Umso erstaunlicher, dass sich die Koalition drei Jahre später nach langen Verhandlungen gerade einmal auf einen abgespeckten Kompromiss einigen konnte. Aus dem vom Bundesfrauen- und -familienministerium vorgelegten Referentenentwurf gestrichen wurde auf Betreiben der CSU das individuelle Auskunftsrecht für Unternehmen jeder Größe ebenso wie eine verbindliche Verpflichtung zur Durchführung von Prüfverfahren für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Am 7. Oktober wurden die von der SPD hart erkämpften Eckpunkte für ein Entgeltgleichheitsgesetz – auf Seite 5 im Wortlaut –vorgestellt. Es werde ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit geben, kommentierte Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) die Einigung zwischen den Koalitionspartnern: „Damit gelingt uns ein Durchbruch für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft“. Auch ihr Parteichef Sigmar Gabriel würdigte das Ergebnis des Koalitionsgipfels als „gute Woche für die SPD“.
Kaum liegen nun die Eckpunkte auf dem Tisch, werden sie als Affront gegen die Wirtschaft ausgelegt. Die Ursache für den Lohnunterschied läge bei den Frauen selbst und gehe nicht auf Diskriminierung durch den Arbeitgeber zurück, argumentierte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB) schon 2015. Vor wenigen Tagen wurde diese These von dem FDP-Bundespräsidiumsmitglied Michael Theurer bekräftigt. Die unterschiedliche Bezahlung aufgrund des Geschlechtes sei ein „pauschalierter Vorwurf“, verbreitete er. Dies kann klar widerlegt werden, wie Erhebungen von mehreren Institutionen belegen. Nach einer Online-Umfrage des Lohn-Spiegel vom Juli 2014 verdienen – um nur ein Beispiel zu nennen – Erzieherinnen monatlich durchschnittlich 2.450 Euro, ihre männlichen Kollegen dagegen 180 Euro, fast sieben Prozent mehr. Das mag für einige nur eine minimale Differenz sein. Aber die Hochrechnung macht die Dimension deutlich: In einem Jahr summiert sich der Verdienstunterschied zu Ungunsten der Frauen auf 2.160 Euro und in 45 Jahren, einem Berufsleben, erhöht er sich auf 97.200 Euro. Ganz zu schweigen davon, dass sich diese Ungerechtigkeit in der Höhe der Rente fortsetzt.
Aktuell beträgt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen im gleichen Alter, bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit sowie Arbeitszeit fast acht Prozent. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen seien die Eckpunkte zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber dennoch unzureichend. Um dem Gender Pay Gap den Garaus zu machen, müsse das Entgeltgleichheitsgesetz mehr als eine symbolische Wirkung haben und über die Lohntransparenz hinausgehen, argumentieren die KritikerInnen.
Nun ist das Schwesig-Ressort am Zuge, das einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegen muss. Unsere daraus resultierende Frage lautet:
Geben die Eckpunkte den Spielraum, um gesetzlich die im Koalitionsvertrag dokumentierte Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen zu beheben?