Als wesentliche Schwachstelle bezeichnete sie die Einführung einer Begründungspflicht für die Festlegung der Zielgröße Null bei der Besetzung von Aufsichtsräten, Vorständen und den beiden obersten Führungsebenen mit Frauen. Um mehr börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen dazu zu bewegen, sich ambitioniertere Zielvorgaben für die Leitungs- und Vorstandsebene zu setzen, sind nach Ansicht von Kreutz "echte Sanktionsmechanismen" nötig. Die Funktionärin der Deutschen Beamtenbundes hielt der Bundesregierung vor, erneut vor der Wirtschaft eingeknickt zu sein. Von Seiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes und vom Deutschen Frauenrat lagen bis Redaktionsschluss keine Stellungnahmen vor.

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h Angaben der beiden Ministerien sind sechs Punkte im FüPoG II wesentlich:

  • In Vorständen von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit in der Regel mehr als 2000 Beschäftigten, die mehr als drei Mitglieder haben, muss mindestens ein Mitglied eine Frau und ein Mitglied ein Mann sein. Davon werden rund 70 Unternehmen, von denen rund 30 aktuell keine Frau im Vorstand haben, betroffen sein.
  • Unternehmen werden in Zukunft begründen und darüber berichten müssen, warum sie sich das Ziel setzen, keine Frauen in den Vorstand zu berufen. Unternehmen, die keine Zielgröße festlegen oder keine Begründung für die Zielgröße Null angeben, können künftig effektiver sanktioniert werden.
  • Der Bund nimmt seine Vorbildfunktion ernst: Die feste Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent in den Aufsichtsräten wird auf Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes ausgeweitet. Das sind unter anderen die Deutsche Bahn AG, die Bundesdruckerei GmbH oder die Deutsche Flugsicherung. Für die rund 90 Unternehmen wird außerdem eine Mindestbeteiligung von einer Frau in Vorständen, die mehr als zwei Mitglieder haben, eingeführt.
  • Auch in Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den Krankenkassen und bei Renten- und Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit wird eine Mindestbeteiligung von einer Frau in mehrköpfigen Vorständen eingeführt. Das Mindestbeteiligungsgebot wird künftig für rund 155 Sozialversicherungsträger gelten.
  • Der Bund setzt sich auch das Ziel, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen im Geltungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes bis Ende 2025 zu erreichen.
  • Mehr Gleichstellung wird auch die Ausweitung der Vorgaben des Bundesgremienbesetzungsgesetzes erreichen. Künftig fallen bereits Gremien mit nur zwei Mitgliedern vom Bund darunter - wie beispielsweise der Aufsichtsrat der DB Cargo oder der Aufsichtsrat der Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH - und rund 107 weitere Gremien des Bundes sind künftig adäquat mit Frauen zu besetzen.


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