VERFASSUNGSÄNDERUNG (UPDATE) : Keine parlamentarische Mehrheit für "Kinderrechte ins Grundgesetz"

8. Juni 2021 // ticker/ig

Die SPD-Initiative, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, ist an der fehlenden Einigungsbereitschaft der Unionsparteien mit der Opposition im Bundestag gescheitert. Nach dem Urteil der Grünen ist in langen Verhandlungen eine echte Verfassungserweiterung vor allem gegen die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht durchsetzbar gewesen. Die Linke warf der Regierungsmehrheit vor, das Vorhaben "gegen die Wand gefahren" zu haben.

Die Ministerinnen Lambrecht und Giffey (SPD) hatten die Grundgesetzänderung auf den Weg gebracht
Die Ministerinnen Lambrecht und Giffey (SPD) hatten die Grundgesetzänderung auf den Weg gebracht

Anlässlich der abschließenden Verhandlungsrunde mit den Fraktionen zum Thema „Kinderrechte im Grundgesetz“ erklärte Bundesjustiz- und -familienministerin Christine Lambrecht am Montag Abend (21:01 Uhr), sie sei sowohl aus dem Blickwinkel ihrer Ämter als auch persönlich "zutiefst enttäuscht darüber, dass die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz für diese Legislaturperiode gescheitert ist, weil der Union und der Opposition der Wille zur Einigung fehlte". Für eine Änderung des Grundgesetzes wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich gewesen. Es habe an der notwendigen Kompromissbereitschaft unter den Fraktionen gefehlt, geht aus einer Mitteilung von Lambrechts Haus hervor. Nach Einschätzung der Ministerin hätten die Verhandlungen ihrer Auffassung nach kurz vor einer Einigung gestanden - diese Gelegenheit werde "so schnell nicht wiederkommen".

Lambrecht betonte in diesem Zusammenhang, dass die Corona-Pandemie der Gesellschaft noch einmal besonders eindrücklich die Schutzbedürftigkeit von Kindern vor Augen geführt habe. Sie bedauere zutiefst, dass die historische Chance, die Kinderrechte als sichtbares Leitbild in unserem Grundgesetz zu verankern, aufgrund des Streits über Detailfragen vertan worden sei. Die SPD werde sich weiterhin für die Verankerung des Schutzes der Kinder im Grundgesetz mit allen Kraft einsetzen. Dies bleibe nun allerdings eine Aufgabe für die Zukunft.

Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz war eine der Vereinbarungen von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag von 2018.

Grüne bedauern ebenfalls das Scheitern und machen vor allem die Unionsfraktion dafür verantwortlich

Für das Scheitern der Aufnahme von Kindern ins Grundgesetz machten die Grünen-Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz (Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik) und Katja Keul (Sprecherin für Rechtspolitik) den Gesetzentwurf der Bundesregierung verantwortlich. Ihre Fraktion habe von Beginn an gesagt, dass sie für einen "schlechten Kompromiss" - wie sie diese Regierungsvorlage bewertet - nicht zur Verfügung stehen würde. Nach schwierigen Verhandlungen hätten die Grünen nun feststellen müssen, dass bei den Kinderrechten weder eine Einigung auf Förderung noch auf Schutz noch auf Beteiligung erzielt werden konnte. Namentlich die Unionsfraktion habe eine solche Stärkung der Kinderrechte abgelehnt.

Nach den Worten der Grünen-Sprecherinnen kann ihre Fraktion "keiner Vorlage zustimmen, die keinerlei Fortschritt für die Kinderrechte in Deutschland bedeutet". Nach Einschätzung der Oppositionsfraktion enthält der Vorschlag der Koalition "mit der Gewährleistung verfassungsmäßiger Rechte und des rechtlichen Gehörs überflüssige Verweise auf bereits geltendes Recht und damit letztlich nur eine Umschreibung, dass sich für die Kinder in Deutschland nichts ändern soll".

Letztlich sei eine Verankerung "wirksamer Kinderrechte im Grundgesetz" zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen ist. Die Grünen wollen auch in der neuen Wahlperiode alles an eine wirksame Verfassungsänderung setzen.

Linke: Koalition fährt Kinderrechte an die Wand

Die Koalition habe das Vorhaben, Kinderrechte endlich im Grundgesetz zu verankern, "an die Wand gefahren“, kommentierte der kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, das Scheitern der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Nach Darstellung des Linken-Sprechers haben SPD und Union die Debatte über die seit Jahren vorliegenden Vorschläge von LINKEN und Grünen im Rechtsausschuss blockiert. Erst seien anderthalb Jahre in einer ergebnislosen Bund-Länder-AG verplempert worden, dann seien wertvolle Monate im Koalitionsstreit verstrichen. Der schließlich präsentierte Regierungsvorschlag hätte nach Ansicht der Linken einen großer Rückschritt bedeutet. Müller kritisierte zudem, dass die LINKEN aus den Verhandlungen ausgeschlosssen gewesen seien. Die LINKE forderte, nach den Bundestagswahlen müssten die Verhandlungen im Parlament zwischen allen demokratischen Fraktionen umgehend wieder aufgenommen werden. Der programmatische Ansatz der Linken: "Wir wollen umfassende Rechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung und einen Vorrang des Kindeswohls im Grundgesetz sichern."

Mehr dazu im zwd-POLITIKMAGAZIN, Ausgabe 384

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