HOLGER H. LÜHRIG, zwd-HERAUSGEBER : Gender*sternchen,
Doppelpunkt oder Binnen-I
– wahlentscheidend?

3. Mai 2021 // Holger H. Lührig

Der Kampf um die geschlechtergerechte Sprache wird von den Gegner:innen der Schreibweise mit Sternchen, Doppelpunkt oder sogenanntem Binnen-„I“ immer härter geführt. Bis auf Weiteres will der Deutsche Rat für Rechtschreibung dem Asterisk nicht in das Regelwerk der deutschen Sprache aufnehmen. Der Abwehrkampf der Reformgegner zielt auf die Bundestagswahl am 26. September,von der sie hoffen, dass die künftigen Mehrheiten im Parlament eine gegenläufige Entwicklung einleiten könnten. Das ist kaum zu erwarten. Gewinnen wird die geschlechtergerechte Schreibweise auf jeden Fall, schreibt zwd-Herausgeber Holger H. Lührig in seiner Kolumne im zwd-POLITIKMAGAZIN 384.

zwd Berlin (ig). Ein Blick in die Parteiprogramme macht deutlich, dass in den Entwürfen zu den Wahlprogrammen von SPD (Frauenanteil 32,8 % von 404.305 Mitgliedern), Grünen (41 %) und Linken (36,4 %) der Gender*stern Einzug gehalten hat. Die FDP (21,6) hat sich weitgehend bemüht, beide Geschlechter zu benennen, soweit sie nicht von „Menschen“ spricht. So ist zumeist von Bürgerinnen und Bürgern, von Pädagoginnen und Pädagogen oder Schülerinnen und Schüler die Rede. Aber die Geschlechtergerechtigkeit endet im FDP-Programm bei Begriffen wie „Beamte“, „Lehrerausbildung“ und bei Maßnahmen, „die den Bürgern das Leben erleichtern“. Generell sprechen die Liberalen von „Wir Freie Demokraten“, was dem Mann an der Spitze der FDP Christian Lindner ohnehin in seiner One-Man Show leichter über die Lippen gehen dürfte als Freie Demokratinnen und Demokraten.

CDU/CSU: Geschlechtergerecht ja, aber ohne jede Form von Asterisk

Die Schwesterparteien CDU (26,5 %) und die CSU (21,3 %) haben noch kein gemeinsames Wahlprogramm. Klar ist jedoch, dass sie sich in der Ablehnung von gegenderten Präfixen einig sind. Das wird in einer Antwort auf eine Befragung des Vereins Deutsche Sprache deutlich, wie denn CDU/CSU „zu den Auswirkungen der administrativ verordneten sog. ‚geschlechtergerechten Sprache‘ auf das Standarddeutsche stehen, dessen Funktionalität als Kommunikationsmittel dadurch eingeschränkt wird?“ Die Antwort nimmt Bezug auf die von Bund und Ländern inzwischen gefassten Kabinettsbeschlüsse u. a. auch zur konsequenten Umsetzung einer geschlechtergerechten Sprache in Politik und Verwaltung. Dazu wird ausgeführt: „Entsprechend wollen CDU und CSU als dem Rechtsstaat verpflichtete Parteien im Schriftverkehr auf die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern achten und geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen bzw. Paarformeln verwenden. Allerdings schließen wir Formulierungen mit dem „generischen Maskulinum“ auch nicht gänzlich aus. Zudem werden wir bestimmte Gender-Übertreibungen sicherlich vermeiden. Hierzu zählen beispielsweise „Student_innen“, das Begriffskonstrukt „frau“ anstelle von „man“; aber auch weitere oft eingeforderte Schreibweise wie die Formulierungen „Inter*“ und „Trans*“für Menschen mit wechselnder oder nicht eindeutiger Geschlechtsidentität.“

Das generische Maskulinum hat ausgedient

Im Vorfeld des beginnenden Bundestagswahlkampfs hat Friedrich Merz mit herablassenden Bemerkungen über die gendergerechte Sprache sein Weltbild veranschaulicht. Den TV-Nachrichtenmoderator:innen spricht er ebenso wie den Wissenschaftler:innen an den Universitäten das Recht ab, gegenderte Sprachformen zu verwenden. Für ihn sei es sogar geboten, ein Verbot solcher Formulierungen in Betracht zu ziehen, sagte Merz auf einer Wahlkampfveranstaltung. Zu ihm und anderen Gegner:innen der geschlechtergerechten Sprache, die maßgeblich in der AfD beheimatet sind, hat sich seit einiger Zeit auch der Philosoph Richard David Precht gesellt, der das Verlangen nach einer gendergerechte Sprache als „eine der dümmsten Ideen“ herabgewürdigt hat. Von denen, die solche „dümmsten Ideen“ ernst nehmen, gibt es freilich in Deutschland viele. Eine Anfang Januar veröffentlichte Untersuchung im ZEIT-Magazin förderte zu Tage, dass nicht nur auf den Internetseiten aller deutschen Großstädte geschlechtergerechte Formulierungen verwendet werden, sondern dass schon 26 von 81 Großstädten alternativ auch das Gender*Sternchen in amtlichen Dokumenten verwenden, nicht selten sind zudem verschiedene Schreibvarianten zugelassen. Dass inzwischen Automobilkonzerne mit der Zeit gehen, zeigt das Beispiel Audi Dort wurde ab 1. März die Schreibweise mit Unterstrich („Audianer_innen“) eingeführt. PR-Expert:innen sind überzeugt, dass das generische Maskulinum in der internen wie externen Unternehmenskommunikation ausgedient hat.

Rat für Rechtschreibung: "Zu diesem Zeitpunkt" keine Empfehlung

Der Verein Deutsche Sprache will jetzt gegen die Uni Kassel Gerichtsprozesse von Studierenden finanzieren, weil diese nach den Worten des VDS-Vorsitzenden Walter Krämer „mit allen möglichen Methoden drangsaliert“ werden, indem ihnen im Falle des Nicht-Genderns schlechtere Noten bei Prüfungen angedroht werden. Die Universität, in deren Mauern die geschlechtergerechte Sprache als gängige Praxis gilt, hat ihren Dozent:innen „im Sinne der Lehrfreiheit“ freigestellt, „die Verwendung geschlechtergerechter Sprache als ein Kriterium für Prüfungsleistungen heranzuziehen“. Prompt folgte die Reaktion des Rates für die deutsche Rechtschreibung mit der Empfehlung, den Gender*stern nicht in das Regelwerk der Deutschen Sprache aufzunehmen. Man sorgt sich um ein unkontrolliertes Nebeneinander. In seiner Sitzung vom 26. März hat der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Auffassung bekräftigt, „dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen.“ Diese gesellschaftspolitische Aufgabe könne aber „nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden“. Mit Blick auf das Amtliche Regelwerk für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege hat der Rat „die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen“. Die Angabe „zu diesem Zeitpunkt“ in dem als „Zwischenbericht“ gekennzeichneten Empfehlung verrät, dass der Rat bis 2022 der Kultusministerkonferenz eine neue Empfehlung zu unterbreiten hat. Dabei werden die Ergebnisse der Bundestagswahl und der weiteren Landtagswahlen nicht ohne Auswirkungen bleiben.

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