NIEDERSACHSEN : Keine Kopftücher für Richterinnen? Geplantes Neutralitätsgesetz in der Kritik

29. August 2019 // Ulrike Günther

Ein Gesetzentwurf der Landesregierung zur religiösen Neutralität in Gerichtssälen trifft verstärkt auf Kritik. Vertreter*innen der muslimischen Gemeinde warfen SPD und CDU vor, Frauen als Angehörigen des Islam zu misstrauen. Das Tragen von Kopftüchern erhalte durch das geplante Gesetz mehr Beachtung als die fachliche Kompetenz der Musliminnen.

Frau mit Kopftuch -  Bilc: pexels / Moaid Mefleh
Frau mit Kopftuch - Bilc: pexels / Moaid Mefleh

auf ihre Kleidung reduziert, statt ihre hart erarbeitete Kompetenz zu beachten",

so wichtig wie in einem Gerichtsverfahren“, erläuterte Havliza ihren Vorstoß für das neue Gesetz. Die Justiz sei bei ihren Entscheidungen „ausschließlich an Recht und Gesetz“ gebunden. Diese von der Rechtsprechung zu wahrende Neutralität müsse auch nach außen hin erkennbar sein, hob die Justizministerin hervor. Anlass für den Entwurf zum Gesetz hatten mehrere muslimische Referendarinnen gegeben, die ihre Kopftücher auch bei der Arbeit im Gerichtssaal anlegen wollten, wie ein Sprecher des Ministeriums dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) mitteilte.

Muslim*innen: Gesetz würde religiöse Menschen verunglimpfen

Al-Mousllie hingegen argumentierte, dass Kopftücher in vielen Regionen Deutschlands längst zur Alltagswelt gehörten. Musliminnen „wegen ihrer Religion“ zu misstrauen, sei dem Verbandssprecher zufolge “vollkommen unredlich“. Nach Ansicht Al-Mousllies würden gläubige Menschen durch das geplante Gesetz sowohl von zentralen Bereichen der Gesellschaft ausgeschlossen und an den Rand gedrängt als auch öffentlich als parteiisch und voreingenommen verunglimpft. Das Vertrauen, das die aus vielen religiösen und ethnischen Gruppen zusammengesetzte Gesellschaft dem Rechtsstaat entgegenbringe, werde „dadurch extrem geschwächt“, gab Al-Mousllie zu Bedenken.

Äuch der Vorsitzende der Schura, der Vereinigung der Muslime in Niedersachsen, Recep Bilgen, warf SPD und CDU vor, sie schürten „Vorurteile gegenüber Personen, die aus religiösen Gründen bestimmte Kleidungsstücke“ anlegen. Laut Bilger verletze die Gesetzesvorschrift gleich mehrere Grundrechte wie die Religionsfreiheit und die Berufsfreiheit. Musliminnen würden durch das geplante Gesetz faktisch daran gehindert, ihren Beruf auszuüben, wenn sie aus Glaubensgründen den als verpflichtend angesehenen Kleidungscode befolgen wollen. Die als fundamentalistisch geltende Islamische Gemeinschaft Milli Görüs hatte zuvor moniert, der Entwurf zum neuen Gesetz würde wie ein „faktisches Kopftuchverbot“ wirken.

Jüdische Gemeinde: Gesetzentwurf für Religionsfreiheit problematisch

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland übte Kritik an dem Gesetzesvorhaben. Er hält die in Aussicht genommene Vorschrift in Hinsicht auf die durch das Grundgesetz (GG, Art. 4) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, Art. 9) zu gewährleistende Religionsfreiheit für „sehr problematisch“ und sieht es als erforderlich an, den Entwurf daraufhin zu überprüfen. Mit Blick auf die europäische und besonders die deutsche Geschichte sowie eine Reihe von terroristischen Ereignissen komme der Religionsfreiheit eine hervorragende Bedeutung zu. Sinnhafte Zeichen eines gläubigen Bekenntnisses öffentlich zu tragen sei außerdem integraler Bestandteil und Ausdruck für das Leben in einer offenen, toleranten Gesellschaft, so der Zentralrat.

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