EQUAL PAY DAY 2020 : Lohnlücke hat strukturelle Ursachen: Bessere Löhne in Sozialberufen gefordert

18. März 2020 // Ulrike Günther

Frauen verdienen mit Erwerbsarbeit immer noch weniger als Männer. Zum Equal Pay Day am 17. März haben SPD, Grüne und Linke, doch auch Gewerkschaften und Feminist*innen gleiche Löhne für gleiche Arbeit gefordert. Demnach gilt es vor allem, strukturelle Ungleichheiten zu beseitigen und soziale und Pflegeberufe besser zu bezahlen. Das Erfordernis zu handeln mache besonders die Corona-Krise deutlich.

Equal Pay Day - Bild: BPW Germany
Equal Pay Day - Bild: BPW Germany

zwd Berlin. Der Kampf um gleiche Bezahlung müsse weitergehen, betonte Bundesfrauenministerin Franziska Giffey anlässlich des Equal Pay-Tages. Sie setze sich für eine „umfassende Strategie ein, die so vielfältig ist wie die Ursachen des Gender Pay Gaps komplex sind“, erklärte Giffey. Gleiches Entgelt für beide Geschlechter bedeute Gleichstellung und noch mehr. Das von Giffey gemeinsam mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erarbeitete Führungspositionen-Gesetz für mehr Frauen in Aufsichtsräten gehört laut der Familienministerin ebenso zu einer solchen Strategie wie ihr Plan, soziale Berufe aufzuwerten, oder das Gute-KiTa-Gesetz, das für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen soll.

Lohnlücke zwischen den Geschlechtern bei 20 Prozent

Nach aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) betrug die Lohnlücke 2019 bundesweit ca. 20 Prozent. Damit ist der Gender Pay Gap gegenüber dem Vorjahr um 1 Prozentpunkt zurückgegangen. Mit im Mittel 17,72 Euro Stundenlohn verdienen Frauen Destatis zufolge durchschnittlich 4,44 Euro pro Arbeitsstunde weniger im Vergleich zu Männern (22,16 Euro). Der Unterschied zwischen dem Gehaltsgefälle in Ost- und Westdeutschland ist weiterhin groß. Während die Lohnlücke sich in den westdeutschen Bundesländern 2019 mit 21 Prozent bezifferte, lag sie in den ostdeutschen Ländern bei nur 7 Prozent. Seit 2010 ist nach den von Destatis erhobenen Daten nur ein sehr allmählicher Rückgang des (unbereinigten) Gender Pay-Gefälles um insgesamt 2 Prozentpunkte zu verzeichnen.

SPD fordert höheren Mindestlohn und Tarifbindungen

Um der zu niedrigen Entlohnung von Pflegekräften entgegenzuwirken, fordern die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Maria Noichl für diese bessere Löhne nach allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Außerdem streben sie einen höheren, gesetzlich festgelegten Mindestlohn von „perspektivisch“ 12 Euro pro Stunde an. Darüber hinaus setzen sich Esken und Noichl für Tarifbindungen ein, denn in Betrieben mit Tarifverträgen falle die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern wesentlich geringer aus. Da Gehaltsgefälle nicht individuell, sondern strukturell verursacht seien, verlangen die Sozialdemokrat*innen zudem, als Teil des Entgelttransparenzgesetzes ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften einzuführen.

Linke Parteien und Frauenverbände wollen Pflegekräfte besser entlohnen

„Tätigkeiten und Berufe in sozialer Arbeit, Gesundheit, Pflege und Erziehung sowie haushaltsnahe Dienstleistungen müssen grundlegend aufgewertet werden“, forderte die gleichstellungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Doris Achelwilm, um dem Lohndefizit in den sozialen Berufen zu begegnen. Das sehen die dbb-Bundesfrauenvertretung und der DF ebenso. Angesichts der durch das Corona-Virus ausgelösten Krise wiesen SPD, Linke und Frauenverbände auf den deutlich sichtbaren Wert der Pflegearbeit hin, der entsprechend in angemessener Höhe zu honorieren sei. Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats (DF) Mona Küppers mahnte, wenn die Bundesregierung der „krisenleidenden Wirtschaft“ unbegrenzt Fördermittel in Aussicht stelle, müsse auch „Geld da sein, um dem akuten Pflegekräfte- und Erzieher*innenmangel mit höheren Gehältern entgegenzuwirken“.

Mit Blick auf die in der Gesellschaft zwischen den Geschlechtern ungleich verteilte Care-Arbeit sagte die DF-Vorsitzende Küppers, es seien „politische Maßnahmen“ erforderlich, „die eine partnerschaftliche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit unterstützen, Männer in die Verantwortung nehmen und Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit fördern“. Dazu zählen laut der DF-Vorsitzenden ein Anspruch auf an Lebensphasen orientierte Arbeitszeiten sowie Entgeltersatzleistungen für Zeiten der Pflege. „Besoldungs- und Tarifpolitik ist Gleichstellungspolitik“, unterstrich das Vorstandsmitglied der Erziehungsgewerkschaft GEW Frauke Gützkow und machte sich für höhere Gehälter von beamteten wie angestellten Lehrkräften in allen Bundesländern stark. Das gilt nach Aussagen von Gützkow vor allem für die großen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die Lehrer*innen noch nach den ungünstigeren Tarifverträgen bezahlen.

Grüne kritisieren geltendes Gesetz zur Entgelttransparenz

Die Grünen kritisierten zum diesjährigen Equal-Pay-Tag das geltende Entgelttransparenzgesetz, da es „keinerlei Verbesserung gebracht“ habe, wie die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Ulle Schauws und die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen Beate Müller-Gemmeke beklagten. Frauen würden mit dem Gesetz „allein gelassen“, so die Grünen-Politikerinnen. Sie wollen daher „ein echtes Entgeltgleichheitsgesetz mit verbindlichen und zertifizierten Prüfverfahren“ schaffen, durch welches sowohl kleinere als auch größere Betriebe zur Verantwortung gezogen werden. Wie die SPD treten Schauws und Müller-Gemmeke für ein Verbandsklagerecht ein sowie ein anzuwendendes Gruppenverfahren, um betroffenen Frauen bei möglichen Gerichtsverfahren Unterstützung zu gewährleisten.

Nach Angaben von Destatis liegen die Ursachen für das Gehaltsgefälle überwiegend in den Strukturen der weiblichen Berufstätigkeit: Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Jobs als Männer und erreichen seltener Führungspositionen. Darüber hinaus ist ihr Erwerbsverhalten öfter als das von Männern durch die Übernahme von Teilzeitarbeit oder geringfügigen Beschäftigungen geprägt. Laut Destatis war im Jahr 2018 fast die Hälfte (47 Prozent) aller Frauen zwischen 20 und 64 Jahren in Teilzeit tätig, hingegen nur 9 Prozent der Männer im gleichen Lebensalter. Als Hauptgründe nannten die betroffenen Frauen Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder andere familiäre Aufgaben. Der Verdienstunterschied der Geschlechter bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation (sog. bereinigter Gender Pay Gap) betrug 2014 6 Prozent.

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