GFMK IN BREMERHAVEN : Gleichstellungsministerinnen wollen Frauen besser vor Gewalt schützen

8. Juni 2018 // Sibille Heine

Vergangenen Herbst unterzeichnete die Bundesregierung die Istanbul-Konvention. Nun drängen die Landesfrauenministerinnen auf eine rasche Umsetzung von Schutzmaßnahmen für von Gewalt bedrohte Frauen. Bundesfrauenministerin Giffey zeigt sich kooperativ.

Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport/Jan Rathke
Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport/Jan Rathke

zwd Bremerhaven. Oft geht unter, was eigentlich passiert ist. „Beziehungsdrama" oder „Familientragödie", das sind die Begriffe, die Medien benutzen, wenn ein Mann seine Partnerin tötet oder versucht, sie umzubringen. „Jedes Jahr verlieren in Deutschland rund 150 Frauen ihr Leben durch ihren aktuellen oder den früheren Lebenspartner, die Zahl der Mordversuche liegt zweimal so hoch", benennt Anja Stahmann (Grüne), amtierende GFMK-Vorsitzende und Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport des Landes Bremen die ernüchternden Zahlen zur schlimmsten Form der Gewalteskalation. „Gewalt in nahen Beziehungen ist eine Menschenrechtsverletzung und Ausdruck eines hierarchischen Geschlechterverhältnisses. Die Gesellschaft ist gefordert, darauf eine angemessene Antwort zu finden. Der Anspruch auf Schutz vor Gewalt darf an der Haustür nicht enden", machte die Senatorin deutlich. Wie wichtig eine schützedne Infrastruktur aus Frauenhäusern und weiteren Anlaufstellen ist, verdeutlichen weitere Zahlen: Im Jahr 2016 zeigten fast 110.000 Frauen in Deutschland Gewalt in ihren Partnerschaften an. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher sein.

Istanbul-Konvention umsetzen: Verfahren verabreden, Koordinierungsstelle einsetzen

Die Landesgleichstellungsministerinnen, die Donnerstag und Freitag in Bremerhaven zu ihrer jährlichen Konferenz (GFMK) zusammenkamen, fordern deshalb den Bund auf, schnell eine Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbulkonvention zu entwickeln. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, das die Bundesregierung im vergangenen Jahr unterzeichnet hatte, enthält umfassende Verpflichtungen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie häuslicher Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täter. Die Ministerinnen wollen nun, dass der Bund, gemeinsam mit Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft zügig verbindliche Verfahren verabredet, eine zentrale Koordinierungsstelle schafft und genügend Ressourcen für eine unabhängige Monitoring-Stelle zur externen Evaluation der Maßnahmen bereitstellt. „Wir brauchen eine Institution, die unabhängig von der jeweiligen Regierung prüft, inwiefern die Maßnahmen ihre Ziele erreichen, ob sie den Bedarfen entsprechen, und ob es zu unerwünschten Nebeneffekten kommt,“ sagte die Vorsitzende. Auch grundlegende Fragen wie Ursachen, Ausmaß und Auswirkungen von Gewalt in nahen Beziehungen sollten nach Meinung der Frauenministerinnen besser erforscht werden.

Runder Tisch für Bund, Länder und Kommunen

Das Land Berlin will zum weiteren Ausbau der Schutzkonzepte in Bund, Ländern und Kommunen einen Runden Tisch einrichten - und stößt damit auf offene Ohren bei Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD). Die GFMK begrüßte ausdrücklich Giffeys mehrfach angekündigtes Vorhaben, ein Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen auf den Weg zu bringen, in dessen Rahmen Frauenhäuser besser gefördert werden sollen. Auch der Runde Tisch steht auf Giffeys Agenda und soll bereits in der zweiten Jahreshälfte tagen: „Mein Ziel ist der Ausbau und die finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern und ambulanten Hilfs- und Betreuungseinrichtungen. Ich werde deshalb einen „Runden Tisch“ einberufen, an dem Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit Praktikern über sinnvolle und notwendige Maßnahmen beraten. Zu den finanziellen Mitteln bin ich bereits mit dem Bundesfinanzminister im Gespräch,“ sagte die Frauenministerin auf der Konferenz. Denn die rund 350 Frauenhäuser und 40 Schutzwohnungen, in denen laut Familienministerium jährlich rund 34.000 von Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern Zuflucht suchen, kosten Geld. . Ein wichtiges Ziel des Runden Tischen sollen deshalb die Selbstverpflichtungen von Bund, Ländern und Kommunen zur Weiterentwicklung der Unterstützungsangebote sein, die derzeit oft nicht ausreichen. Auch weitergehende bundesgesetzliche Lösungen sollen diskutiert und entwickelt werden, z.B. in Form einer Kostenübernahme für die Unterkunft im Frauenhaus oder eines Rechtsanspruchs auf Schutz und Beratung, teilte das Familienministerium weiter mit.

Die GFMK stellte weitere Forderungen an die Bundesregierung. Auf Antrag Nordrhein-Westfalens soll der Bund künftig die Kosten für ärztliche und labortechnische Leistungen im Rahmen der anonymen Spurensicherung nach einem sexuellen Übergriff übernehmen. Niedersachsens Antrag zu obdachlosen Frauen wurde ebenfalls aufgegriffen: Die Konferenz möchte, dass die Bundesregierung auf der Straße oder in Notschlafstellen lebenden Frauen besser unterstützt und dazu den sozialen Wohnungsbau vorantreibt und Daten zur Wohnungsnot von Frauen erhebt. Ebenfalls aus Niedersachsen stammt der beschlossene Antrag für bessere Vereinbarkeit von Sorgeleistungen und Berufstätigkeit. Bund und Länder sollen bessere Entlastungsangebote schaffen. Die Konferenzteilnehmerinnen befürworteten außerdem Maßnahmen zu Unterstützung von Städten und Gemeinden gegen sexistische Werbung und baten um eine Bewertung gesetzlicher Regelungen gegen den „Schlankheitswahn“ in der Mode-Branche. Weiter solle die Bundesregierung systembedingten Renten-Nachteile von geschiedenen Frauen mit Erziehungs- und Pflegezeiten in der früheren DDR ausgleichen.

Einen ausführlichen Bericht zu den Beschlüssen finden Sie in der kommenden Ausgabe des zwd-Politikmagazins, das Sie hier abonnieren können.

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