BILDUNG UND CORONA-KRISE : Gerechte Bildungschancen für Flüchtlingskinder gefordert

10. Juli 2020 // Ulrike Günther

Geflüchtete Kinder haben es in der Corona-Krise besonders schwer: In den Sammelunterkünften ist ihre Gesundheit nicht immer geschützt, Konflikte verschärfen sich. Die ungleichen Bildungschancen der Flüchtlingskinder drohen sich weiter zu verschlechtern. Flüchtlingsverbände und Erziehungsgewerkschaft fordern von den Bundesländern Maßnahmen, um für die Schüler*innen die Teilhabe an der Bildung zu gewährleisten.

Flüchtlingskinder lernen unter erschwerten Bedingungen. - Bild: Wikimedia / UK Dep. for Intern. Develop.
Flüchtlingskinder lernen unter erschwerten Bedingungen. - Bild: Wikimedia / UK Dep. for Intern. Develop.

zwd Berlin/ Frankfurt. Die Landesflüchtlingsräte, der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), Erziehungsgewerkschaft GEW und PRO ASYL mahnen in einer Stellungnahme vom Freitag (10. Juli), dass sich die ungerecht verteilten Zugänge zur Bildung durch die Corona-Epidemie für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen noch stärker verbauen könnten. Die Organisationen verlangen, dass man strukturellen Benachteiligungen dieser Schüler*innen dringend entgegenwirken müsse.

Bildungsverhältnisse für Flüchtlingskinder noch ungerechter

Auch die Referentin für sozialpolitisches Engagement für S.O.S. Kinderdorf Luise Pfütze, Mitglied im Vorstand der National Coalition für die Verwirklichung der UN-Kinderrechte, macht auf die missliche Bildungssituation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aufmerksam. Für sie sei während der Epidemie „der Zugang zum Bildungssystem (…) deutlich erschwert“. Die geflüchteten Minderjährigen seien in ihren Bildungschancen benachteiligt, nicht nur da es an der technischen Ausstattung fehle, sondern auch an Hilfe von Personen, die im Home-Schooling den Unterrichtsstoff vermitteln, betonte die Advocacy-Referentin Pfütze.

Das Bündnis zivilgesellschaftlicher Kinderrechtsvereine National Coalition hebt hervor, dass Kinder mit Migrationshintergrund wie andere strukturell benachteiligte Schüler*innen durch das Umstellen auf den digitalen Unterricht in der Krise die ungerechten Bildungsverhältnisse noch mehr als sonst zu spüren bekommen. Die „digitale Spaltung der Gesellschaft“ tritt nach Aussagen des Zivilvereins verstärkt zutage, da diese Kinder nicht gleichberechtigt mit den für Fernunterricht und Kommunikation mit Lehrenden benutzten digitalen Geräten sowie Internet versorgt wären..

Geflüchtete Minderjährige brauchen Förderangebote und Lernräume

Die Flüchtlingsverbände und die GEW rufen die verantwortlichen Akteur*Innen in den Bundesländern zu schnellem Handeln auf „Bildung darf nicht warten“ unterstrich die Vorsitzende der GEW Marlies Tepe. Um den geflüchteten Kindern und Jugendlichen eine verbesserte Teilhabe an der Bildung zu ermöglichen, gelte es noch innerhalb der Sommerferien, die digitale Ausrüstung in den Sammelunterkünften angemessen zu erweitern.

Man müsse Vorkehrungen treffen, falls es erneut zu Kontakt- und Ausgangssperren aufgrund einer zweiten Erkrankungswelle kommen sollte. Geeignete Lernräume seien zur Verfügung zu stellen sowie multiprofessionelle Angebote zu schaffen, so die Organisationen. Nach Auffassung von Tepe seien außerschulische Förder- und Lernhilfen, welche für die Schüler*innen den digitalen Unterricht in Vorbereitungsklassen oder den Übergang zur Regelschule einfacher machen, ebenso wichtig wie die Verbesserung der technischen Ausstattung in den Flüchtlingsheimen.

Digitale Ausstattung und Hilfsangebote fehlen meistens

Nach Aussagen der Flüchtlings- und Gewerkschaftsverbände sind in den Sammelunterkünften für die Kinder und Jugendlichen die grundlegenden Voraussetzungen für die Teilnahme am digitalen Unterricht nicht erfüllt. Darüber hinaus gebe es kaum verlässliche Strukturen, welche den geflüchteten Minderjährigen die erforderliche Unterstützung böten, erklärte die GEW-Vorsitzende Tepe. Einerseits mangele es in den Flüchtlingsheimen meist an den nötigen technischen Hilfsmitteln, wie im Wohnbereich verfügbaren WLAN, und digitalen Geräten, wie Computern, Laptops oder Druckern. Kontingente auf Handys für mobiles Internet seien nach ein paar Tagen schon wieder verbraucht, veranschaulichen die Verbände die praktischen Hindernisse beim Lernen für die geflüchteten Kinder.

Hilfen beim digitalen Lernen und soziale Kontakte sind wichtig

Andererseits seien laut den Vereinen auch die allgemeinen Bedingungen für das Lernen in der Krisen-Zeit besonders ungünstig. Grundsätzlich gestalte sich für die Kinder das Beschäftigen mit dem Unterrichtsstoff dadurch problematisch, dass die Familien auf engem Raum zusammenleben. Da aufgrund der Schutzmaßnahmen gemeinschaftlich genutzte Räume geschlossen seien, hätten die Schüler*innen nun allerdings so gut wie keine Möglichkeiten mehr, sich zum Lernen zurückzuziehen. Auch die Hilfen durch ehrenamtliche Betreuer*innen bei den Hausaufgaben oder ähnliche Angebote seien nach Angaben der Organisationen während der Corona-Zeit stark eingeschränkt. Die Eltern der Kinder seien wegen mangelnder Deutschkenntnisse häufig nicht in der Lage, beim Lernen kompetente Ratschläge zu erteilen.

Die Flüchtlings- und Gewerkschaftsverbände weisen in ihrer Stellungnahme ebenfalls auf die prekäre Situation unbegleiteter Minderjähriger und alleinstehender junger Erwachsener hin. Demnach litten sie in den Einrichtungen der Jugendhilfe verstärkt darunter, dass ehrenamtliche Helfer*innen sie in der Krise nicht genug betreuen und unterstützen könnten. Außerdem würden den jungen Flüchtlingen soziale Kontakte fehlen, die sie sonst zu Personen außerhalb der Institutionen pflegen, was sich zusätzlich zu ihren schwierigen Lebensumständen nachteilig auf ihre Motivation und Erfolge beim Lernen auswirke.

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