GLEICHWERTIGE LEBENSVERHÄLTNISSE - ANTWORT DER BUNDESREGIERUNG : Ost-Gender Pay Gap geringer, mehr West-Frauen in Teilzeit

6. Mai 2024 // Ulrike Günther

Die geschlechtsspezifische Lohnlücke ist in Ostdeutschland deutlich geringer als in den westlichen Bundesländern. Frauen im Osten der Republik arbeiten seltener in Teilzeit und sind auch mit Kindern häufiger ganztägig berufstätig. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Gruppe Die Linke zur Gleichstellung sowie gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost- und Westländern hervor.

Geschlechterverhältnisse in Ost wie West sind noch unausgewogen. -  Bild: AlphaStock Im./ Nick Yougson
Geschlechterverhältnisse in Ost wie West sind noch unausgewogen. - Bild: AlphaStock Im./ Nick Yougson

zwd Berlin. Demnach lag 2023 der sog. unbereinigte Gender Pay Gap in der östlichen Bundesrepublik bei durchschnittlich 7 Prozent, in den westdeutschen Ländern hingegen bei 19 Prozent. Das geschlechtsbezogene Lohngefälle stieg damit in Ostdeutschland seit 2006 lediglich um 1 Prozent, im Westen sank es seitdem um 5 Prozent. Insgesamt betrug die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern gemäß Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) bundesweit – seit 2018 unverändert – im Mittel 18 Prozent, heißt es in der Regierungsantwort (Drs. 20/ 11157). Bei einem mittleren Bruttoverdienst pro Stunde von 20,84 Euro verdienten Frauen 4,46 Euro weniger als Männer (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete). Aus Sicht der Linken-Politiker:innen unterscheiden sich die Lebensverhältnisse in den östlichen und westlichen Landesteilen auch über 30 Jahre, nachdem sich die Wende vollzog, „immer noch enorm“. Mit ihrer Anfrage (Drs.20/ 10821) zielen sie darauf ab, neuere „Zahlen und Vergleichswerte" zu den Lebensumständen von Frauen und Männern in Ost und West zu sammeln.

IAB: Geschlechterrollen möglicher Grund für Ost-Gender-Lohnlücke

Laut einer aktuellen, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchgeführten Studie zum regionalen Gender Pay Gap, auf die sich die Bundesregierung bezieht, könnte die geringere Lohnlücke zwischen ostdeutschen Frauen und Männern auf „egalitärere() Geschlechterrollen“ zurückzuführen sein, die auch weniger starke Differenzen in der geschlechtsspezifischen Beschäftigungsstruktur mit sich bringe. Das trage möglicherweise dazu bei, dass Frauen in den ostdeutschen Regionen „weniger benachteiligt sind als im noch stärker traditionell geprägten Westdeutschland“, schreiben die Forscher:innen. Als weiteren denkbaren Grund für das geringere Lohngefälle im Osten nennt die Studie die erheblich niedrigeren Verdienste der ostdeutschen Männer im Vergleich zu denen männlicher Erwerbstätiger im früheren Bundesgebiet. Demgegenüber fällt der Abstand zwischen Löhnen östlicher und westlicher Frauen nach IAB-Angaben viel geringer aus. Bei den Tagesentgelten belief sich dieser 2021 auf durchschnittlich 16,32 Euro (Männer: 35,59 Euro). Dennoch waren die Bewohner:innen der neuen Länder nach den Informationen der Regierung 2022 im Durchschnitt höher qualifiziert als im Westen: 89,2 Prozent der Männer und 88 Prozent der Frauen aus Ostdeutschland verfügten über einen Hochschulabschluss oder eine Berufsausbildung, gegenüber jeweils 76,4 Prozent der Westdeutschen bei beiden Geschlechtern.

