URTEIL OBERVERWALTUNGSGERICHT : Gesichtsschleier: Mehrere Bundesländer wollen ihre Schulgesetze ändern

7. Februar 2020 // Ulrike Günther

Die Landesregierungen von Hamburg, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben angekündigt, die Vollverschleierung von Schülerinnen im Unterricht per Gesetz verbieten zu lassen. Sie reagieren damit auf ein Urteil des Hamburger Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 03. Februar, das der Schülerin einer Berufsschule das Tragen eines Niqab ausdrücklich gestattete.

Muslimin mit Niqab - Bild: pixabay / Hans Braxmann
Muslimin mit Niqab - Bild: pixabay / Hans Braxmann

zwd Berlin/ Hamburg. Daraufhin erklärte Hamburgs Senator für Schule und Berufsbildung Ties Rabe (SPD - Bild), seine Regierung werde es „nicht dulden, wenn Schülerinnen und Schüler ihr Gesicht hinter einem Tuch verbergen“. Der Senat plane eine zügige Änderung des Schulgesetzes, welche die vollständige Verschleierung „unmissverständlich“ untersage. Rabe begründete die Entscheidung seiner Behörde mit den Erfordernissen der schulischen Lernsituation. Guter Schulunterricht sei nur möglich, „wenn alle Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer ihr Gesicht zeigen.“ Das Lernen im Klassenzimmer brauche eine „offene Kommunikation“, sagte der Schulsenator. Für ein nutzbringendes Unterrichtsgespräch sei es „unabdingbar, dass sich die Beteiligten dabei ins Gesicht blicken können“.

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD)

Mimik und Gestik seien für einen nachhaltigen, erfolgreichen kommunikativen Austausch zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen wichtig, so Rabe. Das Hamburger OVG hatte in seinem Entscheid befunden, dass für ein Verbot von Gesichtsschleiern im Unterricht die rechtliche Grundlage fehle. Es berief sich wesentlich auf die im Grundgesetz (GG) garantierte Freiheit des Glaubens, die dem religionsmündigen Mädchen „vorbehaltlos“ zu gewährleisten sie. Damit bestätigte das OVG das Urteil des Verwaltungsgerichtes, gegen welches die Stadt Hamburg Beschwerde eingelegt hatte. Die Schule hatte zuvor von der Mutter der 16-jährigen Schülerin verlangt, dafür Sorge zu tragen, dass diese ohne Niqab am Unterricht teilnehme. Da die Mutter das verweigerte, war das Mädchen in einem gesonderten Raum unterrichtet worden.

Grüne sprechen sich für Verbot von Gesichtsschleiern an Schulen aus

Unterstützung fand Rabes Haltung von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Bündnis 90/ Die Grünen), die Burka und Niqab als „Unterdrückungssymbole“ bezeichnete. Mit verschleiertem Gesicht sei im Unterricht eine „gute Kommunikation auf Augenhöhe“ nicht möglich. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der grünen Bundespartei Robert Habeck. Für ein Verbot der Vollverschleierung an Hochschulen, wie es seit mehreren Monaten in Kiel diskutiert wird, sieht er aber rechtliche Hürden, erklärte er gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) gab am Dienstag nach dem Hamburger Gerichtsurteil bekannt, dass sie das Anlegen von Niqabs im Unterricht per Gesetz verbieten werde.

Eisenmann betonte, Schulen seien „Orte des Miteinanders und der Begegnung“. Wie Schulsenator Rabe ist sie der Ansicht, dass ein vollständig verschleiertes Gesicht eine offene Kommunikation verhindere. Die schwarz-grün-gelbe Koalitionsregierung in Schleswig-Holstein hatte schon am Tag zuvor mitgeteilt, die Vollverschleierung im Schulunterricht verbieten zu wollen. Dafür würde das Schulgesetz entsprechend geändert. Darüber hinaus strebt die Koalition gesetzliche Regelungen für den Hochschulbetrieb an. Diese sollten die Identifikation von Student*innen mit Niqabs bei Prüfungen oder Einschreibungen sicherstellen. Anlass zur Diskussion hatte eine muslimische Studentin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel gegeben, die trotz des Verbots vonseiten der Universitätsleitung immer wieder versuchte, Lehrveranstaltungen mit verschleiertem Gesicht zu besuchen.

Linke und GEW kritisieren die Entscheidung, das Schulgesetz zu ändern

Kritik an der Entscheidung des Hamburger Senats kam von der Landtagsfraktion der Linken. Deren bildungspolitische Sprecherin Sabine Boeddinghaus hob die im GG verankerte Religionsfreiheit hervor und stellte in Frage, ob es überhaupt rechtlich erlaubt sei, das Schulgesetz in der angestrebten Art zu ändern. Die Linken--Politikerin unterstrich außerdem das Recht auf Selbstbestimmung von Frauen und argumentierte, das Untersagen der Gesichtsverschleierung sei „absolut kontraproduktiv“, da man auf diese Weise das Fortführen des Gesprächs verhindere. Stattdessen befürwortet Boeddinghaus eine „Diskussion mit kühlem Kopf“, bei welcher die Rechte der Bürger*innen gewahrt bleiben.

Auch das Mitglied des Vorstands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) Ilka Hoffmann sprach sich gegen das Vorhaben des Hamburger Senats aus. Ein Verbot würde kaum Möglichkeiten offenhalten, um pädagogisch Einfluss zu nehmen sagte sie im Interview mit dem Deutschlandfunk. Sie fände es zwar problematisch, wenn Mädchen vollverschleiert am Unterricht teilnähmen, erachtet es aber für wichtig, im Gespräch zu bleiben. „Pädagogik heißt immer Dialog“, erklärte Hoffmann. Sie schlägt Beratung für Schulen und mehr Fortbildungen vor, die Lehrkräften bei Problemen im Spannungsfeld des Islam helfen sollen.

Bayern und Niedersachsen haben schon gesetzliche Regelungen

An bayerischen und niedersächsischen Schulen dürfen Mädchen schon seit 2017 nicht mit verschleiertem Gesicht am Unterricht teilnehmen. In Rheinland-Pfalz und Hessen hält man in den Kultusministerien das Tragen von Niqabs in der Schule zwar auch für unzulässig, Änderungen der Schulgesetze sind bislang allerdings noch nicht geplant. Bei Niqab und Burka handelt es sich um Kleidungsstücke muslimischer Frauen, welche den gesamten Körper einschließlich des Gesichtes bis auf die Augen bedecken.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hingegen befürwortete Schulsenator Rabes Haltung und wandte sich gegen das Urteil des Gerichts. Dieses sei „in vielerlei Hinsicht ein fatales Zugeständnis an patriarchale Machtstrukturen“. Nach Aussagen des Vereins repräsentiert die vollständige Verschleierung „ein inakzeptables Geschlechterbild“. Die Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes Christa Stolle erklärte, das Tragen von Schleiern verletze die Menschenwürde der Frauen. Sie forderte, besonders öffentliche Bildungseinrichtungen müssten „ein sicherer und neutraler Ort der freien Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeit für Mädchen und Jungen bleiben.“

Bild oben: Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, Quelle: zwd

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