STATISTIK 2019 : Immer weniger Studierende erhalten BAföG: Reform gefordert

3. August 2020 // Ulrike Günther

Bloß etwas mehr als ein Zehntel der Studierenden haben 2019 regelmäßig die staatliche Unterstützung bezogen. Dementsprechend setzte der Bund weniger Mittel für die Förderhilfen ein, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervorgeht. Bildungsgewerkschaft GEW, Grüne und Linke laufen Sturm gegen eine aus ihrer Sicht verfehlte BAföG-Politik und fordern eine Reform, welche das Studium krisenfest macht.

Viele Studierende sind gezwungen, ihren Hochschulbesuch über Nebenjobs zu finanzieren. - Bild:  PxHere
Viele Studierende sind gezwungen, ihren Hochschulbesuch über Nebenjobs zu finanzieren. - Bild: PxHere

zwd Berlin. Laut der heute (03. August) veröffentlichten Statistik von Destatis bezogen 2019 rund 680.000 Personen BAföG-Leistungen, knapp 490.000 davon waren Studierende, die übrigen Geförderten bildeten Schüler*innen. Damit ging die Anzahl der mit staatlichen Mitteln unterstützten Student*innen gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent zurück, von den Schüler*innen wurden sogar 8,7 Prozent weniger als 2018 über das BAföG unterstützt. Nach Angaben von Destatis erhielten jedoch nicht alle BAföG-Empfänger*innen im genannten Zeitraum die Förderhilfen durchgängig. Demnach wurden durchschnittlich nur rund 435.000 Personen pro Monat BAföG-Mittel ausgezahlt, 317.000 Student*innen und 118.000 Schüler*innen.

Die Bildungsgewerkschaft GEW, Grüne und Linke kritisieren den Rückgang der Förderzahlen beim BAföG und fordern die Bundesregierung auf, die Ausbildungsförderung zu reformieren. Die Große Koalition müsse „jetzt endlich handeln und nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf für eine BAföG-Reform vorlegen“, betonte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller anlässlich der Veröffentlichung der Statistik. Er verlangte eine „deutliche Erhöhung der Fördersätze und Freibeträge sowie eine Umstellung des BAföG von Teildarlehen auf Vollzuschuss“.

GEW: Mängel beim BAföG führen zu Zwangslagen in der Krise

Keller sieht in der mangelnden BAföG-Förderung der Studierenden eine Ursache dafür, dass diese von der Krise besonders stark betroffen sind: Wenn nur rund ein Zehntel der Student*innen die staatliche Förderung erhielten, sei die Mehrheit von ihnen auf Nebenjobs – z.B. in Hotels oder in der Gastronomie – angewiesen, die in der Krise weggefallen sind. In der Folge könnten die Student*innen häufig ihre Miete, Fachbücher oder Internetzugang nicht mehr bezahlen.

Gemessen an der Gesamtzahl der an bundesdeutschen Hochschulen eingeschriebenen Studierenden von ca. 2,9 Millionen konnten gemäß der Statistik von Destatis monatlich lediglich rund 11 Prozent einen Anspruch auf BAföG-Unterstützung geltend machen, 7,1 Prozent weniger als im Jahr davor. Demgegenüber stiegen die an die Geförderten gezahlten Beträge leicht um 4,3 Prozent auf 503 Euro pro Monat. Student*innen bekamen 2019 im Mittel 514 Euro (+ 4,26 Prozent) pro Monat, Schüler*innen 473 Euro (+ 4,19 Prozent).

Bildungsgewerkschaft warnt vor drohenden Studienabbrüchen

Der stellvertretende GEW-Vorsitzende Keller monierte darüber hinaus, dass die Überbrückungshilfen des Bundes mit höchstens 500 Euro pro Monat zu sparsam bemessen und bei einer Ablehnungsquote von rund 50 Prozent an zu wenige Studierende vergeben würden. Das alternative Angebot der rückzahlbaren Bankkredite hält der GEW-Vize wegen der Gefahr, dass Student*innen, statt Schulden zu riskieren, lieber ihr Studium abbrechen, für „bildungspolitisch absurd“. „Eine Welle an Studienabbrüchen können wir uns mitten in der Coronakrise nicht auch noch leisten“, warnte Keller und verlangte von der Regierung, die für die Überbrückungshilfen bereitgestellten Mittel auf eine Milliarde Euro aufzustocken.

Nur rund 51 Prozent der BAföG-Empfänger*innen oder 347.000 Personen (--4,6 Prozent) wurde 2019 der volle Förder-Satz zuerkannt, 490.000 Personen (- 8,3 Prozent) wurden mit einem Teilbetrag unterstützt. Mit Gesamt-Ausgaben für BAföG-Leistungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro gab der Bund 2019 84 Millionen Euro oder 3,1 Prozent weniger Mittel für die Förderhilfen von Studierenden und Schüler*innen aus.

Linke: BAföG soll Studierende unabhängig von der Herkunft fördern

Die hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion Nicole Gohlke schlug vor, anstelle der unzureichenden Überbrückungshilfen und Kredite des Bundes die bisher nicht ausgegebenen Mittel aus dem BAföG-Budget den Studierenden und Schüler*innen in krisenbedingten finanziellen Zwangslagen zugutekommen zu lassen. Gohlke bemängelte, dass sogar der BAföG-Höchstsatz an vielen Orten der Bundesrepublik nicht ausreiche, um alltägliche Lebenshaltungskosten, wie Mieten, zu decken. Die Grünen-Sprecherin mahnte, dass das BAföG als Förderinstrument allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft ein Studium ermöglichen sollte. Stattdessen habe die „fehlgeleitete Politik der Bundesregierung“ nach Ansicht der Linken-Politikerin dazu geführt, dass es diesem Zweck kaum mehr gerecht werde. Tatsächlich werde bei der Studienförderung „an den Schwächsten gespart“, und die sozialen Unterschiede würden sich dadurch noch verschärfen.

Grüne wollen BAföG nur teilweise von Eltern abhängig machen

Ähnlich äußerte sich der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Kai Gehring. Er reklamierte das BAföG als „Chancengerechtigkeitsgesetz“, dass aber in der Praxis „kaputtgespart“ worden sei, so dass aufgrund zu geringer Elternfreibeträge nur eine Minderheit von Studierenden die Förderung erhielten. Die Leidtragenden dieser Politik und der zu zaghaften Reformversuche von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) seien vor allem Student*innen aus Elternhäusern mit niedrigen bis mittleren Einkünften. Auch Gehring forderte, den unzulänglichen Rettungsschirm der Regierung für in finanzielle Notlagen geratene Studierende durch eine „grundlegende BAföG-Reform mit höheren Fördersätzen und Freibeträgen sowie weniger Bürokratie“ zu ersetzen. Die Grünen wollen nach Angaben des ‚Sprechers für Hochschulpolitik das BAföG zu einem zwei-säuligen-Fördermodell umbauen, wonach ein Teil der Unterstützungsleistung elternunabhängig, der andere Teil bedarfsabhängig an die Studierenden zu zahlen wäre. .

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