UN WOMEN-BERICHT : "Gleichstellung der Geschlechter ist Schlüssel zum Erreichen globaler Entwicklungsziele"

16. Februar 2018 // Hannes Reinhardt

Die Gleichstellung der Geschlechter kann das Erreichen aller globalen Entwicklungsziele ermöglichen. Das geht aus dem neuen globalen Bericht von UN Women, der Frauenorganisation der Vereinten Nationen hervor, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

Stellte den Bericht im BMZ vor: Yannick Glemarec, stellvertretender Exekutivdirektor von UN Women. - Bild: zwd
Stellte den Bericht im BMZ vor: Yannick Glemarec, stellvertretender Exekutivdirektor von UN Women. - Bild: zwd

zwd Berlin. Der Bericht unter dem Titel „Den Versprechen Taten folgen lassen: Gleichstellung der Geschlechter in der Agenda 2030“ wurde von UN Women zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN) und dem Deutschen Komitee für UN Women präsentiert und enthält zahlreiche aktuelle Daten zur Gleichstellung der Geschlechter. Damit liegen erstmals seit Verabschiedung der Agenda 2030 und der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) im Jahr 2015 nun Zahlen vor, die das erschreckende Ausmaß der allgegenwärtigen Diskriminierung von Frauen und Mädchen weltweit zeigen. „Diese belegen, dass die Gleichstellung der Geschlechter der Schlüssel zum Erreichen aller globalen Entwicklungsziele ist“, teile UN Women mit. Der Bericht beleuchtet deshalb die 17 Ziele aus einer Geschlechterperspektive und nennt konkrete Möglichkeiten zu deren erfolgreicher Umsetzung bis zum Jahr 2030.

Schwerpunkt auf Frauen in Industrie- und Schwellenländern

Der Bericht hält umfangreiches Datenmaterial bereit und schaut dabei erstmals nicht nur auf Entwicklungsländer, sondern gezielt auch auf Frauen in Industrie- und Schwellenländern. Eine Fallstudie zu den USA belegt beispielsweise, dass das Armutsrisiko für schwarze Frauen mehr als doppelt so hoch ist wie für weiße oder asiatische Frauen. So zeigen die neuen Analysen von UN Women unter anderem:

  • • In 89 Staaten mit verfügbaren Daten zählen Frauen und Mädchen zu den ärmsten 330 Millionen Menschen weltweit. Auf 100 Männer kommen jeweils 4 Frauen mehr, die von weniger als 1,90 US-Dollar (ca. 1,55 Euro) leben. Besonders in den reproduktiven Jahren zwischen 25 und 34 Jahren sind Frauen von starker Armut betroffen.
  • • Mehr als die Hälfte der Frauen in Entwicklungsländern leben auch in städtischen Bereichen in Umständen, in denen mindestens eines der folgenden Dinge fehlt: Zugang zu sauberem Wasser, gute sanitäre Anlagen, dauerhafte Wohnunterkünfte und eine ausreichend sichere und lebenswerte Umgebung.
  • • Das Beenden aller Formen von Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen ist eine Grundvoraussetzung für friedliche Gesellschaften. Derzeit ist eine von 5 Frauen unter 50 Jahren in den letzten zwölf Monaten von physischer und/oder sexualisierter Gewalt durch einen Intimpartner betroffen.
  • • Zwischen 2010 und 2015 gab es einen weltweiten Verlust von 3,3 Millionen Hektar Wald-/Forstgebieten. Besonders für arme Frauen auf dem Land bedeutet das häufig den Verlust ihrer Lebensgrundlage.

„Frauenperspektive noch stärker berücksichtigen“

„Der Fokus der Agenda 2030 liegt derzeit auf den Themen Frieden, Gleichheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit und ist damit ein starker Gegenentwurf zu den sich verstärkenden weltweiten Konflikten, zu Ausgrenzung und Umweltproblemen“, sagte Yannick Glemarec, stellvertretender Exekutivdirektor von UN Women, bei der Vorstellung im BMZ. Da Frauen besonders stark von allen weltweiten Herausforderungen betroffen und häufig die Auswirkungen als erste spürten, sei es dringend notwendig, ihre Perspektive für die Erreichung der globalen Entwicklungsziele noch stärker zu berücksichtigen. Zum Erreichen der Entwicklungsziele seien für UN Women daher unter anderem folgende Schritte notwendig:

  • • Integrierte politische Maßnahmen, die helfen, mehrere Ziele zur gleichen Zeit zu erreichen. Der Bericht zeigt beispielsweise, dass kostenlose Kinderbetreuung Frauen nicht nur Zugang zu bezahlter Arbeit verschafft, sondern dass das Einkommen gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Kinder gesünder sind und mit besserer Nahrung versorgt werden können. Beispiele aus Südafrika und Uruguay zeigen, dass die Investition in Kinderbetreuung durch neu geschaffene Jobs für Frauen und den daraus entstehenden Steuern in großen Teilen refinanziert werden können.
  • • Mehr und bessere Statistiken: Derzeit ist es nicht möglich, die Auswirkungen auf und den Einfluss von Frauen und Mädchen auf alle 17 Entwicklungsziele zu analysieren. Sechs Ziele haben keine Indikatoren, die das Geschlecht berücksichtigen; für andere Indikatoren fehlen verfügbare Daten. Das Fehlen von frühzeitigen und regelmäßigen Daten erschwert das Monitoring erheblich.
  • • Finanzkluft schließen: Die finanzielle Kluft, die derzeit eine nachhaltige Welt verhindert, kann geschlossen werden. Beispielsweise durch die bessere Kontrolle von Finanzströmen und durch das Verhindern von Kapitalflucht, die insbesondere Entwicklungsländer betrifft. Gesellschaftliche Sicherheitsnetze und essenzielle soziale Dienstleistungen könnten durch eine Umkehr der Kapitalströme massiv gestärkt werden.
  • • Regierungsverantwortliche müssen Gleichheit der Geschlechter berücksichtigen: Dazu gehört, dass politische Zusagen eingehalten werden und auch eine starke Zivilgesellschaft gefördert wird.

Der Bericht belege leider allzu deutlich, wie weit der Weg noch ist, sagte Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) anlässlich der Präsentation. „Benachteiligung verfolgt viel zu viele Frauen ein Leben lang. Der Bericht ist daher Appell an uns alle: Wir müssen den Versprechen endlich Taten folgen lassen und Mädchen und Frauen zu ihrem Recht verhelfen!“

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