ABTREIBUNGSPARAGRAF : Kontroverse Bundestagsdebatte zu Jusos-Beschluss, die Paragrafen 218 und 219a zu streichen

13. Dezember 2018 // Julia Trippo

Vor einigen Wochen verabschiedeten die Jungsozialisten auf ihrem Bundesparteitag einen Beschluss, der die Abschaffung der Paragrafen 218 und 219a des StGB fordert (der zwd berichtete). Die Fraktion der AfD hatte das zum Anlass genommen, im Bundestag eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Sie musste sich bescheinigen lassen, das Parlament mit Falschbehauptungen zu beschäftigten.

Ulle Schauws, Cornelia Möhring und Karl Lauterbach bei ihren Redebeiträgen im Bundestagsplenum - Bild: zwd
Ulle Schauws, Cornelia Möhring und Karl Lauterbach bei ihren Redebeiträgen im Bundestagsplenum - Bild: zwd

zwd Berlin. Zwar bildete das Für und Wider des Abtreibungsparagrafen 218 den Ausgangspunkt der von der AfD beantragten Debatte, doch die Mehrzahl der Abgeordneten widersprach der polemischen Zuspitzung durch die rechtspopulistische Oppositionspartei wie auch deren Vorgehen, das Parlament mit einer falschen Tatsachenbehauptung zu beschäftigen. Die AfD-Fraktion hatte ihren Antrag zur Durchführung einer Aktuellen Stunde mit der der falschen Behauptung überschrieben: „Forderung der Jungsozialisten nach Abschaffung des § 218 Strafgesetzbuch – Abtreibung bis zum neunten Monat“. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch bezeichnete zu Beginn der Debatte den Beschluss der Jusos als einen Anschlag auf das Leben und Grundgesetz. Sie forderte die SPD-Bundestagsfraktion auf, sich von den Jusos, der „Babymörderfraktion“ der Sozialdemokratie, abzugrenzen. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau rügte daraufhin von Storch nach ihrer Rede wegen dieser Äußerung.

In der Debatte wurden auch die unterschiedlichen Auffassungen der Fraktionen zu der Reform oder Abschaffung des Paragrafen 219 a deutlich, der am späten Abend noch auf Antrag der FDP-Bundestagsfraktion im Plenum behandelt werden sollte. Deren Sprecherin Katrin Helling-Plahr beurteilte die „radikalen Forderungen“ der Jungsozialisten als verfassungswidrig. Die Jusos sollten vielmehr ihre Aufgabe darin sehen, ihre Mutterpartei - die SPD und damit auch die SPD-Bundestagsfraktion - zu überzeugen, bei dem Paragrafen 219a „den Rücken gerade zu machen“. Der AfD-Fraktion bescheinigte die Liberale eine aufgeregte Schaufensterdiskussion.

Für die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker ist der Beschluss der Jusos „schwer erträglich“. Sie bekräftigte die Position der Unionsparteien, dass dem Staat eine Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen Leben obliege. Deshalb solle es bei dem Kompromiss bleiben, der seinerzeit mit der Regelung des Strafgesetzbuch-Paragrafen 218 getroffen wurde.

Der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Prof. Karl Lauterbach, selbst Arzt von Beruf, differenzierte zwischen dem Paragrafen 219a und 218. Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Ärzte über Schwangerschaftsabbrüche informieren, aber nicht werben dürfen: „Wir sind keine Kaufleute, wir sind Ärzte.“ Der Paragraf 218 sei eine Ethikentscheidung. Obwohl er, Lauterbach, den Standpunkt der Jusos nicht teile, bezeichnete er ihr Anliegen dennoch als nobel. Denn die Jungsozialist*innen "wollen verhindern, dass Frauen mit der Entscheidung allein gelassen werden, Entscheidungen, die Männer mit verursacht haben“, fügte Lauterbach hinzu.

Hinter den Beschluss der Jusos stellte sich Cornelia Möhring, die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie begrüße deren Vorschlag, Paragraf 218 und 219a aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Die Jusos hatten dies damit begründet, dass die aktuellen gesetzlichen Reglungen zu rechtlicher Unsicherheit, Kriminalisierung und Stigmatisierung von ungewollt Schwangeren und Ärzt*innen führten. Dieser Auffassung folgte Cornelia Möhring. Von Abbrüchen bis zum 9. Schwangerschaftsmonat wäre in dem Juso-Antrag nicht die Rede gewesen, rügte Möhring die AfD-Fraktion.

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Ulle Schauws warf der AfD-Fraktion vor, den Beschluss der Jusos mit bösartigen Verdrehungen und fehlerhafter Wiedergabe des Inhalts zu skandalisieren. Die eigentlichen Themen, die besprochen werden müssten, sind nach Auffassung von Schauws eine gute, umfassende Versorgung für ungewollt Schwangere, Rechtssicherheit für Arzt*innen und die Gewährleistung der reproduktiven Rechte von Frauen, die ohne uneingeschränkte Selbstbestimmung nicht denkbar sind. Auch deshalb finde sie es unglaublich, dass es bisher nicht zu einer klaren Reglung und Rechtssicherheit für Ärzt*innen gekommen sei, fügte Schauws mit Blick auf monatelangen Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD im Rahmen der Bundesregierung hinzu.

Eine ausführliche Berichterstattung zu den parlamentarischen Verhandlungen zum Paragrafen 219 a können Sie in der Ausgabe 365 des zwd-POLITIKMAGAZINs nachlesen.

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