GANZTAGSBETREUUNG GRUNDSCHULEN : Karliczek stellt mehr Bundesmittel für Ganztagsangebote in Aussicht

25. Mai 2020 // Ulrike Günther

Kinder im Grundschulalter sollen nach dem Willen der Koalition aus Union und SPD einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung haben. Die Bundesministerin für Bildung Anja Karliczek (CDU) hat nun angekündigt, für die laut Koalitionsvertrag bis 2025 geplante Umsetzung des gesetzlichen Anspruchs deutlich mehr Finanzmittel verfügbar zu machen.

Für viele Grundschulkinder ist ganztägige Betreuung wichtig.  Bild: PxHere
Für viele Grundschulkinder ist ganztägige Betreuung wichtig. Bild: PxHere

zwd Berlin. Gegenüber der Bild am Sonntag erklärte Karliczek, sie könne sich vorstellen, „die bisher vorgesehenen Mittel des Bundes zu verdoppeln“. Bisher hatte die Bundesregierung beabsichtigt, die Länder mit rund 2 Milliarden Euro für den Ausbau von Ganztagsplätzen aus einem einzurichtenden Sondervermögen zu unterstützen. Wie vom zwd-POLITIKMAGAZIN berichtet, würden sich nach Schätzungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) die tatsächlich anfallenden Kosten auf ca. 5,3 bis 7,5 Milliarden Euro belaufen, um bundesweit an allen Grundschulen ausreichende räumliche Kapazitäten sowie eine angemessene Ausstattung bereitzustellen.

Zu den Betreuungsangeboten für Grundschulkinder zählen Hort, offene und gebundene Ganztagsschulen sowie Über-Mittag-Betreuung, darüber hinaus Ferienprogramme. Mit dem Geld würden Bund und Länder über die Jahre verteilt zwischen 820.000 und 1,1 Millionen neue Betreuungsplätze schaffen, hinzu kämen die andauernden Betriebskosten, welche das DJI ab 2025 auf 3,2 bis 4,5 Milliarden Euro jährlich veranschlagt

Karliczek: Krise zeigt, wie wichtig Ganztagsbetreuung ist

Für Bildungsministerin Karliczek zeigt sich gerade in der aktuellen Situation der Corona-Krise, „wie wichtig es ist, die Schülerinnen und Schüler gut zu betreuen, wenn die Eltern berufstätig sind“. Mit den erweiterten Ganztagsplänen wolle sie den Familien „neue Perspektiven für die Zeit nach der Pandemie geben“. Laut Karliczek könnten die zusätzlichen Mittel über ein Investitionsprogramm in den Ganztagsausbau fließen, über welches das Bundeskabinett am 02. Juni beraten werde.

Das Programm solle außerdem einen „weiteren starken Impuls zur Modernisierung unserer Schulen“ setzen, so die Ministerin. Karliczek rechnet auf die Zustimmung des Koalitionspartners SPD. Die Bundesländer sollten ihrerseits einen Beitrag leisten, damit man das erforderliche Gesetzgebungsverfahren innerhalb der nächsten Monate durchführen könne.

Grüne: Aufstockung der Fördermittel für Ganztag unbedingt erforderlich

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt die von Karliczek in Aussicht gestellte finanzielle Aufstockung der vom Bund in das Erweitern der Ganztagsangebote zu investierenden Mittel als „richtige(n) Impuls“. Die bisher von der Koalitionsregierung vorgesehene Summe sei „viel zu knapp bemessen“, urteilte die Vizevorsitzende und kinderpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Katja Dörner.

Eine Erhöhung der Fördermittel, mit denen der Bund das Vorhaben unterstützen soll, sei nach Ansicht von Dörner unbedingt erforderlich „um den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztag im Grundschulalter überhaupt umsetzen zu können“. Die Grünen-Politikerin hält es für wichtig, den rechtlichen Anspruch auf ganztägige Betreuung rasch im Bundesgesetz festzuschreiben, und fordert die Regierung auf, demgemäß einen Gesetzentwurf vorzulegen. Dörner mahnte in ihrer Stellungnahme aber an, dass der „Ganztag (…) eine hohe Qualität“ bräuchte, so dass Eltern und Kinder sowie Unternehmen wirklich, wie angestrebt, daraus Nutzen ziehen könnten.

Höhere Finanzierung kommt Kritik von Opposition und Ländern entgegen

Anfang März hatte der Bundestag über einen Gesetzesvorschlag der Koalitionsregierung (Drs. 19/17294) beraten (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete in Heft Nr. 377). Die Abgeordneten hatten kontrovers über den Entwurf diskutiert. Die von der Regierung zur Förderung des Ganztagsausbaus angesetzten Bundesmittel könnten die entstehenden Kosten nicht decken, war der Tenor bei den Oppositionspolitiker*innen der demokratischen Fraktionen. Grüne, FDP und Linke forderten eine auskömmliche Finanzierung des Ganztagsprojektes, die SPD räumte immerhin ein, dass der Bund zusammen mit Ländern und Kommunen bis zur Verwirklichung des Rechtsanspruchs noch eine weite Wegstrecke zurückzulegen hätte.

Somit stimmten viele Parlamentarier*innen mit der zuvor vom Bundesrat abgegebenen Stellungnahme überein. Darin hatte das Ländergremium das Einrichten ganztägiger Betreuungsangebote zugunsten besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie gerechterer Bildungschancen zwar befürwortet, aber zugleich gemahnt, dass das Sondervermögen im Umfang von 2 Milliarden Euro angesichts der voraussichtlich viel höheren Kosten des Ganztagsvorhabens nur einen „ersten Schritt“ zur Finanzierung des Bundesvorhabens darstellen könne.

Bedarf an zusätzlichen Ganztagsplätzen vor allem in Westdeutschland

Außerdem wies der Bundesrat in seiner Stellungnahme darauf hin, bislang seiungeklärt, aus welchen Mitteln die künftigen Betriebskosten der Ganztagsversorgung zu bestreiten wären. Die Länderkammer erinnerte daran, dass sich die Koalitionspartner in ihrem gemeinsamen Vertrag verpflichtet hätten, die Kommunen dabei zu entlasten. Um die einem allgemeinen Recht von Grundschulkindern entsprechenden Angebote von Ganztagsbetreuung gewährleisten zu können, zusätzliche finanzielle Hilfen vonseiten des Bundes geboten.

Der bislang von Ländern und Gemeinden bewerkstelligte Ausbau der Betreuungsinfrastruktur wird dem effektiven Bedarf an ganztägigen Betreuungsangeboten noch nicht gerecht. Dieser beziffert sich nach Angaben des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) auf insgesamt rund 75 Prozent der Grundschulkinder. Während in den ostdeutschen Bundesländern für ungefähr 90 Prozent der Schüler*innen Ganztagsplätze vorhanden sind, liegt das Angebot an ganztägiger Betreuung in Westdeutschland teilweise bei lediglich 30 Prozent.

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