MEDIEN UND GESCHLECHT : Geschlecht im Wahlkampf 2005: „Er oder Sie“

10. April 2006 // ticker

zwd Berlin (jul) – Kanzlerin Merkel wurde im Wahlkampf 2005 nach widersprüchlichen Maßstäben gemessen. Als Frau und als Politikerin sollte sie unterschiedlichen Erwartungen genügen und sorgte in der Medienlandschaft für Irritationen. So die Ergebnisse einer Medienanalyse, die Studierende der Humboldt-Universität beim Seminar „Angela Merkels Weg zum ersten ‚weiblichen Kanzler’ - Gender im Wahlkampf 2005“ am 8. April in Berlin präsentierten.

Politik als Männerdomäne und das Dominanzverhalten vieler männlicher Politiker seien erst mit der Nominierung Merkels zum Medienthema geworden, so Sylka Scholz, Gastprofessorin für Internationale Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Hildesheim und Leiterin des Projektes. Während Weiblichkeit in der Politik immer als „das Andere“ verhandelt wurde, blieb „Männlichkeit“ unmarkiert. Erst durch den „er-oder-sie–Wahlkampf“ seien stereotyp männliches Verhalten sowie männerbündlerische Strukturen in der Politik sichtbar geworden. In der Folge sei eine Kritik an der Politikerpersönlichkeit der „vierschrötigen Kerle“ laut geworden, so Scholz.

Merkel im Dilemma zwischen ‚zu schwach’ oder ‚zu unweiblich’
Die Bewertung und Darstellung Merkels in den Medien während des Wahlkampfes war widersprüchlich, so ein weiteres Ergebnis der Medienanalyse, die die Studierenden vorstellten. Grund für diese Irritationen seien widersprüchliche Erwartungen an Merkel als Frau und an Merkel als „Politiker“ gewesen. Liebenswürdig, rücksichtsvoll und schön sollte Merkel als Frau sein, wärend sie als Politikerin der typischerweise männlichen Politikerpersönlichkeit entsprechen sollte. Merkel wurde einerseits als zu „unweiblich“ im Sinne von rücksichtslos und kalt kritisiert. Gleichzeitig wurden ihr Führungsstärke und Durchsetzungsvermögen als stereotyp männliche Attribute abgesprochen, so das Ergebnis der Analyse. Ganz anders die Präsentation Schröders in den Medien: Er wurde durchgehend als sehr männlich dargestellt.

Viele Journalistinnen hätten zudem Merkels mangelndes frauenpolitisches Engagement kritisiert. Als weibliche Politikerin wurde sie diesbezüglich mit Erwartungen konfrontiert, die angesichts des Wahlprogramms der CDU entäuscht wurden. Eine stärkere Betonung frauenpolitischer Belange wie auch die Hervorhebung ihrer Ostherkunft hätten Merkel indessen als gesamtdeutsche Kanzlerkandidatin in der Medienöffentlichkeit disqulifiziert, so die Studierenden. Eine Publikation der Ergebnisse ist für Herbst geplant.

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