Mehr Teilzeit bei Westlerinnen, mehr Ganztagsarbeit ostdeutscher Mütter

Die Erwerbsquote von Frauen im Osten und Westen war 2023, wie die Bundesregierung ausführt, mit 74,0 (Ost) bzw 73,4 Prozent (West) annähernd gleich hoch. Männer waren nach Zahlen von Destatis (West: 81,2 Prozent, Ost: 79,3 Prozent) bei einer Kluft von im Mittel ca. 7 Prozent häufiger berufstätig als Frauen. Die Teilzeitraten von Frauen und Männern unterscheiden sich immer noch beträchtlich. Während knapp die Hälfte der berufstätigen Frauen (48,2 Prozent) im selben Jahr in Teilzeit arbeitete, war es bei den männlichen Beschäftigten nur etwas mehr als ein Zehntel (11,4 Prozent). Dabei gingen ostdeutsche Frauen (41,1 Prozent) seltener Beschäftigungen mit verkürzten Arbeitszeiten nach als westliche weibliche Erwerbstätige (49,8 Prozent).

Umgekehrt war bloß rund ein Drittel der westdeutschen Frauen mit Kindern (32,8 Prozent) in Vollzeit tätig, in Ostdeutschland fast dreimal so viele (92,5 Prozent). Mütter in Ost und West bekamen 2023 mit durchschnittlich 14,8 Monaten (Ost: 13,8 Monate, West: 15 Monate) über eine wesentlich längere Dauer Elterngeld als Väter mit 3,7 Monaten (Ost: 4,0 Monate, West: 3,7 Monate). Geringfügig beschäftigt waren nach den von der Regierung bereitgestellten Werten 3,38 Mill. Frauen im Westen der Bundesrepublik, im Osten ca. 476.000 (d.h. auf der Grundlage der Bevölkerungsstatistik Destatis, 2022, ungefähr 17 bzw. 13 Prozent weiblicher 18- bis 64-jähriger Erwerbstätiger in den Regionen).

Höherer Betreuungsbedarf bei jüngeren westdeutschen Kita-Kindern

Von 1,396 Mill. alleinerziehenden Frauen mit minderjährigen Kindern stammte über ein Viertel aus den neuen Bundesländern (332.000 Personen), ebenso von den 301.000 männlichen Alleinerziehenden (76.000 Personen). Diskrepanzen zwischen den Verhältnissen in den neuen Ländern und im Gebiet der früheren Bundesrepublik herrschen weiterhin bei der Inanspruchnahme von Kita-Betreuung, vor allem bei den jüngeren Kindern. Zwar erreichte die Quote bei den unter Dreijährigen 2022 mit 35,5 Prozent Regierungsangaben zufolge einen neuen Rekordwert, mit 53,3 Prozent besuchten jedoch über ein Fünftel mehr ostdeutsche Kleinkinder dieser Altersgruppe den Kindergarten als westdeutsche (31,8 Prozent). Anders bei den Drei- bis Fünfjährigen, die bundesweit zu 92,0 Prozent frühkindliche Bildungsangebote nutzten: Mit 93,9 Prozent waren es in Ostdeutschland unwesentlich mehr als in den westdeutschen Ländern (91,6 Prozent). Der von Eltern angemeldete Bedarf überschritt die tatsächlichen Betreuungsquoten, bei den unter dreijährigen Kindern um 13,6 Prozent (Ost: 7,4 Prozent, West: 14,9 Prozent), bei den Kindern von drei bis fünf Jahren um 4,5 Prozent (Ost: 3,1 Prozent, West: 4,8 Prozent).

In Ost- wie Westdeutschland übersteigt die Arbeitslosenquote der Männer die der Frauen: Mit 7,5 Prozent war 2023 nach Regierungsaussagen ein größerer Anteil der Männer im Osten ohne Arbeit als im Westen, mit 6,8 Prozent gab es mehr ostdeutsche weibliche Arbeitslose als westdeutsche (5,2 Prozent). Wie bei den Bruttoverdiensten ergaben sich höhere geschlechtsbezogene Unterschiede bei den Renten: Frauen erhielten im Mittel 365 Euro weniger als Männer (F: 910 Euro, M: 1275 Euro), ostdeutsche Rentnerinnen mehr als westdeutsche (Ost: 1109 Euro, West: 865 Euro). Von Armut bedroht waren in den östlichen und westlichen Landesteilen 2022 in etwa gleich viele Frauen, das dafür maßgebliche Risiko, weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen sog. Nettoäquivalenzeinkommens zu verdienen, beziffert die Regierung auf 17,8 Prozent (West) bzw. 17,9 Prozent (Ost).

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